"Iljumschinow nennt zu viele"

Bessel Kok, der erste seriöse Kandidat für den FIDE-Vorsitz seit 1982, hat die seit langem von Missmanagement, haltlosen Ankündigungen und Selbstbedienungsmentalität hoher Funktionäre gekennzeichnete FIDE wachgerüttelt. Dank seiner Right Move 06-Kampagne werden endlich einige wunde Punkte von den Funktionären offen diskutiert. Kok war Ende der Achtzigerjahre maßgeblich an der Gründung der Großmeistervereinigung GMA und der Weltcup-Turnierserie beteiligt. Der Bankdienstleister SWIFT, den er mit aufgebaut hat, und sein spätererer Arbeitgeber, die tschechische Eurotel, haben auf Koks Betreiben Spitzenschachevents gesponsert. Seit kurzer Zeit ist der nun 64jährige Niederländer mit Wohnsitz in Prag in Pension.

Vor seiner Abreise nach Turin, wo er an diesem Dienstag eintrifft (gewählt werden soll am 2.Juni) habe ich mit Kok telefoniert. In meinen Artikel in der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen konnte ich nur einen sehr kleinen Teil davon einarbeiten. Das, wie ich finde, sehr aussagekräftige Gespräch, will ich der Schachöffentlichkeit nicht vorenthalten. Journalisten, die daraus zitieren wollen, bitte ich um Angabe dieses Blogs als Quelle. Redaktionen, die Interesse an dem Interview, einem Hintergrund oder einer Personalie Koks haben, bitte ich, mich zu kontaktieren.

Schachblog: Die Website von Iljumschinows Kampagne listet mehr als die Hälfte der FIDE-Mitgliedsverbände, nämlich 78 von 155, als Unterstützer. Ihre Right Move-Website kommt nur auf 41. Ist die Wahl gelaufen?
Kok: Nein. Es gibt einen großen Unterschied zwischen unseren Listen. Iljumschinow nennt mehr Länder, als er sicher hat, wir nennen weniger. Wir publizieren nur die, die uns offiziell unterstützen. Es gibt einige Verbände, die nicht veröffentlicht werden wollen, mir aber gesagt haben: Du hast unsere Stimme 100prozentig sicher. Einige dieser Länder stehen auf Iljumschinows Liste. Da standen zum Beispiel sämtliche arabischen Länder. Tunesien und Palästina haben protestiert und sind, glaube ich, von der Liste genommen worden.

Schachblog: Sie rechnen sich also noch Chancen aus?
Kok: Es wird eine sehr knappe Wahl.

Schachblog: Es ist viel darüber debattiert worden, ob Länder wie Deutschland, Russland oder Frankreich mit Zigtausenden organisierten Spielern nicht mehr Stimmen haben sollten wie Verbände, die nur wenige Köpfe zählen.
Kok: Ich finde ein Land, eine Stimme okay. Ich verstehe die Kritik und die Frustration der großen Länder, aber nach welchem Kriterium soll man dann vorgehen?

Schachblog: Werden Sie so genannte Proxies haben, also per Vollmacht abgetretene Stimmrechte von Verbänden, die in Turin nicht vertreten sind?
Kok: Wahrscheinlich ein oder zwei.

Schachblog: Alleine Makropoulos und Leong sollen auf Iljumschinows Seite mindestens ein Dutzend mitbringen.
Kok: Wir haben gefordert, dass die Proxies spätestens zwei, drei Tage vor der Abstimmung von Juristen geprüft werden. Ich glaube, sie werden darauf eingehen.

Schachblog: Iljumschinows Seite hat Sie wiederholt als Spalter dargestellt. Ignatius Leong aus seinem Team hat in einem Offenen Brief dazu aufgerufen, dass Sie und Iljumschinow die FIDE gemeinsam führen. War das Wahltaktik?
Kok: Ich glaube, es war 100prozentig ernst gemeint. Viele Leute in Asien halten Kompromisse für einen guten Weg.
Aber wir konnten darauf nicht eingehen. Es wäre Verrat an denen, die mich unterstützen. Es wäre auch nicht der grundlegende Wechsel, den die FIDE dringend braucht.

Schachblog: Hatten Sie, seit Sie kandidieren, Kontakt mit Iljumschinow?
Kok: Nein. Aber wir können in Turin mal einen Kaffee trinken gehen. Ich finde es normal, dass man miteinander spricht.

Schachblog: Iljumschinow hat eine rasante Karriere hingelegt. Mit Anfang dreißig war er bereits Multimillionär und Präsident Kalmückiens. Wie erklären Sie sich, dass jemand wie er nach elf Jahren weiter an seinem FIDE-Amt klebt?
Kok: Das müssen Sie ihn fragen. Mir reichen zweimal vier Jahre, wenn ich FIDE-Präsident werde.

Schachblog: Falls Sie gewählt werden, welche Rolle sehen Sie dann für Iljumschinow in der FIDE?
Kok: Wenn Sie nach 15 Jahren ein Unternehmen verlassen, gibt es eine Party und das war´s. Aber ich kann damit leben, wenn man ihn zum Ehrenpräsidenten machen will. Nur glaube ich nicht, dass ihn das interessiert.

Schachblog: Wie finanzieren Sie eigentlich Ihren Wahlkampf?
Kok: Alles aus eigener Tasche. Wir haben keine Sponsoren. Alle arbeiten ehrenamtlich.

Schachblog: Auch Nigel Short, der für Sie kreuz und quer durch Afrika und Asien gereist ist?
Kok: Auch Nigel.

Schachblog: Wie kostet Sie der Wahlkampf?
Kok: Einige Hunderttausend Euro.

Schachblog: Die Sie als Präsident zurück verdienen wollen?
Kok: Nein. Ich bin 64. Ich habe eine gute Pension und genug gespart. Als FIDE-Präsident kann man nichts verdienen.

Schachblog: Die FIDE hat ihre Verwertungsrechte an FIDE Commerce abgetreten, deren Überschüsse zu 30 Prozent der FIDE und zu 70 Prozent Iljumschinow zustehen.
Kok: Es gibt einige conflicts of interest. In der FIDE ist leider alles möglich.

Schachblog: Interessenkonflikte muss sich aber auch Ihr zweiter Mann, Ali Nihat Yacizi, vorwerfen lassen. In der Türkei organisiert er immer wieder Wettbewerbe des Europäischen Verbands, zu dessen Vorstand er lange gehörte, bei denen die Teilnehmer oder ihre Verbände überteuerte Zimmer bezahlen müssen.
Kok: Ich habe das vorher nicht gewusst, und das sollte aufhören. FIDE-Vorstände dürfen keine Privilegien oder Seitengeschäfte haben.

Schachblog: Als Meister der Privilegien und Seitengeschäfte und als eigentlicher Strippenzieher in der FIDE gilt Georgios Makropoulos. Während sich viele Delegierte dem Big Spender Iljumschinow verpflichtet fühlen, ist sein griechischer Stellvertreter angreifbar. Warum setzen da nicht an?
Kok: Iljumschinow ist eine Art absent president und Makropoulos sein CEO. Ich habe viele Geschichten über Makropoulos gehört, aber ich bin vorsichtig, ihm etwas vorzuwerfen, was ich nicht beweisen kann. Wir wollen nicht in der Vergangenheit wühlen sondern der FIDE eine Zukunft geben.

Schachblog: Welche Enttäuschungen haben Sie erlebt?
Kok: Israel ist eine Enttäuschung. Ich hätte gedacht, dass man sich dort noch erinnert, wie ich mich 1986 gegen den Boykott Israels in Dubai eingesetzt habe. Praktisch alle Großmeister unterstützen mich, aber der Delegierte nicht. Enttäuscht bin ich auch von Boris Kutin...

Schachblog: ...dem Vorsitzenden des Europäischen Verbands ECU und Delegierten Sloweniens.
Kok: Voriges Jahr in Dresden hat Kutin mich gebeten zu kandidieren und gesagt: Du hast alle Unterstützung von mir.

Schachblog: Stattdessen hat er einen Unterstützungsbrief an Iljumschinows Website geschickt, die den Eindruck erweckt, dass nicht nur Kutin sondern die ECU hinter diesem stehe. Nun steht Kutin vor der Abwahl als ECU-Vorsitzender, und es wird spekuliert, dass sich die europäischen Verbände im Fall von Iljumschinows Wiederwahl von der FIDE abspalten.
Kok: Das wäre sehr schlecht. Auch als Chairman der GMA vor zwanzig Jahren habe ich mich für die Zusammenarbeit mit der FIDE stark gemacht. Spaltungen schaden dem Schach.

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