Dienstag, 3. April 2007

Jorge ist zurück

Jorge hatte das Zeug, ein ganz Großer zu werden. 2700 Elo mindestens zu schaffen. Er war Weltmeister U 10, Weltmeister U12. Mit 12 Jahren besiegte er Großmeister, als das noch eine Nachricht war. Mit 13 Kamsky, der damals schon über 2650 Elo hatte. Bei seinen Ausflügen nach New York, wo sich sein Bruder Elias als Schachtrainer durchschlug, zeigte Jorge regelmäßig seine Klasse. Legendär seine Blitzsessions mit Großmeistern während und nach dem New York Open: Ein 13jähriger, der gegen einen 2600-Großmeister um Geld blitzte. Nicht um Peanuts sondern um 20 Dollar die Partie.

In Rhode Island, wo er aufwuchs, gab es weder Trainer noch Trainingspartner. Alleine Eröffnungen anzuschauen, hatte er wenig Lust. Und öfter nach New York zu fahren war nicht drin. Den Eltern von Jorge und Elias fehlte dafür das Geld. Ihr Vater stammte aus Palästina. Um nicht in einem der Flüchtlingslager zu versauern, versuchte er sein Glück in der weiten Welt. Er kam bis Honduras, wo er seinen Namen Sammour-Hasbun latinisierte in: Zamora. Dort wurden die Jungs geboren. Als Jorge noch klein war, konnten sie in die USA auswandern.

Elias hatte mir viel von Jorge erzählt, bevor ich ihn 1996 in Bermuda traf. Er war noch nicht ganz 17. Er ahnte schon, dass er seine Chance auf den Weg nach ganz oben verschenkt hatte, aber er liebäugelte noch damit, nach der High School ein, zwei Jahre nach Europa zu kommen, um Großmeister zu werden. In Bermuda bestritt er ein IM-Turnier. Es war eines seiner letzten ernsten Turniere. Er hat nicht einmal den IM-Titel mehr geschafft.

Als ich ihn 1999 in Providence, Rhode Island, wiedertraf, hatte Jorge das Schach praktisch schon an den Nagel gehängt. Nur noch ein wenig Blitz spielte er. Er trug sich zwar noch mit dem Gedanken, mit seinem Schachtalent ein Stipendium für ein gutes College zu bekommen, oder vielleicht einen arabischen Sponsor zu gewinnen und bei der Schacholympiade für Palästina anzutreten, denn gerade volljährig hatte er den alten Namen seines Vaters wieder angenommen. Doch aus all dem wurde damals nichts. Vieles kam dazwischen. Eine Frau, zwei Kinder, ein Job, der den ganzen Mann forderte.

Seit drei Monaten spielt Jorge wieder. Er hat sich von alten Schachfreunden überreden lassen. Die ersten Turnierpartien fielen ihm so schwer, dass sein Kopf dröhnte. Doch ein paar Remis gegen Großmeister und ein Sieg gegen einen IM waren schon drin. Nicht übel für jemand, der fast zehn Jahre keine Turnierpartie mehr gespielt hatte. Er beschloss, täglich zwei, drei Stunden Schach anzuschauen, vor allem Mittel- und Endspiele. Wenn er die Schachfreunde traf, zeigten sie ihm, was sich in den Eröffnungen getan hatte. Die Baufirma, die Jorge in den letzten Jahren aufgebaut hatte, lief auch ohne ihn. Die Ablenkung von dem harten Baugeschäft tat ihm gut. Sein geliebtes Spiel wieder zu spielen auch.

Dann kam das Internetblitzturnier, das jedes Frühjahr von Dos Hermanas gesponsert und vom ICC ausgetragen wird. Jorge wollte wissen, ob er noch blitzen konnte, und meldete sich an. Früher war Blitzen seine stärkste Disziplin gewesen. Er hoffte, sich fürs K.o.-Finale der letzten 32 zu qualifizieren. Mehr war nicht drin, sagte er sich. Doch es lief besser, als er sich je ausgemalt hätte (wie er im Interview mit Chess FM verriet, das ICC-Mitglieder hier hören können). Im Viertelfinale traf er auf Kiril Georgiew, mit dem er einst in New York Hunderte 20-Dollar-Partien gezockt hatte. Er schlug ihn. Es gab böse Stimmen, die Jorge bezichtigten, sich von einem Computer helfen zu lassen. Ein Schiedsrichter sollte in sein Haus kommen. Der Mann war willkommen. Vor dessen Augen brachte Jorge im Halbfinale er einen weiteren blitzstarken GM zu Fall, Rasul Ibrahimow, und im Finale Tigran Petrosjan (es gibt wirklich einen 20-jährigen georgischen 2600-GM dieses Namens).

1800 Dollar betrug sein Preisgeld. Jorge hat Blut geleckt. Er will weiter spielen. Wir werden noch von Jorge Sammour-Hasbun hören.

Kolumnistenfressen

Als voriges Jahr Helmut Pfleger Chessbase und Richard von Weizsäcker (unseren angehenden Präsidentenvater), gegen die Kürzung seiner Schachspalte in der ZEIT mobilisierte (in diesem Interview geht Pfleger auf solcher Art Lobbying ein), fragte anscheinend keiner, warum er es nicht zur Abwechslung mal mit substanziellen Inhalten versucht hatte.

Als vorigen Monat Lubosh Kavaleks anspruchsvolle (aber online mangels Diagrammen erschwert lesbare) Kolumne in der Washington Post gekürzt wurde, konnte ich nicht wirklich mitleiden.

Dass nun auch die Neue Zürcher Zeitung ihre oft dröge, selten die Weitschweifigkeit rechtfertigende Freitagskolumne (die in der internationalen Ausgabe ohnehin nicht abgedruckt wird) eingedampft hat, und sich Richard Forster und Florian Jenni auf der Hälfte des Platzes nur noch alle zwei Wochen im Wechsel mit einer (nun wirklich extrem marginalen) Problemschachspalte tummeln, berührt mich auch nicht.

Im Gegensatz zur Entwicklung in der Niederlande:
Der dortigen Zeitungskrise ist die Kolumne von Herman Grooten zum Opfer gefallen. Für die Indiskretionen von Dirk Jan ten Geuzendam aus der großen Schachwelt, die er in New in Chess pietetsvoll für sich behält, ist in Vrij Nederland schon seit längerem kein Platz mehr. Gert Ligterink wird in der Volkskrant auch immer kürzer gehalten. Selbst Hans Ree, der sich von allen die meiste Mühe gibt, einen originellen Gedanken in seiner Schachkolumne unterzubringen, ist beim NRC Handelsblad eingekürzt worden. Wat een jammer!

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

close to the resorts...
close to the resorts are http://www.turkish-propert y-world.com/alanya_apartme nt.php...
tpw - 22. Jun, 16:18
Hält man das zusammen...
Hält man das zusammen mit der nunmehr von der Landesschachseite...
racingralf - 11. Aug, 09:43
montages wa maandishi...
Rellstabsstelle- Wakati wa mgomo hewa NATO juu ya...
er78kl - 1. Jul, 10:49
Falsifiziert
Dankenswerterweise hat Michael Knapp sich die Arbeit...
Schachblog rank zero - 6. Dez, 09:46

Besuchen Sie auch

Suche

 

Status

Online seit 7071 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Jun, 16:18

Credits


Impressum
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren