Ihr Jugendverderber ihr!

Also Unterhaltungswert, den hatten die ersten beiden Partien zwischen Kramnik und Topalow, aber hatten sie auch das Niveau, das man von einer WM erwartet? Ist das Ausmaß der Patzer, die in der zweiten Partie passierten, nicht erschreckend? Ich rede nicht nur von Topalow (32.Dg6+??, 36.Tc1?, 40.Lf4?, 55.Se6+?). Auch Kramnik hat mehrmals erheblich fehlgegriffen (31...Lxf8??, 39...De4?, 49...Tf1?).

Kann mal einer der in Elista anwesenden Kollegen den beiden ausrichten, dass sie sich schon etwas mehr anstrengen müssen, wenn die ganze globale Schachgemeinde zuschaut? Und müssen wir derweil unseren Nachwuchsspielern sagen: schaut nicht hin, das ist nichts für euch?

Zugegeben, dass uns die so gar nicht weltmeisterlichen Unzulänglichkeiten im Spiel von Kramnik und Topalow so ins Auge springen, liegt auch daran, dass wir ihre Spiele heutzutage mit beigeschalteter Computeranalyse verfolgen. Taktische Fehler erkennen die Programme sofort.

Mir kommt unwillkürlich die Begegnung der gleichen Spieler in der letzten Runde des Sofiaer Turniers 2005 in den Sinn. Topalow stellte eine Figur ein, Kramnik sah es nicht, oder vielleicht glaubte er dem Bulgaren auch, dass ein rettender Gegenangriff funktionierte. Bald darauf stellte Kramnik selbst eine Figur ein, die Topalow einkassierte, womit er mit einem Punkt Vorsprung Erster war, während Kramnik am Tiefpunkt seiner Karriere ankam.

Mir fällt aber auch ein Vorkommnis aus der ersten WM ein, die ich als Reporter verfolgt habe. Es geschah 1990 in New York während der siebten Partie. Karpow hatte Weiß, Kasparow war am Zug:

Kasppatzt

Als 27...Da5 auf den Monitoren erschien, brandete im damals von Reportern wie Großmeistern bevölkerten Analysesaal binnen kürzester Zeit eine Diskussion auf, ob wir gerade Zeuge des größten Fehlers in der Geschichte der Schach-WM geworden waren. Wie konnte Kasparow den von allen auf Anhieb erkannten Abzug 28.Sd5 übersehen haben? Es war zwar nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick schien, denn auf 28...Dc5+ folgte nicht 29.Le3 wegen 29...Lg5! sondern 29.Kh1!, und nach 29...Lxd5 (29...Dd4? 30.Le3!) 30.cxd5 Dd4 (30...Db5 war zäher) 31.dxc6 bxc6 32.Txc6 hatte Karpow ein Bäuerlein mehr. Aber wenn die Zeitgenossen von damals in 27...Da5? den größten Schnitzer der WM-Geschichte sahen, wie würden sie dann über die Häufung der Patzer am Sonntag urteilen?

Nachtrag: Über den größten Patzer der WM-Geschichte wird gerne diskutiert. Ich kann mich dem Urteil von Dr.Strangelove und Zwieblauch anschließen, dass dieser zweifelhafte Ruhm an Tschigorin geht für 32.Lb4 gegen Steinitz in folgender Stellung:

steinitz_chigorin
dr.strangelove - 25. Sep, 18:46

Der größte Fehler der WM-Geschichte...

ist aber doch vermutlich immer noch Tschigorins 32. Lb4?? aus der 23. Partie gegen Steinitz, 28.02.1892.

Gute Chancen auf Nr. 2 der Hitliste hat Bronsteins 57.Kc2?? aus der 6. Matchpartie gegen Botwinnik, 26.03.1951.

Und ich kann mich noch gut erinnern, dass es schon in einem früheren K&K-Match 1985 anlässlich von Karpows 22....Tcd8?? (Match 2, 11. Partie, 01.10.1985), was eine simple Grundreihenkombi zuließ, dieselbe Diskussion gab (mit dem Unterton "eigentlich dachten wir, dass sich Schach inzwischen weiterentwickelt hat").

Möglicherweise entwickelt es sich ja gerade zurück.

bonaventura - 26. Sep, 01:31

Was ist denn mit …

… Fischers 29… Lxh2 aus der ersten Partie in Reykjavik?

dr.strangelove - 26. Sep, 07:48

Fischers Lxh2

ist ja heiß umstritten. Da er diesen Zug zumindest im Bewußtsein des außerordentlichen Risikos gemacht haben sollte, würde ich ihn nicht als "blunder" einordnen - der Fehler lag eher auf psychologischen Gebiet, Fischer wollte lieber mit der Brechstange weiterkämpfen, als Remis zu machen.

Zusätzlich ist mir aus jüngerer Vergangenheit dann noch Kramniks tolles 55.a6+?? aus der 4. Matchpartie gegen Garik eingefallen. Auch dieses Endspiel (das ja mit 54.Txf7?? Te5?? und 58...Th1?? 59. Kb2?? noch zwei weitere schöne Doubletten aufweist) dürfte den Elista-Zitronen fehlerästhetisch überlegen sein.

Labeosato - 26. Sep, 22:26

Und was ist mit Karpov-Kortschnoj 1981 2. Partie?

Deutlích heftiger finde ich Kortschnojs Einsteller in der 2. Partie des 1981er Wettkampfes gegen Karpow. Mit 34. ... f6 verschenkte er einfach einen Bauern, weil er eine simple Gabel auf e6 übersehen hat...
Im Übrigen ist in meinen Augen eine von Kramniks Schwächen das Spiel in unübersichtlichen Stellungen, wozu die zweite Partie zumindest zum Teil passt. Mehr gewundert hat mich wie er in der ersten Partie aus einem leichten Vorteil heraus unter einigen Druck geraten ist.

zwieblauch - 27. Sep, 21:23

Zitat aus Schachblog von Stefan Löffler vom 25.09.06:

Als 27...Da5 auf den Monitoren erschien, brandete im damals von Reportern wie Großmeistern bevölkerten Analysesaal binnen kürzester Zeit eine Diskussion auf, ob wir gerade Zeuge des größten Fehlers in der Geschichte der Schach-WM geworden waren.

Zum Vergleich eine geschichtlich interessante Partie. Es ist zwar schon mehr als 100 Jahre her...

Chigorin,M - Steinitz,W
World Championship 04th Havana (23), 28.02.1892
1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 Sf6 4.e5 Sh5 5.Le2 g6 6.d4 Lg7 7.0–0 d6 8.Sc3 0–0 9.Se1 [ 9.Sd5 dxe5 10.dxe5 Sc6 11.Sxf4 Dxd1 12.Txd1 Sxf4 13.Lxf4 Le6= ChessBase; 9.exd6! cxd6 ( 9...Dxd6 10.Se5) 10.Se1! Sc6! 11.Lxh5 Lxd4+ 12.Kh1© Chigorin] 9...dxe5 10.Lxh5 gxh5 11.dxe5 Dxd1 12.Sxd1 Sc6 13.Lxf4 Lf5 [ 13...Sxe5 14.Se3 Le6µ Chigorin] 14.Se3 Le4 15.Sf3 Tfe8 16.Sg5 Lg6 17.Sd5 Lxe5 18.Sxc7 Lxc7 19.Lxc7 Tac8 20.Lg3 Sd4 21.c3 Se2+ 22.Kf2 h4 23.Ld6 Sd4 24.cxd4 Tc2+ 25.Kg1 Tee2 26.Tae1 Txg2+ 27.Kh1 Kg7 28.Te8 f5 29.Se6+ Kf6 30.Te7 Tge2 31.d5 Tcd2


Diagramm


32.Lb4?? [ 32.Txb7+- Txd5 33.Sf4] 32...Txh2+ 0–1

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