Sonntag, 30. März 2008

Shopping Mall Hangover

Gusenbauer ist dann doch nicht in die Plus City nach Pasching bei Linz gekommen, um sich mit Kasparow am Schachbrett ablichten zu lassen. Das Aufräumen nach der halbwegs überstandenen Koalitionskrise ging für den österreichischen Kanzler vor.

Aber die Klitschkos kamen. Mit dem Privatjet. Ließen sich mit Judit Polgar am Schachbrett ablichten, chatteten, signierten ein paar Bücher und Boxhandschuhe, jetteten wieder davon.

Sonst wirkte Judit ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen. Am Samstag hieß es plötzlich, es gebe noch freie Simultanplätze. Waren es sieben Bretter, acht oder nur sechs, übrigens neben zwei umlagerten Pokertischen eines Kartencasinos, an denen sie antrat? Jedenfalls war die Ungarin im Nullkommanichts fertig und vielleicht ein bisschen peinlich berührt, wie wenig sie für ihr Geld zu tun hatte.

Kasparow, der schon das dritte Mal in zwei Jahren für Veranstalter Michael Stöttinger in Österreich auftrat, dagegen spielte an 32 Brettern. Klaus Bischoff, der als Kommentator verpflichtet war, meinte, in zwei Stunden sei das geritzt. Von wegen. Garri blieb immer wieder minutenlang an einzelnen Brettern stehen. Unbedingt wollte er alle Partien gewinnen (wie schon 2006). Das kostete sechs Stunden. Gegen Ende schaute er fahl und etwas desorientiert. Ob er von dem Buerlecithin naschen musste, von dem eine Flasche auf dem Tisch in der Mitte des Karrées stand, habe ich nicht mehr mitbekommen.

Das Schnellturnier begann mit langen Warteschlangen von Schachspielern, an denen sich die Samstagsshopper vorbeidrängeln mussten. Es lockte ein Dutzend Großmeister, darunter auch Naiditsch, der direkt von seinem geteilten Turniersieg im ungarischen Héviz anreiste. Schließlich gab es 2000 Euro für den Ersten. Naiditsch teilte ihn mit Kaschgalejew und Pavasovic.

Das Turnier fing mit einer Stunde Verspätung an und endete mindestens anderthalb Stunden später als erwartet. Aber das war bei der ersten Ausrichtung in der ungewohnten Umgebung eines Einkaufszentrums kaum anders zu erwarten.

Eine unschöne Sache ereignete sich nach der vorletzten Runde. Prusikin hatte in einem symmetrischen Damenendspiel remis reklamiert. Der einzige Weg seines Gegners aus dem Dauerschach war die Abwicklung in ein trivial remises Bauernendspiel. Der gerufene Schiedsrichter ließ sich die gegnerischen Gewinnversuche zeigen, bis Prusikins Plättchen fiel und entschied auf remis. Soweit ich weiß korrekt (allenfalls hätte der Schiri auch bei gefallenem Plättchen noch weitere Gewinnversuche zeigen lassen können, bevor er entscheidet), da im Schnellschach kein Recht darauf besteht, auf Zeit zu gewinnen. Aber es brachen allerhand Diskussionen aus. Während sich Prusikin heraushielt, ergriff u.a. Naiditsch Partei für seinen Gegner. Die beiden mögen einander nicht, um es gelinde zu sagen. Der Hauptschiedsrichter ließ sich von den Argumenten offenbar beeindrucken, revidierte die Entscheidung und nullte Prusikin.

Die Plus City, die Ernst Kirchmayr gehört, angeblich ein Verwandter, aber zumindest ein Geschäftspartner von Veranstalter Michael Stöttinger (Grandmaster Consulting), hat sich das Schachspektakel viel an Honoraren und einer professionellen Szenerie für das Kasparow-Simultan auf dem zentralen Platz der außerhalb von Linz gelegenen Shoppingmall kosten lassen. Es war leicht das teuerste Schachevent des Jahres in Österreich. (Thomas Pähtz war wieder da und hat noch mehr fotografiert als letztes Mal, was wohl einen umfassenden Fotobericht an gleicher Stelle - oder bei Chessbase - erwarten lässt. Inzwischen hier zu sehen.)

Einen anderen Ansatz, wie man in Einkaufszentren zugleich für Schach werben kann und mit einem vernünften finanziellen Aufwand Kinder und Gelegenheitsspieler unter den Shoppern mit einer Mischung aus Show, Spielgelegenheit, Anfängerunterrricht und Ausstellung anspricht, macht seit vielen Jahren der Hamburger SK vor (der mit den Honoraren seine Bundesligamannschaft finanziert, und es stehen gerade wieder lange EKZ-Wochen in Hamburg an, hier beispielhaft ein Programm, wie so etwas abläuft). Dazu muss man freilich mehr an Schach glauben und weniger an Promis.

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