Das Blechkistenrennen

Die Computerschach-WM beginnt an diesem Donnerstag abend in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schacholympiade. Es gibt einige Menge Schach- und Computerfreaks, die das Blechkistenrennen erheblich mehr interessiert als das Nationenturnier. Was sind schon schnöde menschliche Schwächen gegen die faszinierenden Irrtümer der künstlichen Intelligenz? Und während die Menschen gewöhnlich unter dem Namen antreten, mit dem sie geboren wurden, kann man sich schon als Insider ausweisen, wenn man weiß, hinter welchem Computernamen welches kommerzielle Produkt oder welcher Programmierer steckt. Ich jedenfalls konnte von den zwanzig angemeldeten Programmen nicht einmal die Hälfte zuordnen oder erraten.

Sie heißen DIEP, Chaturanga, Smash, LION ++ 1.0, Crafty, Shredder, Jonny, Chiron, ETABETA, Uragano3d, Taurus, ParSOS, Telepath, Rajlich, Zappa, Spike, IsiChess MMX, Ikarus, DanaSah FibChess Delfi 4.6 und Junior. Die bekanntesten dürften Shredder und Junior sein. Neben Stefan Meyer Kahlens Shredder erkenne ich zwei weitere Deutsche, nämlich Jonny vom Forchheimer Zweitligaspieler Johannes Zwanziger und IsiChess vom Veteranen Gerhard Isenberg. Hinter Zappa vermute ich den Nachfolger des Überraschungssiegers der WM 2005, Zap!Chess. Favorit des elfrundigen bis Dienstag, den 31.Mai dauernden Schweizer System-Turniers, dürfte Rajlich sein: Der tschechische IM Vas Rajlich ist der Kopf des zuletzt (u.a. auch von Kasparow) hoch gelobten Rybka. Dass er nicht als Rybka antritt, hängt allein daran, dass der kommerzielle Name 250 Euro mehr Startgeld gekostet hätte.

Im Vorfeld der Computer-WM erschien ein nicht uninteressantes Interview mit Mathias Feist, einem der Mitentwickler von Fritz, in dem er allerdings kein Wort darüber verliert, warum das umsatzstärkste Programm in Turin fehlt. Aber eigentlich ist es kein Wunder. Bei der Weiterentwicklung von Fritz wird zurecht auf Positionsspiel und Analysestärke gesetzt. Die besseren Resultate im Computervergleich holen in letzter Zeit allerdings die strategisch unterbelichteten, aber sehr tief suchenden Programme, weshalb Fritz in Turin wohl unter ferner liefen gelandet wäre. Das wiederum wäre Anti-Werbung für den im November anstehenden Bonner Schaukampf gegen Kramnik. Auch so schon ätzt Kasparow (im Interview in der Juni-Ausgabe von "Schach"): "Es ist nicht die stärkste Maschine, es ist nicht der stärkste Spieler. Es ist eine PR-Aktion, für die jemand Geld zahlt."

Warum der mutmaßlich stärkste Computer, Hydra, nicht in Turin ist, lasse ich seinen unvergleichlichen Vater Chrilly Donninger am besten selbst kommentieren: "Bei der Schacholympiade darf Hydra nicht antreten. Oder meinst du die Rahmenveranstaltung dort, auch Computerschach-WM genannt? Interessiert mich und den Boss überhaupt nicht, auf irgendeine schlecht organisierte ICGA-Veranstaltung zu fahren. Wobei nur das Interesse der zweitgenannten Person von praktischer Bedeutung ist. Bin froh, wenn ich nichts zu tun habe mit so Arschgesichtern wie... (zensiert von Schachblogger)...Die Menschheit hat aber Glück: Er ist ein Mensch, der noch nie etwas von Belang zusammengebracht hat und auch nie etwas zusammenbringen wird (Copyright J.H.Donner). Wer gewinnt und warum? Ich weiß nicht wer mitspielt, also habe ich auch keine Ahnung wer gewinnt. Christopher Lutz spielt bei der Olympiade mit. Er wird aber auch nicht Olympiasieger, oder gibt´s dort keinen Olympiasieger, weil Mannschaften spielen? Keine Ahnung, ich weiß auch nicht, wer Feldhandball- oder Kirschenweitspuck-Weltmeister ist. Weiß nur, dass Christopher bis 4. Juni in Turin ist, obwohl er eigentlich schoen langsam seine Raumschach-Oberfläche fertigmachen soll. Verplempert die Zeit mit Schachspielen, anstatt endlich einmal eine ordentliche Arbeit zu machen. Wird schön langsam alt genug dazu."
Permanent_Brain - 27. Mai, 17:17

Positionsspiel, Strategie und Schachprogramme

Hallöchen! - Möglicherweise besteht die Gefahr, daß das Feist-Interview überinterpretiert wird. Der Strategiebegriff kommt darin nur einmal vor:

"Fritz enthält über die Jahre gewachsenes umfangreiches positionelles Verständnis und viel Endspielwissen. Dazu gehören z.B. richtige strategische Einschätzungen, etwa bei Königsangriff oder –verteidigung, bei der Frage, welche Bauernstruktur vorzuziehen ist, ob und wann die Stellung geschlossen werden soll, wie das Zusammenspiel von Bauern und Figuren verbessert werden kann usw. "

Tiefe Suche plus Matt- und Materialbewertung alleine funktioniert nicht: Alle Schachprogramme benötigen seit jeher mehr Bewertungskriterien als das. Mathias Feist formuliert es so:

"Jemand hat es mal so beschrieben: kleine Bewertung, alles andere macht die Suche. Kleine Bewertung heißt nicht, dass sie schlecht ist, es fehlen nur viele Sachen. Interessanterweise können die positionell umfangreichen Engines diese Lücken bisher nicht so gut ausnutzen."

Es ist also nur ein gradueller Unterschied: Große oder kleine positionelle Bewertung. Ich möchte etwas erwähnen, was eventuell nicht so bekannt ist: Typischerweise werden "sophisticated" positionelle Bewertungsroutinen nur innerhalb einer gewissen Materialbilanz durchlaufen: Sobald ich beispielsweise einen Turm mehr habe, sind alle positionellen Details wurscht geworden. Wie ein Fachmann mir mitteilte, sind ein Großteil der zu bewertenden Stellungen in einem Suchbaum von dieser total unausgewogenen Art, die durch absolut wahnwitzige Zugfolgen entstehen.

In der Schachliteratur wird oft - wenn auch vielleicht nicht immer - zwischen den Begriffen Positionsspiel und Strategie unterschieden. Ersteres beherrschen Schachprogramme inzwischen ebenfalls sehr gut, und ich möchte vermuten, mittlerweile besser als durchschnittliche Klubspieler. Strategie hingegen möchte ich bezweifeln. Es hängt von der Definition ab. Ich persönlich glaube: Sie brauchen sie auch nicht. Ausgefeilte positionelle Bewertungen (mehr oder weniger groß) und wahnwitzige Rechentiefen (sehr tief oder noch tiefer), wodurch sie zu den bekannten Taktik-Monstern werden, genügen für Großmeisterstärke im Computerschach heutzutage.

Markus Gaedertz - 29. Mai, 12:48

Kasparov und Rybka

Interessanter Beitrag. In welchem Zusammenhang und wo wurde denn Rybka von Kasparov gelobt? Das wäre ja der ultimative Ritterschlag.
Markus Gaedertz

schachblogger - 1. Jun, 19:44

Lob

Kasparow lobte Rybka in der Pressekonferenz bei der Goedel-Konferenz in Wien. Auf meine Nachfrage im Interview wieder, allerdings mit der Einschraenkung, dass sein Urteil im wesentlichen auf dem basierte, was er von Michael Greenguard (chessninja.com) und Frederic Friedel (Chessbase) erfahren hatte. Rybka sei bei ihm zwar installiert, aber er habe noch nicht damit analysiert.
Jetzt muss ich aber los zu Vas Rajlich, um ihm nach dem dritten Platz bei der Computer-WM hier in Turin selbst Fragen zu stellen...

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