Amerika

„Lass Dich nicht davon täuschen, was Du hier siehst“, warnte mich Alex Yermolinsky, als ich im Februar den Mechanics Chess Club in San Francisco besuchte. Mindestens achtzig Spieler waren da. Es war ein Turnierabend, vorher hatte Yermo seine wöchentliche Vorlesung gehalten. Er ist einer von zwei voll, wenn auch nicht besonders gut bezahlten Profis, die sich der Klub leisten kann. Dank der Vermietung einiger Büros in feiner Zentrumslage. Aber eben nicht repräsentativ fürs Schach in den USA, oder wie Yermo sagt: „Das amerikanische Schach geht am Stock.“

Am 15.Mai hat die US-Meisterschaft (Nachrichten hier) begonnen. Für die Profis gewöhnlich ein wichtiger Zahltag. Voriges Jahr in San Diego waren mehr als 200 000 Dollar im Preisfonds. Nach dem Abspringen des Sponsors, der sonst auf Schulschach spezialisierten American Foundation for Chess, ist der Preistopf in den Keller gegangen. Ein Mäzen aus Oklahoma, nach dem die diesjährige Meisterschaft nun persönlich benannt ist, hat 50 000 Dollar hingelegt. Das wird nur reichen, damit etwa ein halbes Dutzend Teilnehmer, die vorne landen, nach Abzug ihrer Spesen (Reise, Hotel, Essen zahlt jeder selbst) etwas verdienen, die anderen werden draufzahlen (Ergänzung: es kamen weiter 25 000 Dollar in den Preistopf, so dass etwa ein Dutzend Teilnehmer mehr als ihre Spesen rausholten). Dass trotzdem die meisten Spitzenleute gekommen sind, hängt damit zusammen, dass es daneben nur eine Handvoll Opens mit für Berufsspieler attraktiven Preisen gibt.

Sie alle werden von Bill Goichberg organisiert, der voriges Jahr auch die Leitung des maroden Schachverbands übernommen hat. „Nichts gegen Bill, aber damit hängt alles an einer Person“, sagt Yermo. Anfang der Neunzigerjahre war der US-Schachverband der wohlhabendste der Welt. 1990 und 1995 fand die WM in New York statt, 1997 auch der Schaukampf zwischen Kasparow und Deep Blue. Statt die Publizität zu nutzen hat der Verband seitdem ein Drittel seiner erwachsenen Mitglieder verloren. Zugleich wurden durch Misswirtschaft und einen Untreuefall die Reserven aufgezehrt, bis zwischenzeitlich der Bankrott drohte.

Nun kommt Hoffnung aus einer überraschenden Richtung: Susan Polgar hat einen Rettungsplan für den Verband und ihre Kandidatur für den Vorstand bekannt gegeben. Polgar hat in den letzten Jahren hart dafür gearbeitet, das Gesicht des amerikanischen Schachs zu werden. Die Ex-Weltmeisterin und nach ihrer Schwester Judit immer noch spielstärkste Frau der Welt betreibt im New Yorker Stadtteil Queens eine brummende Schachschule und den umfangreichsten und wohl derzeit beliebtesten Schachblog.

Als Promoterin des Spiels konnte die 38jährige jede Menge Medien- und Wirtschaftskontakte knüpfen. Vor allem hat sie verinnerlicht, wo Schach Zukunft hat, nämlich in den Schulen. Sie selbst schickt ihre Mitarbeiter an unzählige Schulen in New York aus. Alle Profis ausser die spielstärksten sind auf Einnahmen als Schachlehrer angewiesen. Geld von Sponsoren und Stiftungen lässt sich am ehesten lockermachen, wenn es um Schachunterricht für Kinder aus benachteiligten Familien geht – frei nach dem Motto: Wer früh strategisch denken lernt, entkommt dem Getto. In amerikanischen Medien wird schon öfter über Schulschach als über Spitzenschach berichtet.

In der Weltklasse war kein Amerikaner zu finden, seit Gata Kamsky 1996 als Weltranglistendritter zurücktrat.
Nach fast zehn Jahren Turnierpause spielt er wieder, derzeit sehr ordentlich beim MTelMasters in Sofia, Ende Mai beim Kandidatenturnier in Elista. „Als Anwalt könnte ich besser verdienen“, stellt er klar, dass es die sportliche Herausforderung ist, die er sucht. Seine Entscheidung, mit 22 ein Studium aufgenommen zu haben, bereut er nicht. Er habe vorher ja nur Schach gekannt und kaum etwas vom Leben. Ähnlich denkt das derzeit größte Talent der USA. Der 19jährige Hikaru Nakamura, unter dem Kampfnamen „Smallville“ der beste Internetblitzer der Welt, besucht seit vorigem Jahr ein College. Frühestens 2010 will er sich, wenn überhaupt, als Profi versuchen.

Dass die heimischen Talente nicht dauerhaft auf Schach setzen, konnte ich auch bei meinem Besuch in San Francisco bestätigen: Der zweimalige US-Champion Patrick Wolff hat eine Bankkarriere eingeschlagen, Tal Shaked, Jugendweltmeister 1997, hat einen guten Job bei Google. Turniere spielen sie schon lange nicht mehr. „Nur wir Einwanderer, die nichts anderes gelernt haben“, sagt Yermo, „bleiben beim Schach kleben.“
blackburne - 19. Mai, 21:50

Hinweis

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