Montag, 28. Mai 2007

Einzelkämpfer

Arkadi Naiditsch hat Dortmund gewonnen, ist Deutscher Meister, führt die nationale Eloliste unangefochten an. Was müsste der 21jährige Dortmunder in Deutschland noch beweisen? Zum Beispiel, dass er seine hervorragende Kämpferqualität auch als Teamspieler ausspielen kann.

Momentan ist er auf Vereinssuche. Nachdem er bei Bindlach ausgemustert wurde, klappert Naiditsch die betuchten Bundesligisten ab. Bisher hat er sich nur Absagen eingefangen. (Nachsatz am 5.Juli: nicht mehr, denn der OSC Baden-Baden hat ihn kurz vor Meldeschluss doch noch unter seine Fittiche genommen)

Naiditsch und die Bundesliga ist bisher alles andere als eine Liebesgeschichte. Als Jugendlicher hatte er der halben Liga Absagen erteilt, weil sein Sponsoring in Dortmund an seine Einsetzbarkeit für die damals viertklassigen Brackeler geknüpft war. Vor drei Jahren klappte es dann mit Katernberg. Doch er blieb ein Außenseiter in der Mannschaft, enttäuschte sportlich, und die Trennung am Saisonende war von gegenseitigen Vorwürfen überschattet.

Damals vor zwei Jahren, als er gerade die deutsche Nummer eins wurde, wechselte Naiditsch in die Zweite Liga. Der weitere Aufstieg des finanzstarken TSV Bindlach, der sich nach seinem Sponsor, einer Börsenzeitschrift, "Aktionär" an den Namen hängte, war schließlich vorgezeichnet. Dass die "Aktionäre" in der vergangenen Saison etwas hinter ihren Möglichkeite blieben, wurde auch Naiditschs nicht ganz überzeugender Vorstellung am Spitzenbrett zugeschrieben. Zum neuen Bindlacher Konzept, auf Jugend zu setzen, hätte der 21jährige zwar gepasst, doch anscheinend war er nicht bereit, finanziell Abstriche zu machen.

Seinen Marktwert hat der gebürtige Rigaer schon früher überschätzt. Bei den Veranstaltern des renommierten Großmeisterturniers in Malmö sorgte seine Forderung für Heiterkeit. Erpressbarer erwies sich da schon der Deutsche Schachbund, als Naiditsch das doppelte Honorar der übrigen Nationalspieler einverlangte. Die über den "Spiegel" lancierte Kabbelei führte letztlich zu einem Kompromiss, dass Naiditschs Trainings übernommen wurden.

Als Mannschaftsspieler hat er sich bei seinem Einstand im Nationalteam nur halb rehabilitiert. Zwar konnte sich sein Resultat bei der Schacholympiade 2006 in Turin sehen lassen. Doch mit dem Rest der Mannschaft hatte er nicht viel am Hut. Naiditsch ließ vielmehr durchblicken, dass er sich für etwas Besseres hält. Gegen einen seiner unterschätzten Mitspieler, Jan Gustafsson, hat er sich in den letzten Monaten drei Niederlagen in Folge eingefangen. Was zeigt, dass Naiditsch sich selbst im Weg steht.

Was seine schachlichen Kapazitäten betrifft, gab er sich in der Vergangenheit gerne mal selbstkritisch. Wäre Zeit, dass er auch mal seine Haltung überdenkt. Dann werden ihm alle Türen offen stehen.

Donnerstag, 24. Mai 2007

Der Fuchs ist tot

Alexander Borisowitsch Roschal hatte vorgesorgt. Kurz bevor der Krebs den 70-Jährigen besiegte, hatte der alte Medienfuchs die richtigen Leute eingeweiht, wie es um ihn steht. Am Montag ist er gestorben, schon am gleichen Tag erschienen die ersten Nachrufe. An diesem Donnerstag bereits wird er in Moskau beigesetzt. Vorher und nachher wird dem in Russland legendären Schachjournalisten im Zentralschachklub am Gogol Boulevard gedacht.

Mit Anfang dreißig hatte er die beste Entscheidung seines Lebens getroffen: Er sattelte um vom mittelmäßigen Trainer zum Journalisten. Roschal überredete den damaligen Weltmeister Tigran Petrosjan, zusammen mit ihm eine Schachzeitschrit herauszugeben. "64" kam nicht so verstaubt daher wie die damals in der UdSSR bestehenden Titel. Bald wurden die Sportredaktionen der großen Tageszeitungen, des Radios und der Agentur TASS auf ihn aufmerksam. Roschals Stunde schlug, als nach Spasskis Niederlage in Reykjavik im sowjetischen Schach die Zeichen auf Erneuerung standen.

Besonders zugute kam ihm seine Beziehung zu Anatoli Karpow. Der neue Hoffnungsträger vertraute ihm, und als er, kurz nachdem er am grünen Tisch zu Fischers Nachfolger erklärt worden war, zu einem Turnier in Mailand eingeladen war, bestand er darauf, dass Roschal von der ersten Tournee des neuen Weltmeisters berichten und im Tross mitreisen sollte. Wenige Jahre später bastelte er als erster Biograf Karpows mit am Bild des linientreuen Sporthelden, der die Überlegenheit des sowjetischen Schachs nun verkörperte.

Obwohl er seinen Vater, der als "zionistischer Renegat" unter Stalin hingerichtet worden war, nie kennenlernte und seine Mutter erst mit neun Jahren, als er ihr in die Verbannung nach Kasachstan folgte, war Roschal ein treuer Anhänger des Systems geworden (was er gegenüber der "Newassimaja Gaseta" in einem bei Chesscafe nachgedruckten Artikel erklärte).

Als Journalist gab er sich nicht mit der Rolle des Beobachters und Kommentators zufrieden, sondern mischte in der Schachpolitik mit. Wobei er selbst später vor allem seine Rolle herausstrich, dass das zunächst geplatzte Kandidatenmatch 1983 zwischen Kasparow und Kortschnoi (also dem vorigen und späteren Erzrivalen Karpows) auf seine Vermittlung doch noch in London stattfinden konnte.

Er genoss und pflegte den Nimbus, besser informiert zu sein als andere. Beim New Yorker WM-Kampf 1990 habe ich ihn das erste Mal getroffen. Als die letzten Partien der ersten Matchhälfte zunehmend kürzer und spektakulärer remis endeten, war es Roschal, der das Gerücht eines geheimen Einverständnis zwischen Kasparow und Karpow streute.

Da ich kein Russisch und er nur wenig Englisch konnte, beschränkte sich unsere Beziehung weitgehend darauf, dass wir uns begrüßten und er mich in radebrechendem Englisch bat, meine Nominierung für den bevorstehenden Schachoskar (den er aus der Versenkung rettete, nachdem die spanischen Erfinder das Interesse verloren hatten) einzusenden. Vereinzelt habe ich ihn auch in offiziellen Positionen erlebt. So war er Pressechef der FIDE-WM 2001 in Moskau.

In den Neunzigerjahren war in Russland eine neue Zeit eingebrochen. Neue Leute kamen ans Ruder, neue Beziehungen waren zu knüpfen. Roschal Motto lautete: "Wo seid ihr, Oligarchen? Das Schach wartet auf euch. Eure Reputation wird vom Schach nicht leiden, höchstens umgekehrt." Noch bevor Kirsan Iljumschinow aus dem scheinbaren Nichts heraus im November 1995 als Retter der FIDE aufpoppte, war Roschal längst an ihm dran. Vielleicht stammte die Idee, den vermögenden Kalmücken auf den Präsidentenposten zu hieven, sogar von ihm. Jedenfalls zählte Iljumschinow Roschal weiter zu seinen Beratern, aber wahrscheinlich nicht oft genug, wie seine chaotische und für die Schachkultur zerstörerische Politik zeigte.

Auch als "64" Anfang der Neunzigerjahre kurzzeitig eingestellt wurde, zeigte sich Roschal wendig: Das Schachmagazin wurde als eine der ersten Zeitschriften privatisiert. Doch es kriegte auch journalistisch den Bogen. Schon im Perestroikajahr 1986 hatte Roschal in "64" als erster in Russland etwas von Nabokow veröffentlicht und sich damit noch einen schweren Rüffel eingefangen. Nachdem die Pflicht zur Verherrlichung des Kommunismus dann entfallen war, setzte Roschal auf Hintergründe und Debatten, was ein bisschen auch auf "Schach" abgefärbt hat. "Schach"-Redakteur Dirk Poldauf outet sich als Fan von Roschals Schreibe: "Er konnte mit der Sprache prächtig umgehen. Ein Wortakrobat vom Feinsten! Immer mit hintergründigem Humor!" Denen, die das Vergnügen hatten, Roschal lesen zu können, wird er fehlen.

Samstag, 19. Mai 2007

Amerika

„Lass Dich nicht davon täuschen, was Du hier siehst“, warnte mich Alex Yermolinsky, als ich im Februar den Mechanics Chess Club in San Francisco besuchte. Mindestens achtzig Spieler waren da. Es war ein Turnierabend, vorher hatte Yermo seine wöchentliche Vorlesung gehalten. Er ist einer von zwei voll, wenn auch nicht besonders gut bezahlten Profis, die sich der Klub leisten kann. Dank der Vermietung einiger Büros in feiner Zentrumslage. Aber eben nicht repräsentativ fürs Schach in den USA, oder wie Yermo sagt: „Das amerikanische Schach geht am Stock.“

Am 15.Mai hat die US-Meisterschaft (Nachrichten hier) begonnen. Für die Profis gewöhnlich ein wichtiger Zahltag. Voriges Jahr in San Diego waren mehr als 200 000 Dollar im Preisfonds. Nach dem Abspringen des Sponsors, der sonst auf Schulschach spezialisierten American Foundation for Chess, ist der Preistopf in den Keller gegangen. Ein Mäzen aus Oklahoma, nach dem die diesjährige Meisterschaft nun persönlich benannt ist, hat 50 000 Dollar hingelegt. Das wird nur reichen, damit etwa ein halbes Dutzend Teilnehmer, die vorne landen, nach Abzug ihrer Spesen (Reise, Hotel, Essen zahlt jeder selbst) etwas verdienen, die anderen werden draufzahlen (Ergänzung: es kamen weiter 25 000 Dollar in den Preistopf, so dass etwa ein Dutzend Teilnehmer mehr als ihre Spesen rausholten). Dass trotzdem die meisten Spitzenleute gekommen sind, hängt damit zusammen, dass es daneben nur eine Handvoll Opens mit für Berufsspieler attraktiven Preisen gibt.

Sie alle werden von Bill Goichberg organisiert, der voriges Jahr auch die Leitung des maroden Schachverbands übernommen hat. „Nichts gegen Bill, aber damit hängt alles an einer Person“, sagt Yermo. Anfang der Neunzigerjahre war der US-Schachverband der wohlhabendste der Welt. 1990 und 1995 fand die WM in New York statt, 1997 auch der Schaukampf zwischen Kasparow und Deep Blue. Statt die Publizität zu nutzen hat der Verband seitdem ein Drittel seiner erwachsenen Mitglieder verloren. Zugleich wurden durch Misswirtschaft und einen Untreuefall die Reserven aufgezehrt, bis zwischenzeitlich der Bankrott drohte.

Nun kommt Hoffnung aus einer überraschenden Richtung: Susan Polgar hat einen Rettungsplan für den Verband und ihre Kandidatur für den Vorstand bekannt gegeben. Polgar hat in den letzten Jahren hart dafür gearbeitet, das Gesicht des amerikanischen Schachs zu werden. Die Ex-Weltmeisterin und nach ihrer Schwester Judit immer noch spielstärkste Frau der Welt betreibt im New Yorker Stadtteil Queens eine brummende Schachschule und den umfangreichsten und wohl derzeit beliebtesten Schachblog.

Als Promoterin des Spiels konnte die 38jährige jede Menge Medien- und Wirtschaftskontakte knüpfen. Vor allem hat sie verinnerlicht, wo Schach Zukunft hat, nämlich in den Schulen. Sie selbst schickt ihre Mitarbeiter an unzählige Schulen in New York aus. Alle Profis ausser die spielstärksten sind auf Einnahmen als Schachlehrer angewiesen. Geld von Sponsoren und Stiftungen lässt sich am ehesten lockermachen, wenn es um Schachunterricht für Kinder aus benachteiligten Familien geht – frei nach dem Motto: Wer früh strategisch denken lernt, entkommt dem Getto. In amerikanischen Medien wird schon öfter über Schulschach als über Spitzenschach berichtet.

In der Weltklasse war kein Amerikaner zu finden, seit Gata Kamsky 1996 als Weltranglistendritter zurücktrat.
Nach fast zehn Jahren Turnierpause spielt er wieder, derzeit sehr ordentlich beim MTelMasters in Sofia, Ende Mai beim Kandidatenturnier in Elista. „Als Anwalt könnte ich besser verdienen“, stellt er klar, dass es die sportliche Herausforderung ist, die er sucht. Seine Entscheidung, mit 22 ein Studium aufgenommen zu haben, bereut er nicht. Er habe vorher ja nur Schach gekannt und kaum etwas vom Leben. Ähnlich denkt das derzeit größte Talent der USA. Der 19jährige Hikaru Nakamura, unter dem Kampfnamen „Smallville“ der beste Internetblitzer der Welt, besucht seit vorigem Jahr ein College. Frühestens 2010 will er sich, wenn überhaupt, als Profi versuchen.

Dass die heimischen Talente nicht dauerhaft auf Schach setzen, konnte ich auch bei meinem Besuch in San Francisco bestätigen: Der zweimalige US-Champion Patrick Wolff hat eine Bankkarriere eingeschlagen, Tal Shaked, Jugendweltmeister 1997, hat einen guten Job bei Google. Turniere spielen sie schon lange nicht mehr. „Nur wir Einwanderer, die nichts anderes gelernt haben“, sagt Yermo, „bleiben beim Schach kleben.“

Freitag, 18. Mai 2007

Jahrestage

Was sagt Ihnen als Schachkenner der 11.Mai? Moment schnell, ist da nicht die Russische Mannschaftsmeisterschaft zu Ende gegangen? Stimmt schon, aber gemeint ist etwas anderes, ein Jahrestag, ein dubioses Jubiläum, das selbst Rankzero, wo es von Jahrestagen nur so wimmelt, nicht bemerkt hat.

Am 11.Mai 1997 endete das meistbeachtete Ereignis der Schachgeschichte. Garri Kasparow traf die schlechteste Eröffnungswahl seiner 25jährigen Profikarriere und verlor in wenig mehr als einer Stunde die letzte Partie des bis dahin ausgeglichen stehenden Schaukampfes gegen den Computer Deep Blue. Vielleicht wollte sich nun keine Zeitschrift und keine Schachwebsite (zumindest keine, die ich gesehen hätte), auch Kasparow selbst nicht (der hat derzeit andere Sorgen), und auch nicht Chessbase (denen ein anderes Jubiläum wichtiger war) an diesen Tag erinnern, weil es ein schlechter Tag fürs Schach war. Nicht nur weil der Mensch der Maschine unterlegen war, sondern auch, weil er sich als schlechter Verlierer zeigte.

Kasparow zieh das Computerteam des Betrugs. Wo Deep Blue als Computer eine Fehlentscheidung treffen musste, habe ein Mensch eingegriffen, ein Großmeister. Eine kuriose Reminiszenz, ist es doch inzwischen der umgekehrte Vorwurf, ein Computer habe eingegriffen, den wir nicht mehr hören können.

Was damals in den ersten Maitagen des Jahres 1997 in New York geschah, mag Anhängern Kasparows ähnlich rätselhaft erscheinen wie die Ereignisse, die zum Abbruch seines ersten WM-Matches gegen Karpow am 15.Februar 1985 führten, oder die Tage im vorigen Oktober in Elista als ein weiteres WM-Match vor dem Abbruch stand. Dabei war es recht einfach: Kasparow war schlecht beraten, wozu ein Computer fähig war und wozu nicht, in das Match gegangen.

Die Züge Deep Blues in der zweiten Partie widersprachen gleich mehrmals seinen Erwartungen: zunächst, indem der Computer auf Materialgewinn verzichtete, um seinen Vorteil in der vermeintlich menschlichen Domäne der Strategie auszubauen, am Ende, indem er einen überraschenden Ausweg ins Remis zuließ, den Kasparow aber nicht suchte oder glaubte, weil ein Computer solche taktischen Aussetzer ja nicht haben durfte.

Nach dieser Partie meinte der Russe nicht mehr, nur gegen einen Computer spielen, sondern sah Gegner überall: In den Großmeistern, die die IBM-Forscher bei der Verfeinerung ihres Chipbollwerks berieten. In den PR-Leuten, die nicht zuließen, dass die Wahrheit ans Licht kam. In der Öffentlichkeit, die von ihm Auftritte und Auskünfte erwartete, was seine Kräfte noch weiter ins Ungleichgewicht gegenüber seinem elektronisch betriebenen Gegner brachte. Auf die ominöse zweite Partie folgten drei Remis, in denen Kasparow einem Sieg näher war als Deep Blue, doch keinen Durchbruch fand, und am Abend vor der letzten Partie war er mit seinen Nerven und Kräften am Ende. Er fühlte sich unfähig, mit Schwarz eine normale Partie durchzustehen.

Zehn Jahre ist das her. Und eine Woche.

Mittwoch, 16. Mai 2007

Kongress

Am Samstag geht im Deutschen Schachbund die Ära Schlya zu Ende. Robert von Weizsäcker, dem beim DSB-Kongress in Bad Wiessee ohne Gegenkandidat die Wahl sicher ist, wird hoffentlich nicht in Alfred Schlyas Fettnapfstapfen treten, sondern den DSB würdig präsentieren und nach der Periode des Quasistillstands intern den einen oder anderen Impuls setzen. Im Interview machte der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten, Finanzwissenschaftler an der TU München und Fernschachgroßmeister nur leise Andeutungen, wohin die Reise gehen soll. Doch von einigen Funktionären wird schon befürchtet, dass von Weizsäcker mehr sein will als ein Frühstücksdirektor, der den Verband in der kritischen Zeit vor und während der Schacholympiade nach außen vertritt. Und das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen.

Gegenstimmen drohen dem Münchner ausgerechnet aus seinem eigenen Landesverband Bayern, doch dieser gilt ohnehin als Allesblockierer. Dass zur Entlastung des neuen Präsidenten, der neben seinem Professorenjob nur die wirklich wichtigen Termine unterbringen kann, das Präsidium um einen dritten Vizepräsidenten erweitert werden soll (nämlich mit dem Präsidenten des Berliner Verbands, dem Anlageberater Matthias Kribben, der einen engen Draht zu von Weizsäcker hat) soll auch bei dem einen oder anderen weiteren Landesverband umstritten sein.

Überhaupt wird in den nächsten Tagen viel gestritten. Ein Insider hat "dreißig Baustellen" gezählt. Darunter auch die Aussprache über die Aktivitäten des DSB Wirtschaftsdienst, dessen Bücher für die DSB-Rechnungsprüfer nicht einsehbar sind, und die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem DSB zur Familie des Organisationschefs der Dresdner Schacholympiade Dirk Jordan. Eine Erklärung der Landesverbände, die die zaghaft in Blogs und Foren eröffnete Debatte als schädlich verurteilt, lässt aber vermuten, dass der Vertuschungsreflex größer ist als der Wille zur Aufarbeitung. Jedenfalls dürften die Abende länger als bei den letzten Kongressen werden, und wer da noch etwas in zahlreichen Einzelgesprächen durchpauken will, sollte viele Gläser Gerstensaft vertragen.

Alzu große Sorgen um die Belastung der Funktionäre brauchen wir uns aber nicht zu machen. So dicht ist das Sitzungsprogramm (das ich, weil es auf der Schachbund-Seite nicht zu finden ist, kurz wiedergebe) von diesem Mittwoch bis zum kommenden Sonntag nun auch wieder nicht. Es wird auch reichlich gespeist, empfangen und ausgeflügelt:

Erster Tag
16 Uhr Gespräch einzelner Präsidiumsmitglieder mit den Vertretern der Österreichischen und der Schweizer Schachföderation
19 Uhr gemeinsames Abendessen danach Fortsetzung der Gespräche

Zweiter Tag
9 Uhr Sitzung des Arbeitskreises der Landesverbände
10 Uhr Präsidiumssitzung

Dritter Tag
9 Uhr Sitzung Ausschuss Dopingbekämpfung im Deutschen Schachbund
13.30 Uhr Treffpunkt für Schifffahrt auf dem Tegernsee mit Zwischenstopp in Tegernsee (Besuch Bräustüberl)
19 Uhr Abfahrt zum Empfang im Gut Kaltenbrunn

Vierter Tag
10 Uhr Ordentlicher Bundeskongress
13 Uhr Kleine Speisen werden gereicht
Parallel zum Kongress: Damenprogramm mit Gondelfahrt zum Panoramarestaurant auf dem Wallberg

Fünfter Tag
9 Uhr Konstituierende Präsidiumssitzung (soll nach Möglichkeit auf Samstagabend vorgezogen werden)

Mittwoch, 9. Mai 2007

Jordans Kritiker...

...erscheinen im Moment einsame Journalisten (wie ich), Blogger und anonymen Stimmen in einem Diskussionsforum. Tatsächlich sind es aber einige Leute, die sich durch den Organisationschef der Schacholympiade 2008 geschädigt fühlen und bisher nicht in die Öffentlichkeit getreten sind oder dort noch wenig Beachtung gefunden haben (siehe Kommentare).

Michael Schmidt
Der in Moskau lebende Berater, letzte Vorsitzende des DDR-Schachverbands und frühere DSB-Vizepräsident schreibt sich zu, die Idee einer Schacholympiade in Dresden geboren zu haben. Dirk Jordan habe den Einfall gestohlen. Er ist es, der die Staatsanwaltschaft Dresden dazu gebracht hat, wegen Verdacht auf Subventionsbetrug gegen Jordan zu ermitteln (Startgelder und Hotelanzahlungen von Teilnehmerinnen der Frauen-EM 2004 wurden als Eigenmittel deklariert, um an städtische Fördermittel von 30 000 Euro zu kommen). Schmidt ist gekränkt, fühlt sich ausgebootet. Finanzielle Interessen sind nicht zu erkennen.

Jürgen Daniel
Für den Schachhändler aus Nettetal, NRW, haben die Geschäfte Jordans (bzw. der Firmen, die Mitgliedern seiner Familie gehören) mit dem Deutschen Schachbund das Faß zum Überlaufen gebracht: Ob Ramada Cup alias Deutsche Amateurmeisterschaft, wofür der DSB unterm Strich bisher drauf bezahlt hat, obwohl bei den Zimmerpreisen jemand verdient haben müsste, oder SchachShop DSB, den der Wirtschaftsdienst des DSB mit Jordan (bzw. dessen Schwiegervater) betreibt. Als Mitbewerber sieht Daniel keine Chance, zum Zug zu kommen. Und vielleicht sind es nicht nur Wettbewerbsverzerrungen sondern auch Freunderlwirtschaft zwischen Jordan und bezahlten Mitarbeitern des DSB. (eine Reaktion von Jürgen Daniel findet sich bei den Kommentaren)

Klaus Norbert Münch
Der Vorsitzende des Bayrischen Schachverbands, versucht seit Jahren schon den Eindruck zu verbreiten, dass der Deutsche Schachbund für die Risiken der Schacholympiade finanziell zur Rechenschaft gezogen wird. Als Dozent für VWL sollte Münch es eigentlich besser wissen: Das Risiko liegt bei der Stadt Dresden. Der DSB hat nur mittelbar etwas zu verlieren (falls Sponsoren ausbleiben und Schach als nicht sponsorbar angesehen wird), aber im Fall einer erfolgreichen Olympiade viel mehr zu gewinnen.

Manfred Mädler
Als Schachhändler hat er seine Rückkehr von Düsseldorf ins elterliche Haus nach Dresden bereut. Das große Geschäft mit DSB, Landesverband, fast allen Vereinen der Umgebung macht Jordans Firma Euroschach. Mädler muss von Einzelkunden leben.

Albert Vasse
Der Mitinhaber der niederländischen Firma DGT Projects sieht seine Felle davon schwimmen. Jordan hat in Funktionärskreisen ein Netzwerk geknüpft, um den Vertrieb seiner Schachuhr Silver Timer anzukurbeln, von der zumindest die frühen Versionen der DGT Uhr deutlich unterlegen waren (ein Urteil über die aktuellen Versionen maße ich mir nicht an). Statt DGT wie bei früheren Olympiaden mit der Übertragung der Partien zu betrauen, tut Jordan alles, um ein eigenes Sensorbrett für die Erfassung der Partien und Einspeisung ins Netz zu entwickeln. Mit den im Olympiadebudget stehenden Entwicklungskosten wird ein Konkurrenzprodukt zum DGT-Brett aufgezogen. (eine Reaktion von Albert Vasse findet sich bei den Kommentaren)

Montag, 16. April 2007

Ist Dresden bereit?

Die Europameisterschaften sind vorbei. Bis zur Schacholympiade 2008 in Dresden sind es noch neunzehn Monate. Sind die Stadt und das Organisationsteam gerüstet? Zehn Fragen, zehn Antworten.

Ist das Konferenzzentrum groß genug?
So geräumig wie das Oval Lingotto voriges Jahr in Turin ist es längst nicht, aber wenigstens ausreichend, um etwa 550 Bretter unterzubringen. Licht und Klimatisierung gehen in Ordnung, lärmig ist es auch nicht, vorausgesetzt Stöckelschuhe werden sanktioniert. Auch die Nebenräume sind knapp bemessen, aber für Teilnehmer, Presse, Mitarbeiter und Funktionäre reicht es.

Und was ist mit den Zuschauern?
Platz für die Zuschauer wird im Spielsaal kaum bleiben. Ein Drittel der Kämpfe dürfte wohl halbwegs in Sichtweite der Tribünen und einer möglichen Zuschauerzone im Saal selbst sein. Die übrigen Kämpfe werden wohl nur mit Operngläsern zu verfolgen sein. Auch im Foyer ist nicht wirklich genug Platz, um neben den Teilnehmern der Olympiade eine hohe Zahl von Fans zufrieden zu stellen. Damit an Wochenendtagen nicht Tausend Schachliebhaber den Teilnehmern auf die Pelle rücken, ist mit einem beschränkten und weitgehend auf den Vorverkauf beschränkten Ticketkontingent und entsprechend hohen Eintrittspreisen zu rechnen.

Wer darf sich dann auf die Schacholympiade freuen?
Die Spieler. Denen wurde schon bei der EM einiges (Eröffnungsgala, Schlussabend, Empfang, Disconacht, Konzert) geboten. In den Dresdner Hotels haben sie es erheblich komfortabler als in den spartanischen Unterkünften des vor ihrer Ankunft von allem Komfort entledigten Olympischen Dorfes in Turin. Dazu kommen die kurzen Wege zwischen Hotels und Konferenzzentrum und den Flaniermeilen Dresdens. In der zweiten Novemberhälfte wird es draußen zwar längst nicht so angenehm werden wie in den vergangenen zwei Aprilwochen, aber immer noch weitaus attraktiver als 2010 im sibirischen Chanti-Mansisk.

Findet die Schacholympiade wenigstens online statt?
Die lausigen Übertragungen von der EM (offizielle Seite) wecken tatsächlich Befürchtungen. Übertragen wurde nur eine kleine Zahl Bretter. Teilweise fielen die Leitungen aus. Schön anzusehen war es auch nicht. Alles, weil Dresden nicht auf die etablierte DGT-Technik setzen will. Stattdessen wird versucht, eine eigene Übertragungstechnik zu entwickeln. Ein paar Bretter des Prototyps wurden bei der EM getestet. Über den Verlauf war Unterschiedliches zu hören. Notfalls, so wird beschwichtigt, könne auf 500 DGT-Bretter zurückgegriffen werden, die der FIDE gehören und schon in Turin im Einsatz waren.

Züge sind nicht alles, oder?
Auch ansonsten blieb die Darstellung der EM im Internet deutlich unter dem zurück, was man von einer Organisation in Deutschland erwartete. Ergebnisse wurden mit Verzögerungen berichtet, auf Partien musste ein Tag und länger gewartet werden, es gab jede Menge Fehler. Ein paar PR-Meldungen, freundliche Texte auf der Schachbund-Seite, das war es auch schon. Substanzielleres überließ der Veranstalter den professionellen Schachmedien.

Reicht das, die Schachkultur in Deutschland zu heben?
Da stimmt die Erfahrung der EM eher skeptisch. Die Seite, die die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ täglich mit der EM füllte, erweckte nicht den Eindruck, dass Schach die Intelligenz anspricht. Medial präsent war die EM, doch unabhängig und kompetent ist in Sachsen nicht berichtet worden.

Was kostet der ganze Spaß?
Von der Bewerbung über die Vorveranstaltungen (wie die EM) bis zur Schacholympiade selbst geht man von sechs Millionen Euro aus, die zum Teil in Sach- und Personalleistungen erbracht werden.

Ging´s nicht billiger?
Eigentlich schon. An der Bewerbungskampagne hätte erheblich gespart werden können, denn der Mitbewerber Tallinn hatte bei näherer Betrachtung kein seriöses Angebot gemacht. Die Einladung der FIDE zu ihrem Kongress 2005 hätte man sich aus den gleichen Gründen sparen können. Überflüssiges Lobbying, das einem Verband zugute kam, in dem es von ethisch herausgeforderten Funktionsträgern wimmelt. Diskutabel ist auch der Wert einer Veranstaltung wie des Weltcups der Frauen, der vorigen Sommer während der Fußball-WM in Dresden lief. Die Ausrichtung der EM macht da schon mehr Sinn. Mit halb so vielen Brettern wie nächstes Jahr und annähernd der gleichen Dauer bei der Schacholympiade brachte sie einen Probelauf und deckte viele kleine Probleme und Herausforderungen auf. Außerdem bot sie Gelegenheit, potenzielle Sponsoren anzusprechen.

A propos Sponsoren, wer zahlt die Rechnung?
Sicher ist nur, dass die Stadt (und nicht etwa der Schachbund) das Risiko trägt. Bei den fest eingeplanten 500 000 Euro aus dem Säckel der dank Immobilienverkäufen schuldenfreien Stadt wird es wohl nicht bleiben. Die Sponsorensuche ist nämlich längst nicht so weit, wie sie sein sollte. Voriges Jahr wurde die Frankfurter Agentur Grolman Result mit einem Konzept beauftragt, das sie nun aber doch nicht umsetzen soll. Dem Vernehmen nach hat es potenzielle Sponsoren nicht angesprochen. Unter den erwarteten Geldgebern sind einige, die nicht als echte Wirtschaftssponsoren zu rechnen sind, wie die Stadtsparkasse oder ein Rückfluss vom Ibis-Hotel. Während der EM wurden eine Reihe mittelständischer Unternehmen empfangen und informiert. Ob einige von ihnen mit ins Boot kommen, bleibt abzuwarten. Oberbürgermeister Winfried Lehmann und Org-Chef Dirk Jordan üben Zweckoptimismus.

Ist Jordan der richtige Mann für die Aufgabe?
Dirk Jordan hat der Stadt die Olympiade verkauft. Er hat ein seit Jahren eingespieltes Team, das eine Menge Schachturniere, vor allem im Amateurbereich, kommerziell erfolgreich durchgeführt hat. Er kann auftreten, kommunizieren und ranklotzen. So weit, so gut. Dass er die EM und die Olympiade bislang als Ehrenamtlicher stemmt (eine honorierte Position ist freilich im Gespräch und wohlmöglich längst vereinbart), hat einen Grund: Jordan ist erst seit kurzem wieder voll geschäftsfähig. Was er verdiente, hätte bis vor kurzem über einen Grundbetrag hinaus gepfändet werden können. Er ist nämlich in eine Reihe von Pleiten verstrickt. Seine ersten Firmen, er selbst, seine Frau, auch sein wichtigster Geschäftspartner sind insolvent. Jahrelang konnte er seine unternehmerischen Aktivitäten nicht unter eigenem Namen verfolgen sondern über Firmen, die offiziell seinem seit langem pensionierten Schwiegervater gehören. Jordan erklärt alles mit dem Schaden, den er sich durch große Bau- und Grundstückdeals mit Heinrich Jellissen eingehandelt hat und die nach dem Tod des Münchner Schachimpressarios und Hochstaplers aufgeflogen sind. Der Stadt Dresden ist Jordans Vorgeschichte bekannt. Sie hat ihm deshalb einen Geschäftsführer zur Seite gestellt, der ihm nicht nur auf die Finger schaut sondern über finanzielle Transaktionen entscheidet. Bei der Frauen-EM 2004 lief alles noch über einen von Jordan gegründeten Verein. Weil der Verdacht besteht, dass damals Startgeldeinnahmen falsch ausgewiesen wurden, um Zuschüsse von der Stadt zu erhalten, ermittelt die Dresdner Staatsanwaltschaft gegen Jordan, ohne dass im Moment eine Klage abzusehen ist. Die Stadt fühlte sich nicht betrogen, sondern angeblich geht es auf eine anonyme Anzeige zurück. Feinde hat Jordan in der Tat einige. Das disqualifiziert ihn nicht. Es stellt aber sicher, dass jeder seiner Schritte kritisch beäugt wird. Sowohl von seinen Kritikern als auch von der Stadt Dresden, bislang nur nicht von der Öffentlichkeit.

Sonntag, 15. April 2007

Kasparow in Wien

Eigentlich wollte Kasparow schon im März nach Wien kommen, auf seiner Promotiontour für sein jüngst erschienenes Buch (Rezension) zwischen seinen Terminen in Köln und Leipzig. Nun hat er Gelegenheit, es nachzuholen (falls er in Moskau nicht noch einmal eingebuchtet wird). Übernächsten Donnerstag, den 26.April, hält er im Kreisky-Forum einen Vortrag (Anmeldung hier) innerhalb der Serie, die dem Andenken der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja gewidmet ist.

Feines aus Dresden

Wie viel sehenswertes Schach bei der EM in Dresden (Ergebnisse) geboten wurde, kam im Internet bislang recht kurz. Hier drei Beispiele, die ich für die Samstagsausgabe des Zürcher Tages-Anzeiger kommentiert habe, zunächst der fünfte und in diesem Turnier letzte Sieg von Andrei Wolokitin, der zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zum EM-Titel schien:

Andrei Wolokitin – Sergei Volkow
1. e4 e6 2. d4 d5 3. e5

Gewöhnlich spielt Wolokitin 3. Sc3. Mit der Vorstoßvariante verband er einen paradoxen Plan, nämlich die Stellung relativ schnell wieder zu öffnen, „weil das Volkow nicht liegt“.

3. … c5 4. c3 Db6 5. Sf3 Ld7 6. Ld3 cxd4 7. Sxd4 Lc5 8. Dg4!?

Die vorbereitete Neuerung. 8. 0-0 Lxd4 9. cxd4 Dxd4 10. Sc3 gibt Weiß Kompensation.

8. …Se7 9. Dxg7 Tg8 10. Df6 Txg2 11. Lxh7

Wolokit
In dieser wilden Stellung ist Initiative alles. Am besten ist nun laut Wolokitins Vorbereitung das vorübergehende Turmopfer 11. ... Sbc6! 12. Dh8+ Tg8 13. Lxg8 0-0-0 und falls 14. Tg1 Sxd4 15. cxd4 Lxd4 mit ausgezeichneter Kompensation. Aber war das vom Defensivspieler Volkow zu befürchten? Wolokitin glaubte nein und behielt recht.

11. ... Lxd4? 12. cxd4 Dxd4 13. Sc3 Dg4

Auf 13. ... Sc6 ist 14. Sb5! Db4+ 15. Kf1 unangenehm.

14. h4!

Droht Lg5.

14. ... Dh5 15. Kf1 Txf2+?

Bereits der entscheidende Fehler. Korrekt ist Wolokitin zufolge 15. ... Tg4 (15. … Sg8 scheitert stets an 16. Lxg8 Txg8 17. Lg5 Sc6 18. Sb5) 16. f3 Tg3 17. Kf2 Dxh7 18. Kxg3 Lc6! und Schwarz erhält Gegenspiel für die Qualität. In der Partiefolge erhält Schwarz zwar einen Bauern für die Qualität, doch da die Initiative bei Weiss liegt und Schwarz wegen des h-Bauern nicht die Dame tauschen darf, ist die Schlacht praktisch geschlagen.

16. Kxf2 Dxh7 17. Lg5 Sbc6 18. Tac1 O-O-O 19. b4 Kb8 20. b5 Sg8 21. Df4 Sce7 22. a4

Konsolidiert lieber den Vorteil, als sich mit 22. Db4 Df5+ 23. Ke2 Dxe5 24. Kd1 noch auf Abenteuer einzulassen.

22. ... Tc8 23. Se2 Sf5 24. Txc8+ Lxc8 25. Tc1 Dg7 26. Db4 Sgh6 27. Dc5 Sg4+ 28. Ke1 1-0

Sehr interessantes Schach spielte in Dresden der 21 Jahre alte Artjom Timofejew. Er überraschte in der fünften Runde in einem Spanier mit ungewöhnlichen Motiven:

Artjom Timofejew – Stelios Halkias
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. O-O b5 6. Lb3 Lc5 7. c3 d6 8. a4 Tb8 9. d4 Lb6 10. a5!?

Timo1
Statt die a-Linie zu öffnen und Schwarz einen mitunter schwachen b-Bauern anzuhängen, schliesst Weiss den Damenflügel. Den Bauern erhält er im Falle von 10. ... Sxa5 11. Txa5! Lxa5 12. dxe5 Sxe4 (12. … dxe5? 13. Dxd8+ Kxd8 14. Sxe5) 13. Dd5 Le6 14. Dxe4 Lxb3 15. cxd6+ Le6 16. Sd4 dank der Drohung Sc6 mit Vorteil zurück.

10. … La7 11. h3 O-O 12. Le3!?

Und noch ein Bauernopfer. Da infolge des 10.Zugs 13. dxe5 dxe5 (13. ... Lxe3 14. gxf6) 14.Lxa7 Sxa7 15. Sxe5 droht, greift Schwarz dieses Mal zu.

12. ... exd4 13. cxd4 Sxe4 14. Dc2 De8 15. Sc3 Sf6

Nach 15. … Sxc3 16. Dxc3 erhält Weiss den Bauern auf der c-Linie bei anhaltender Initiative zurück, aber 15. ... Sg3!? nebst Sf5 ist eine gute Alternative.

16. Tfe1 Dd7 17. Se4 Sxe4 18. Dxe4 Se7?!

Verständlich, dass Schwarz lieber einen Verteidiger zum Königsflügel führt, als sich auf 18. ... Te8 19. Dh4 nebst 20. Lc2 einzulassen, wonach er seinen Königsflügel schwächen muss.

19. Sg5 Sg6 20. Ld5 c5

Darauf hat sich Schwarz vermutlich verlassen, doch:

21. Lf4!

Timo2
Aus heiterem Himmel ist Schwarz k.o. Es droht 22. Sxf7, und auch
21. ... Lb7 22. Lxb7 Tfe8 (22. ... Txb7 23. Lxd6 bzw. 22. ... Tbe8 23. Dc2 Dxb7 24. Lxd6) 23. Dc6 Dxc6 24. Lxc6 Txe1+ 25. Txe1 Sxf4 26. Te7 bringt keine Entlastung.

21. ... cxd4 22. Sxf7! Txf7 23. De8+ Sf8 24. Lxd6 Dxe8 25. Txe8 Le6 26. Txe6 Sxe6 27. Lxb8 Lxb8 28. Lxe6

Schwarz hätte hier getrost die Waffen strecken können. Da der weiss Turm eindringt, ist das Endspiel jenseits von gut und böse.

28. ... Kf8 29. Lxf7 Kxf7 30. Tc1 Ke6 31. Tc6+ Kd5 32. Txa6 d3 33. Kf1 Le5 34. Tb6 Kc5 35. Tb7 Kc6 36. a6 Ld4 37. b3 Lc3 38. Tb8 Ld4 39. Td8 Lb6 40. Txd3 b4 41. f4 g6 1-0

Schade aus deutscher Sicht, dass der kampfstarke Arkadi Naiditsch ausgerechnet von Jan Gustafsson gebremst wurde, der sich mit vielen Kurzremisen und der Weltcupqualifikation begnügte, statt um den Titel zu kämpfen. Es war bereits die dritte Niederlage nach der Deutschen Meisterschaft und der Bundesliga innerhalb weniger Monate, die Naiditsch gegen den Hamburger kassierte. Der hatte alles schon in der Vorbereitung auf dem Brett gehabt:

Arkadi Naiditsch – Jan Gustafsson

1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. O-O Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 O-O 8. c3

Auf höchstem Niveau wird derzeit mehr 8. h3 gespielt, um das nun mögliche Marshall-Gambit zu umgehen.

8. … d5 9. exd5 Sxd5 10. Sxe5 Sxe5 11. Txe5 c6 12. Te1 Ld6 13. g3

Mit dieser Zugfolge verhindert Weiß, dass die schwarze Dame nach h4 schwenkt.

13. … Lf5 14. d4 Dd7 15. Le3 Tae8 16. Sd2 Lg4 17. Db1 Lf5 18. Lc2?

Das wurde angeblich kürzlich im Schachinformator empfohlen, und man kann nur vermuten von einem Marshall-Spieler, der gerne mal einen leichten Punkt mit Schwarz einsammeln mag. Der Schuss geht nämlich nach hinten los. Einige Spieler sind der Zugwiederholung mit 18. Dc1 ausgewichen, fuhren aber nicht immer besser. So hatte Schwarz nach 18. ... Te6 19. Sf3 Lg4 20. Sg5 Tg6 21. f3 Lxf3 22. Sxf3 Lxg3 23. hxg3 Txg3+ 24. Kf2 Dh3 in Shabalov – Aronjan, Calvia 2004, vernichtenden Angriff.

18. … Lxc2 19. Dxc2 f5 20. c4 bxc4!

Das ist natürlich stärker als das in Iordachescu – Brunello, Reggio Emilia 2006 gespielte 20. ... Sf6? 21. Lg5.

21. Sxc4 f4 22. Ld2 f3 23. Dd3

Schnell bergab geht es nach 23.Kh1 Dh3 24.Tg1 Te2 25.Taf1 Lxg3! usw.

Gusti1
23...Te2!

Nimmt radikal die Verteidigung Df1 aus der Stellung.

24. Txe2 Dh3 25. Se3?

Das verliert sofort. Nach dem zäheren 25. Dxf3 Txf3 26. Sxd6 hat Weiß zwar für den Moment genug für die Dame, doch nach 26. ... Sf6 27. Tae1 h6 erobert die Drohung Sg4 nebst Dxh2+ mindestens die Qualität oder zwei Bauern: 28. Te3 Txe3 29. fxe3 Sg4 30. Te2 Sxh2 31. Txh2 Dxg3+ 32. Tg2 Dxd6 bzw. 29. Lxe3 Sg4 30. Sc4 Dxh2+ 31. Kf1 Dh5 32. Kg1 Sxe3 33. Sxe3 Da5.

25. ... Tf4!

Gegen Th4 und Matt gibt es nur noch eine Computerverteidigung (26. Da6 Th4 27. Da8+ Kf7 28. De8+ Kxe8 29. Sf5+ nebst 30. Sxh4 gibt nur „minus drei komma fünf“) darum: 0-1

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

close to the resorts...
close to the resorts are http://www.turkish-propert y-world.com/alanya_apartme nt.php...
tpw - 22. Jun, 16:18
Hält man das zusammen...
Hält man das zusammen mit der nunmehr von der Landesschachseite...
racingralf - 11. Aug, 09:43
montages wa maandishi...
Rellstabsstelle- Wakati wa mgomo hewa NATO juu ya...
er78kl - 1. Jul, 10:49
Falsifiziert
Dankenswerterweise hat Michael Knapp sich die Arbeit...
Schachblog rank zero - 6. Dez, 09:46

Besuchen Sie auch

Suche

 

Status

Online seit 7120 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Jun, 16:18

Credits


Impressum
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren