Auf den zweiten Blick

Wie jedes Jahr am Freitag vor dem Bieler Festival ist die Schweizer Meisterschaft zu Ende gegangen, und ich wurde kurzfristig gefragt, für den Zürcher Tages-Anzeiger (Ausgabe Samstag, 22.7.) eine Partie zu kommentieren. Ich sah die Partien durch und wurde mit keiner richtig warm. Keine Frage, dass Florian Jenni in Lenzerheide das beste Schach zeigte, aber überall fand ich Makel. Kortschnois eher Verzweiflung geschuldetes Opfer hätte er leicht (20.Lf1 statt 20.Kf3) widerlegen können. Der Sieg gegen Kuemin schien mir zu einfach und einseitig, und was Forster gegen Jenni tat, schien auf den ersten Blick unter jeder Kritik. Zum Glück insistierte der Redakteur der Schachspalte, André Behr, und ich schaute mir diese Partie noch einmal an - und stellte fest, dass sie ein Meisterstück war! Getrübt wurde ihr Glanz nur dadurch, dass Jennis Gegner an einer Stelle (Diagramm unten) ihm durch eine zähere Verteidigung eine Reihe weiterer Glanzzüge abverlangen hätte können, ja müssen! Wobei ich nicht zweifle, dass Jenni sie gefunden hätte.

Florian Jenni - Richard Forster
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 a6 6. Le3 e5 7. Sb3 Le6 8. Dd2 Le7 9. f3 0–0 10.0–0–0 b5 11. g4 b4 12. Sd5 Lxd5 13. exd5 a5 14. Sc5!

Stärker als der alte Zug 14. Kb1. Nach 14...dxc5 15.d6 Lxd6 16.Dxd6 Dxd6 17.Txd6 erhält Weiß den Bauern mit klarem Vorteil (Läuferpaar!) zurück, und auf 14. ... Sbd7 stoppt 15. Sa4! den Gegenangriff am Damenflügel (hier fehlt Schwarz der weißfeldrige Läufer), daher:

14. ... a4 15. g5 Sfd7 16. Se4 Da5 17. Lh3 Sb6

Die Alternative ist 17...Tc8 18. Kb1 Tc7, um f6 unter der Kontrolle des Springers zu lassen. Hier führt 18. Sf6+ nach 18. ... gxf6? 19.gxf6 Lxf6 20. Tg1+ Kh8 21. Lg5 Lg7 22. Lf6! Lxf6 23. Dh6 S8d7 24. Lf5 zum Matt, doch alles andere als klar ist 18. ... Kh8 19. Df2 Ld8 20. Dh4 Lxf6 21. gxf6 g6. Dass hier auch Schwarz Chancen hat, verdeutlicht die Variante 22. Lh6 b3 23. Lxf8 bxa2 24. c3 Db5!

18.Kb1 Sa6?

Fahrlässig. Der zweite Springer gehört nach d7.

19. Sf6+! Kh8

Wiederum führt 19...gxf6 20.gxf6 Lxf6 21.Thg1+ Kh8 22.Lxb6 Dxb6 23.Dh6 Dd8 24.Lf5 zum Matt. Nun hätte Schwarz nach 20. Lxb6 Dxb6 21. Sd7 keine ausreichende Kompensation für die Qualität, aber trivial ist die weiße Gewinnführung nicht. Allerdings erfordert der Verzicht auf den Materialgewinn unter eigenen Opfern enormen Mut...

20. Thg1!? Sc5 21. Tg4 b3?

...der belohnt wird. Nach 21. ... gxf6 22. gxf6 Lxf6 23. Lxc5 Dxc5 24. Dh6 Sd7 steht der Turm auf g4 im Weg. Weiß hätte nichts Besseres als 25. Tg3 Tg8 26. Lxd7 Tg6 27. Txg6 (nach 27. Dh5 b3! kommt der schwarze Angriff zuerst) 27. ... fxg6 28. Lxa4 Df2, doch der Mehrbauer fällt nicht ins Gewicht.

22. Th4! gxf6

Auch das nervenstarke 22. ... h6 rettet Schwarz nicht wegen 23. Df2! (Idee 24.Txh6+ gxh6 25.Dh4) 23. ... a3 24. cxb3 bxa2 25. a4 Sbxa4 26. Txh6+! gxh6 27. Dh4 Sc3+ 28. Kc2 Lxf6 29. Dxh6+ Kg8 30. gxf6, und ihm bleiben nur noch ein paar Racheschachs)!

23. Dg2!

JenniDia
Es droht 24. Txh7+ Kxh7 25. Lf5+ Kg7 26. gxf6+ Kxf6 27. Dg5 matt. Auf 23. ... Tg8 entscheidet 24. Lf5 Tg7 25. Dh3. Erst hielt ich Forsters folgenden Zug 23...f5 für den entscheidenden Fehler. Ich fand diesen Zug, der in einer Stellung, in der ein Tempo den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmacht, den Läufer auf das angestrebte Feld f5 lockt, so schrecklich, dass ich eine andere Partie kommentieren wollte (Pelletier-Jenni, ein spannendes und für den Titelentscheid wichtiges Kampfremis). Dabei hätte 23. ... fxg5 nicht, wie ich zuerst dachte, nach 24. Txh7+! Kxh7 25. Lf5+ Kh6 26. Dh3+ Kg7 27. Dh7+ Kf6 28. Dh6+ Kxf5 29. Dh7+ zum Dauerschach geführt, sondern Weiß kann auf herrliche Weise seinen Angriff krönen: 28. h4! Tg8 29. Lg4! Es droht verheerend 30. hxg5+ Txg5 31. Dh6+ Tg6 32. Lg5, also braucht der König einen Fluchtweg: 29. ... Lf8 (29. ... Ld8 30. Lh5!) 30. Dxg8 Ke7 31. Lh5 und Weiß eropfert auch noch die geopferte Leichtfigur zurück und behält eine Initiative, die entscheidet. Das wäre ein glanzvolleres und verdienteres Ende für diese von Jenni hervorragend gespielte Partie gewesen als das, was folgte:

23. ... f5 24. Lxf5 a3 25. cxb3

Nur zum Remis führt 25. Txh7+? Kg8 26. Th8+ Kg7!

25. ... axb2 26. Ta4

Kompensiert ein wenig für den im 23.Zug versagten Glanz. Freilich verliert Schwarz auch nach 26. a4 Sbxa4 27. Dh3 Sc3+ 28. Kc2 b1D+ 29. Txb1 Da2+ 30. Tb2 glatt.

26. ... Scxa4 27. Dh3 Sc3+ 28. Kc2 b1D+ 29. Txb1 Dxa2+ 30. Tb2

Hier konnte Forster guten Gewissens die Waffen strecken. Aber vielleicht erfreute sich das Publikum am folgenden Königsmarsch:

30. ... Dxb2+ 31. Kxb2 Ta2+ 32. Kxc3 Sxd5+ 33. Kd3 Sb4+ 34. Ke4 d5+ 35. Kxe5 Sc6+ 36. Kxd5 Ta5+ 37. Kxc6 Txf5 38. Dxf5 1–0

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