Erstaunliche Initiative

Ist Wesley So (sein Wikipedia-Eintrag) ein Betrüger? Nach meinem Beitrag anlässlich der Siege des 14jährigen beim stark besetzten Dubai Open bekam ich einen entsprechenden Hinweis. Während dem Open in Bad Wiessee 2006, wo So seine erste GM-Norm holte, hatte es hitzige Diskussionen gegeben, ob der junge Filipino Computerzüge signalisiert bekam oder auf seinen häufigen Spaziergängen elektronische Hilfe in Anspruch nahm (worüber Michael Prusikin in Schach 12/2006 berichtete). Ein Großmeister war sogar überzeugt, dass So von Rybka geleitet wurde. Andere (wie Prusikin) nahmen ihn in Schutz.

Das tue auch ich. Beim Open Ende Dezember 2005 in Singapur hatte ich Gelegenheit, So zu beobachten. Der damals 12jährige war zu erstaunlichen Zügen in der Lage, worüber ich ebenfalls in Schach (2/2006) berichtete. Er besaß ein frühreifes Gefühl für Initiative und ein scharfes Auge für nicht offensichtliche Taktik, kein Zweifel. Nur dass er ständig grinste, wirkte etwas merkwürdig.

Damals erzählten mir die Filipinos, dass So keinen Trainer habe. Das hat sich kurz darauf geändert. Aber dass sich eine kleine Mafia um ihn gebildet hätte, die nun von seinen Erfolgen und seiner Bekanntheit auf den Philippinen profitiert, wie ich mir zur Rechtfertigung des Verdachts gegen ihn zusammenreimte, dafür gibt es anscheinend keinen Beleg, wie zwei Anfragen von mir ergaben.

Ian Rogers teilte mir mit, dass auch er Gelegenheit hatte, So bei einigen Turnieren zu beobachten, wo er eine Partie nach der anderen gewann und ganz sicher keine elektronische Hilfe von außen möglich gewesen sei. Rogers ist von Sos außergewöhnlichen Talent überzeugt.

Ganz bodenlos ist ein Verdacht gegen die philippinische Schachszene allerdings nicht, wie Rogers anmerkt: Voriges Jahr wurde ein halbes Dutzend IMs vom Schachverband wegen abgesprochener Resultate gesperrt. So war damals noch IM aber nicht involviert.

Betrugsvorwürfe sind heute schnell erhoben, wenn jemand mal stärker spielt als erwartet. Das ging Topalow so, als er 2004 bis 2006 zu großer Form auflief. Oder Anna Rudolf, die beim Weihnachtsopen im französischen Vandoeuvre etwas zu oft mit ihrem Labello herumspielte. Oder nun eben dem Wunderknaben von den Philippinen, von dem wir noch viel hören werden.

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