Sonntag, 3. Dezember 2006

Viel Lärm um ziemlich wenig

Gegen Deep Fritz ging es Kramnik also, wie es Topalow gegen ihn erging. Nichts war´s mit der halben Million extra. Nach dem hübschesten Remis bislang ist der Schaukampf mit dem sprachlich herausgeforderten Titel „World Chess Challenge“ gelaufen. Eine Partie kommt zwar noch, aber da Kramnik sein üppiges „Schmerzensgeld“ (C. Donninger) nicht mehr verdoppeln kann und es daher nur noch um die Ehre geht, werden beide mit einem Remis zufrieden sein.
(nachtrag 8.12.: da habe ich mich geirrt: Kramnik hat auf Gewinn gespielt, allerdings etwas unbeholfen - a5 und c5 ist ein Bauernvorstoß zu viel - und wurde nach ordentlicher Eröffnung von Fritz überspielt).

Dann kann Kramnik darauf verweisen, dass er nur wegen seines Blackouts in Partie zwei verloren habe, er aber von Deep Fritz nie überspielt worden sei. Die Vorteile des Rechners in Partie drei und vier waren symbolisch und reichten an die reellen Gewinnchancen, die sich der Russe in den ersten zwei Spielen erarbeitet hatte, nie heran. Sein Rezept war offensichtlich das gleiche wie vor vier Jahren in Bahrain: schnell die Tanten tauschen, sonst wird es heikel. Umgekehrt war Fritz schlecht gerüstet. Zumindest ließ sich das Programm immer wieder aus der Eröffnung heraus auf Vereinfachungen ein. Das so genannte Buch war viel zu korrekt, statt Verwicklungen, die der Rechenkraft des Computers liegen, herbeizuführen.

Letzte Chance für die Menschheit? So ein Kappes. Unter den Bedingungen, die Kramnik ausgehandelt hat, wie dem laufenden Einblick ins Fritz-Eröffnungsbuch bis ans Ende aller Varianten wären noch ein Reihe Spieler mehr in der Lage gewesen, dem Computer ein enges Match zu liefern. Ob ein Anand, Topalow oder Leko statt zu patzen eine gut stehende Partie bis zum siegreichen Ende durchgestanden hätte, ist reine Spekulation.

Chessbase hat seine Presseschau einmal mehr hübsch aufgebläht mit den in verschiedenen Medien erschienenen Agenturmeldungen. Wären nur Eigenberichte berücksichtigt, bliebe bestenfalls die Hälfte. Aber es stimmt schon: die Medien haben brav berichtet. Schön für die RAG. Vielleicht investiert der an die Börse strebende Energiekonzern ja bald einmal in ein bedeutsameres Schachevent.

Eigentor

Nein, nicht von Kramnik sondern vom Österreichischen Schachbund ist die Rede: Im Frühsommer war er drauf und dran, die von den Vereinen der ersten und zweiten Ligen beschlossene Verschärfung der Ausländerregelung umzusetzen. In den zwei obersten Ligen sollten ab 2007/8 nicht mehr an drei sondern nur noch an zwei von sechs Brettern Nichtösterreicher Platz nehmen dürfen. Ein Zweitligaverein, der seit vielen Jahren Amateurspieler aus dem benachbarten Deutschland einsetzt, hatte daraufhin mit einer Klage gedroht. Es gab eine Krisensitzung, zwei Arbeitskreise wurden gegründet, Beschlüsse des EU-Gerichtshofs wurden gewälzt. So wurde ein vierstelliger Betrag ausgegeben mit dem Ergebnis, dass der Verband auf ganzer Linie den Schwanz eingezogen hat: Ab der nächsten Saison gibt es keine Beschränkungen mehr.

Wäre die Verschärfung nie auf den Weg gebracht worden, hätte sehr wahrscheinlich keiner geklagt. Und auch wenn der ÖSB einfach auf die bestehende 50:50-Regelung zurück gefallen wäre, hätte sich das reale Risiko einer Klage in Grenzen gehalten. Geht man davon aus, dass der ÖSB die einheimischen Spieler fördern will, also ein klassisches Eigentor, das zumindest eine Diskussion auslösen sollte, ob Kurt Jungwirth nach mehr als dreißig Jahren (und sportpolitischen Verdiensten blabla) als ÖSB-Präsident dem Amt noch gewachsen ist.

Während der ersten Runde der Österreichischen Bundesliga vor einigen Wochen in Graz wunderte ich mich, dass die sich abzeichnende Regelung unter den einheimischen Spielern kaum ein Thema war, von einer Unterschriftensammlung, die Empörung dokumentiert, ganz zu schweigen. Die österreichischen Spieler haben es anscheinend aufgegeben, für ihre Interessen aufzustehen.

Dabei gibt es einen hintersinnigen Vorschlag, der auf Wolfgang Unzicker zurück geht: Der voriges Jahr verstorbene Münchner Großmeister und Richter hatte dem Deutschen Schachbund vor Jahren nicht raten wollen, die Einsätze von Ausländern zu begrenzen, weil eine solche Regelung bei der üblichen Klagewilligkeit der Deutschen rasch und kostenträchtig fallen könnte. Doch Unzicker reichte eine andere Empfehlung nach, nämlich den Titel Deutscher Meister der bestplatzierten Mannschaft zu geben, die in jedem Kampf mindestens die Hälfte der Bretter mit inländischen Spielern besetzt. Wer nur (oder nach verpatztem Start nur noch) den Klassenerhalt schaffen will, kann es ignorieren. Wer aber Meister werden will, ergo einen Sponsor in der Hinterhand hat, muss sich um die heimischen Spieler bemühen. In Deutschland wurde Unzickers Idee leider kaum diskutiert. Die Österreicher könnten sie umsetzen.

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