Großmeister des Schnoddertons

"Gott Gusti" wird er mitunter in Hamburger Schachkreisen genannt. Er selbst bezeichnet sich dagegen schon mal als "alter Sack". Dabei wird er nächsten Monat gerade 29. Jan Gustafsson ist mit einer gesunden Portion (Selbst-)Ironie gesegnet. Falls Sie es noch nicht getan haben, geben Sie sich, wie er kürzlich von Sebi Siebrecht fürs neue Schachbundesliga-TV interviewt wurde. Auf die Frage, was bei der EM in Plowdiw anstehe, gab Gusti locker zum Besten: "Das Programm ist immer das gleiche beim Schachspielen. Morgens bereitet man sich die ganze Zeit vor. Mittags macht man schnell remis, und dann hängt man den Rest des Tages rum."

Nach besagtem Turnier, in dem er sich als einziger Deutscher für den Weltcup qualifizierte, gab Gusti mir ein Interview für die dieser Tage erscheinenden Juni-Ausgabe von Schach. Darin spricht er seriöser, aber durchaus schnoddrig selbstkritisch über sein Abschneiden, seine Stärken und Schwächen und seine schachlichen Pläne. Als Vorgeschmack zwei Ausschnitte (samt der Alter Sack-Stelle):

"Schach: Wirst du dann (gemeint: beim Weltcup im Dezember 2009) überhaupt noch Schachprofi sein?
Gustafsson: Ich war noch nie Schachprofi.
Schach: Sondern?
Gustafsson: Da müssen wir nicht immer drüber reden. Poker musst du nicht schreiben. Ich bin Jurastudent.
Schach: Und wie sind die Chancen, dass du das Studium abschließt?
Gustafsson: Null.
...
Gustafsson: Jetzt kommt erst mal Dortmund. Das ist ein guter Anlass für mich zu arbeiten. Mit Blick auf die Olympiade ist das für mich ganz gut, dass ich mal was zuhause mache. Eigentlich schalte ich ja nie Chessbase ein und mache nur was auf Turnieren.
Schach: Reicht es wirklich, nur vor anstehenden Partien an deinem Schach zu arbeiten? Oder sind deine fantastischen Eröffnungskenntnisse ein Gerücht?
Gustafsson: Nö, ich glaube, ich bin besser im Arbeiten.
Schach: Weil du Züge und Ideen schneller auffasst?
Gustafsson: Schneller auffassen weiß ich gar nicht. Ich habe den Eindruck, dass sich viele Leute nicht sehr effektiv vorbereiten. Ich habe da sehr viel von Nielsen (gemeint ist Peter Heine) gelernt, der auch als Theorieguru gilt, aber auch nicht besonders viel arbeitet, also wie man die kritischen Stellungen erkennt, wo man den Computer benutzen muss und wo man ihn abstellen kann.
Schach: Wo liegen die Fehler der anderen?
Gustafsson: Ich merke nur, dass ich meistens besser vorbereitet bin, und die meisten arbeiten, glaube ich, mehr als ich, also müssen sie irgendetwas falsch machen. Ich bin inzwischen natürlich auch ein alter Sack, ich habe mehr Erfahrung als die meisten Jungs. Ich stelle zwar ab und zu mal was ein oder werde müde, aber Eröffnungen läuft ganz gut."

Ich finde, Gusti hat eine wohltuend ehrliche und zugleich ironische Art zu reden. Er verdient eine Chance als Kommentator. Die zu Schmäh sehr wohl fähigen, aber mit angezogener Handbremse plaudernden Pfleger und Bischoff könnte er alt aussehen lassen, zumal er vom Schach auch mehr als sie versteht.
Dorsus - 28. Mai, 21:26

Gusti top!

Ich finde ihn einfach nur total Klasse!

Auch sein Auftritt bei TV Chessbase am Freitag war einfach toll!
Unterhaltsam und vor allem auch sehr kompetent (was ich Patzer so erkennen konnte).
Leider war er viel zu kurz (das nächste mal bitte vor 17:00 Uhr aufstehen ;-)!!!)

Mich nervt es, wenn dann Leute wieder sagen: "So ein fauler Sack, der soll mehr arbeiten!"
Da kann man ja nur lachen und sagen: "ohne Arbeit wird er es kaum auf 2600 geschaft haben, oder?"

Er ist meiner Meinung nach einfach ein sehr intelligenter Mensch, der aber trotz seines Talentes einfach das Leben genießt und von Schach (und Poker) leben kann.

Ich finde außerdem die Kritik an seinem "Geschiebe" völligen Blödsinn, denn warum muss er wegen irgendwelchen neunmalklugen Amateuren seine Partien auskämpfen?
Es wird wohl die freie Entscheidung eines jeden Spielers sein, wie er jetzt seine Partien anlegt.

Also, Gusti ist einfach nur Top und er ist einer der wenigen Großmeister, den ich gerne in meiner Nachbarschaft hätte...

sparpaket - 29. Mai, 11:49

Gusti hin und Gusti her

Der Herr Gustafson, ein mäßig lustiger und nicht tierisch interessanter Schachmensch aus Deutschland, scheint ja gewaltig zu polarisieren. Aus Neugier habe ich mir nun das offensichtlich zum Schreien komische und "lässige" Interview mit dem Top-Schachjournalisten Sebi Siebrecht, einem besonderen Schachesel, der die banalsten und hanebüchensten Fragen stellt, angeschaut und nur gesehen, dass der Herr Gustafson sicherlich kein Gott, sondern eigentlich ganz normal und durchschnittlich ist (das einzig Nervende ist vielleicht die vorgetragene Penetranz seiner von ihm selbst lancierten und von den jeweiligen und natürlich austauschbaren "Reportern" lechzend ersehnten sprichwörtlichen Faulheit. (Einer mir im übrigen eh sympathischen Eigenschaft.)

Das Interessante und leider Betrübliche in der Angelegenheit ist aber nicht der Herr Gustafson, sondern die Projektionsfläche, die er offenbar bietet, da sogar ansonsten sehr vernünftige Leute wie Herr Löffler den Verstand verlieren und und das Gebrabbel des Spielers als "wohltuend ehrliche (sic) und zugleich ironische Art" bezeichnen oder die "alter Sack" Stelle offenbar in den Bereich der Hochkomik einreihen. Im übrigen ist im Löffler Text auch journalistisch gar nichts Greifbares zu vermelden, da ja das Mysterium der besseren Eröffnungsergebnisse unseres Helden nicht gelüftet , sondern eben in den Bereich des Mysteriums verwiesen wird. Die anderen sind halt einfach blöder.

Von den pathologischen Kommentaren der Schachöffentlichkeit ("würde den Herrn Großmeister gerne als Nachbar haben") wollen wir ja gar nicht reden.

schachblogger - 29. Mai, 13:20

Deutsche Spitze

Da die letzten halbwegs zur Selbstdarstellung fähigen Nationalspieler Wahls und Lobron von der Bildfläche verschwunden sind, ist Gusti zur Zeit der König, allerdings nicht der Hochkomik sondern, wie beschrieben, der subtileren Schnoddrigkeit. Was das Videointerview betrifft, gab Sebi Siebrecht den DSF-Trottelreporter, und Gusti plätscherte mit. Verglichen mit dem, was man sonst an Schachvideos geboten kriegt, fand ich es wohltuend.
sparpaket - 29. Mai, 14:18

Damit ich das letzte Wort habe

Aber dies, lieber Herr Löffler, ist ja das aus meiner Sicht eigentliche Problem: Sie finden das NICHTS wohltuend, im Vergleich halt. Dort wo Pose ist, orten Sie Ehrlichkeit, wo Angeberei ist, vermuten Sie Ironie, wo Kraut- und Rübengequatsche ist, wähnen Sie wohltuende Schnoddrigkeit. Wenn das Duo Siebrecht/Gusti -übrigens recht tollpatschig- die Zuseher an der Nase herumführt, insofern haben Sie mit dem "DSF Trottelinterview" schon Recht, erkennen Sie Subtilität.
Sie möchten den Herrn G. im Kommentatorenwesen hochfeaturen. Tun Sie es bitte nicht.

Dorsus - 29. Mai, 15:05

Naja

Siebrecht ist wirklich lächerlich!

Schachblog rank zero - 30. Mai, 09:27

Recht auf Marketing Meinung

Schließlich sollte man dem Schachblog doch das Recht auf eine eigene Meinung und Sätze wie "Ich finde..." zubilligen. Dass damit Hintergedanken im Marketingbereich verknüpft sind, liegt in der Natur dieses Blogs, das ja von Anfang an auch die beruflichen Aktivitäten flankierend unterstützt. Das ist inzwischen ja auch bei Entwicklungsvorsprung nicht anders. Wenn für die Schachgemeinde dadurch trotzdem zuweilen ein Plus an Information herausspringt, kann man solche Beiträge gerne verzeihen, zumal sie ja rührend durchschaubar sind.

Wenn man im übrigen sieht, welche vielfältigen Podien Herrn Pfleger geboten werden, mag man auch Herrn Gustafsson mehr vergleichbare Rollen wünschen. Schlechter wird er es auch nicht machen, und offenbar gibt es Bedarf im Publikum (s. auch die entsprechende gestreute Umfrage http://entwicklungsvorsprung.de/?p=437 ).

Und wenn Herr Gustafsson zukünftig mehr in Schach macht und sich seine ekelhafte Poker-Promotion verkneift, desto besser (leider gab es ja um die Jahreswende noch wieder ein Beispiel in der Zeit, das das Schachblog, trotz dessen normalerweise deutlicher Haltung zum Poker, mit dem kurzen Gedächtnis der Medien schon wieder verdrängt zu haben scheint).

sparpaket - 30. Mai, 17:48

Sehr geehrter HerrRankzero!
Bitte, bitte um aufmerksames Lesen, diese Tipperei kostet so viel Lebenszeit. Niemand will dem Blog und schon gar nicht seinem Betreiber die Meinung verbieten, ganz im Gegenteil: Nachdem eine Meinung kundgetan wurde ("Gusti ist ein Gott und König"), schien es mir dringend angebracht, eine Gegenmeinung einzuspielen, was ja eigentlich das Wesen eines Blogs, so er was wert ist, ausmacht. Und dieser Blog ist ja so schlecht nicht.

Im Sinne des Marketinggedankens gebe ich Ihnen sogar Recht, ich befürchte ja auch, dass der Herr Gusti gut ankommt. Aber genau deswegen und aus lauter Verzweiflung über den schlechten Geschmack der Leute hab ich mich ja zu Wort gemeldet. Bitten um Ablass.
Permanent_Brain - 31. Mai, 13:53

Kommentar über Kommentare

Als jemand aus dem "breiteren" Schachpublikum sozusagen, vermochte ich bisher nicht zu entdecken, ob und warum man sich gerade für diesen Großmeister mehr interessieren sollte als für irgendeinen anderen. Wie jedem , wünsche ich ihm viel Freude und Erfolg mit Schach. Ansonsten kann ich nur mentales Schulterzucken vermelden. Vermutlich hat es irgendwie mit der deutschen Schachbundesliga zu tun. Die ist mir wurscht (egal welchen Landes).

Das gefährliche bei GMs als Kommentatoren ist vielleicht, wenn manche nur für andere Meisterspieler kommentieren (können) und Normalsterblichen unter 2000 nichts zu sagen haben. Das kommt aber darauf an welches Publikum man jeweils hat bzw. welches man ansprechen will. "Von Profis für Profis" könnte ja auch ein Motto sein; dann braucht man auch nicht viel Bandbreite einkaufen :-)

Ich glaube jedenfalls nicht, daß viele GMs so eine pädagogische Ader haben, daß sie sich noch dafür interessieren was jemand mit 1000 Elo weniger vielleicht sieht und versteht oder auch nicht. Bei Pfleger ist das aber der Fall - zumindest kann er in diesem Sinn kommentieren - und falls Gustafsson das auch hat bzw. will so wird er wohl keine schlechte Wahl sein. Aber ich kenne ihn bisher nur dem Namen nach.

Die mit Abstand schnoddrigsten Kommentatoren sind Computerschachengines, die einem trocken nur Zahlen und Varianten auf den Bildschirm kotzen. D.h., ein guter Schachkommentator muß genau das einbringen, was man vom Schachprogramm nicht bekommt, also aufschlußreiche verbale Beschreibungen von möglichen und tatsächlichen Ideen, Drohungen, Plänen, typischen Vorgangsweisen im jeweiligen Stellungstyp, usw.

(Womit ich den Monolog beende, denn zum Publikum der deutschen Schachbundesliga zähle ich eh nicht.)

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