Dienstag, 16. Mai 2006

Bönschs Ballack

Arkadi Naiditsch, der Neue im deutschen Team bei der Schacholympiade, die am Sonntag in Turin beginnt, gibt sein Debut gleich am ersten Brett. Schließlich ist er der einzige, der für Weltklasseschach gut ist (siehe sein erster Platz bei den Dortmunder Schachtagen 2005). Mit Naiditsch geht es Bundestrainer Uwe Bönsch ein bisschen wie Klinsi mit Michael Ballack. Die übrigen Nationalspieler sind ganz passable Profis aber weit, weit entfernt von der Weltspitze. Wenigstens ahnt die deutsche Schachöffentlichkeit, dass ein Platz unter den ersten sechzehn in Turin schon ganz ordentlich wäre, das Erreichen der ersten acht ein Erfolg und ein Medaillenplatz eine Sensation.

Mit 2664 Elo führt Naiditsch die deutsche Liste klar an. Bei der EM im türkischen Kusadasi teilte er immerhin den dritten Platz. Man lasse sich auch nicht davon täuschen, dass der 20jährige Dortmunder im an diesem Dienstag in Sarajewo zu Ende gegangenen Turnier (Nisipeanu siegte, Magnus Carlsen wurde, vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben, Remiskönig) Letzter wurde. Naiditsch agierte in der bosnischen Hauptstadt unglücklich, ließ sich aber nicht unterkriegen. Seine ungebrochene Moral bewies er, als es ihm als klares Schlusslicht in Runde acht (zu den Partien) gelang, aus kritischer Stellung mit Schwarz den zu diesem Zeitpunkt allein Führenden Nisipeanu niederzuringen.

Die Einladung nach Sarajewo war kurzfristig gekommen, und sie war einfach zu gut, um ausgeschlagen zu werden. So konnte ausgerechnet der einzige Neuling beim fünftägigen Trainingslager der deutschen Herren- und Damenauswahl vorige Woche im badischen Hockenheim (obwohl mit Rücksicht auf seinen Start in der Russischen Mannschaftsmeisterschaft so spät terminiert) nicht dabei sein. Verkehrt wäre es nicht gewesen, wenn Naiditsch die Mannschaft beim Training im Hotel am Motodrom besser kennen gelernt hätte.

Im vorigen Jahr hatte für Verstimmung gesorgt, dass er das erste Mannschaftsturnier nach seiner Einbürgerung, die EM in Göteborg absagte, weil ihm das angebotene Honorar nicht reichte. Dass Naiditsch doppelt so viel forderte wie die übrigen deutschen Nationalspieler erhielten, konnte und wollte Bundestrainer Uwe Bönsch nicht mitmachen. Inzwischen haben sie sich geeinigt. Naiditsch kriegt fürs Spielen keinen Cent mehr, als die nach Elo gestaffelte Honorartabelle des Nationalteams vorsieht. Aber der Deutsche Schachbund bezuschusst sein Training. Außerdem hat sich der Nationalspielerstatus für ihn bei der EM bezahlt gemacht, wo der Deutsche Schachbund seine Kosten übernahm.

Wieder im deutschen Team, das an diesem Samstag jeder für sich die Reise nach Turin antritt, sind Artur Jussupow, 46, und Thomas Luther, 36. Bei Jussupow, der das Silbermedaillenteam 2000 in Istanbul so großartig angeführt hatte und sich 2002 aus Rücksicht auf seine Schachschule und ein bisschen auch aus Protest gegen die FIDE-Dopingregeln zurückgezogen hatte, ging es zuletzt wieder bergauf. Nachdem er 2004/5 ein Jahr Bundesligapause eingelegt hatte, meldete er sich mit dem Deutschen Meistertitel 2005 und einem soliden Resultat am ersten Solinger Brett zurück, was ihm zu aktuell 2608 Elo fünf Punkte plus beschert. Luther war im deutschen Team stets besonders motiviert und überzeugte noch 2002 in Bled noch mit einem satten Plus, wurde vor zwei Jahren in Calvia aber wegen einer Eloflaute nicht berücksichtigt. Den Ausschlag für seine Rückkehr gab für den mit 2593 geführten Erfurter sein Sieg bei der Deutschen Meisterschaft 2006.

Die drei Spieler, die schon in Calvia dabei waren, sind die Sorgenkinder des Bundestrainers: Es ist kein Geheimnis, dass Jan Gustafsson, 26, seit einiger Zeit stärker damit beschäftigt ist, an seinem Pokerspiel zu feilen, und dies online zu versilbern. In der Bundesligasaison 2005/6 konnte der Hamburger keine einzige Partie gewinnen. Einen Hoffnungsschimmer bedeutete sein geteilter erster Platz vor zwei Monaten beim GM-Turnier in der Bezoldschen Pulvermühle. Dennoch erwarten den mit 2603 Geführten neun Elopunkte Abzug.

Christopher Lutz, 35, hat in letzter Zeit weniger an seinem eigenen Spiel gearbeitet als am Eröffnungsbuch und als Sparringspartner des österreichischen Computers Hydra. In der Aprilliste wird der Kölner noch mit 2608 geführt, doch aus der Bundesliga und der missratenen EM in Kusadasi erwartet ihn ein sattes Minus von 22 Punkten. Zuletzt hatte Lutz, der noch vor wenigen Jahren bei 2650 kursierte, das deutsche Team angeführt. Nun ist er auf die fünfte Position abgerutscht. Noch eins hinter ihm firmiert Alexander Graf, 43, vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls noch ein 2650er. Der Leipziger rennt seiner früheren Form hinterher und ist inzwischen auf 2592 abgerutscht, wobei sich seine ausstehenden Verluste aus Bundesliga und EM mit fünf Punkten in Grenzen halten.

So hat Bönsch das Team aufgestellt:
Brett 1 Arkadi Naiditsch
Brett 2 Artur Jussupow
Brett 3 Jan Gustafsson
Brett 4 Thomas Luther
Ersatz Christopher Lutz
Ersatz Alexander Graf

Welche Alternativen hatte Bönsch? Robert Hübner hätte nach Elo (2632 in der Aprilliste) nominiert werden können, doch der 57jährige hat nach einer verkorksten Bundesligasaison (minus 21 Elo) und aus Abneigung gegen Dopingtests und FIDE-Bedenkzeit keine Lust auf ein Comeback verspürt. Rustem Dautow bastelt momentan an einer neuen Karriere als Pokerlehrer und winkte daher von selbst ab. Klaus Bischoff, der Schwarzspezialist des Teams bei den letzten Schacholympiaden, ist auf 2528 abgesackt.

Von den drei Spielern, die 2004 in Calvia noch im Team waren, bot sich nur Leonid Kritz für eine Wiedernominierung an. Von dem 22jährigen hatte der Bundestrainer erwartet, dass er die 2600 schafft. Mit 2578 (plus vier aus der Bundesliga) fehlt Kritz gar nicht so viel, und hätte er den Deutsche Meistertitel nicht durch eine Weißniederlage in der letzten Runde verpatzt, wäre er in Turin dabei. Für ihn gesprochen hätte, dass er in einem Maß wie sonst nur Naiditsch voll auf Schach setzt.

Ein Mann, den Bönsch im Auge behält, ist auch Michael Prusikin. Der 27jährige Nürnberger Schachlehrer hat zwar nicht sehr viel Turnierpraxis, klettert aber elomäßig beständig nach oben, steht nach dem geteilten Sieg im Pulvermühle-Turnier bei etwa 2575 und hat sein Potenzial sicher noch nicht ausgeschöpft. Stark im Aufwärtstrend befindet sich David Baramidze, der samt den noch nicht ausgewerteten Turnieren bei 2570 steht und damit eher unterbewertet ist. Dass der 17jährige Dortmunder nicht in Frage kam, lag aber letztlich nur daran, so Bönsch, dass er noch nicht eingebürgert ist.

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