Von vorgestern

Vor etwas über einem Jahr, bei der Eröffnung einer Schachausstellung in den von der Berliner Werbeagentur Dorland der Lasker-Gesellschaft zur Verfügung gestellten Räumen, kam ich mit einem Journalisten ins Gespräch, den DIE ZEIT geschickt hatte. Ich war erstaunt, dass die kleine Schau über das Leben von Emanuel Lasker so gewürdigt werden sollte. Leicht entsetzt vernahm ich, dass seine Anwesenheit einen anderen Grund hatte: Er war wegen Helmut Pfleger da, der an diesem Abend als Kommentator einer Schaupartie eingeladen war. Ich hatte die Begegnung schon fast vergessen, als ich in der aktuellen ZEIT (48/2006, 23.11.) auf ein ganzseitiges Pfleger-Porträt stieß. In einem kleinen Absatz steht da:

„Sie schreiben über Pfleger?“, raunt ein Journalist im Publikum, der selbst mal über ihn geschrieben hat. „Vergessen Sie´s, der ist von vorgestern.“

Auch wenn der Satz ganz sicher nicht von mir stammt (aber gut, ich habe auch schon Zitate, sagen wir, „nachempfunden“), werde wohl ich gemeint sein. Ganz fruchtlos war das Gespräch anscheinend nicht. Das erfundene Zitat könnte das Motto des lange abgelegenen Stückes sein, das sich tief in die Vergangenheit vergräbt. Die von mir erwähnten Brüche in Pflegers Leben – sein schwieriges Verhältnis zum Vater, seine schmerzvoll gescheiterte Ehe, seine Abwendung von der Schulmedizin, seine zwischenzeitliche Flucht in die Esoterik – sind immerhin angedeutet.

Überhaupt handelt es sich bei dem Porträt, das wegen des gefinkelten Anlasses, dass Pfleger als Kommentator in Bonn ist, jetzt erscheint, um eine Fleißarbeit. Der Autor, Marian Blasberg, hat Pfleger mehrmals getroffen. Seine sachlichen Fehler, die unvermeidlich scheinen, wenn ein Laie über Schach schreibt, sind an den Fingern einer Hand abzuzählen. Das Foto allerdings tut Pfleger Unrecht. Er wirkt wie ein Häuflein Elend, wie er wehleidig in die Kamera blickt, im Streifenpulli und mit Pantoffeln auf einem Hocker aus Bast sitzt, inmitten eines Schachbretts aus Auslegware, umgeben von kitschigen Schnitzfiguren, im Hintergrund hängen Erinnerungsteller in langer Reihe, ein paar Pokale stehen im Regal. „Hobbykeller“ sagt die Bildunterschrift, es ist wohl eher Pflegers persönliches Schachmuseum.

Den eigentlichen Punkt unserer Konversation, die anscheinend ziemlich am Anfang der Recherchen für das Porträt stand, hat Blasberg verdrängt, ignoriert oder verworfen. Ich hatte ihm nachdrücklich erklärt, dass Pfleger seit bald zwanzig Jahren ein doppeltes Geschäft führt: Er berichtet in seinen Kolumnen und früher auch in seinen Fernsehsendungen über Ereignisse, bei denen er bezahlt wird, über Sponsoren, von denen er Honorar bezieht, über Firmen, für die er Werbung macht, über Produkte, an denen er beteiligt ist. Dagegen ist Pipifax, dass er für seine eigenen Sendungen wirbt und Leute lobt, denen er sich geschäftlich verpflichtet fühlt.

Nun weiß ich als Journalist, dass man sich eine gute Geschichte nicht von der Recherche kaputt machen lassen will. Aber das war nicht Blasbergs Problem. Er konnte Pflegers Interessenkonflikt nicht in der ZEIT aufdecken. Die sonst so seriöse Wochenzeitung ist ja genau der Ort, an dem sie sich abspielen.

Vor vielen Jahren, als es Mephisto noch gab, ist Pfleger mal gemahnt worden, nicht jede dritte oder vierte Woche über die Kaufhauscomputer aus München zu schreiben, für die er selbst in vielfältiger Weise warb. Er hielt sich etwas zurück, aber aufgehört hat er nicht, in seiner Schachkolumne immer mal wieder etwas für seine Geschäftspartner zu tun. Dass es inzwischen weniger geworden ist, liegt wohl nur daran, dass Pfleger, mittlerweile auch schon 63, nicht mehr so gut im Geschäft ist. In seiner aktuellen ZEIT-Spalte freilich sind die Bundeskunsthalle (von der man annehmen darf, dass sie sein Kommentatorenhonorar bezahlt) einmal und Fritz (für dessen Hersteller Chessbase Pfleger Produkte und Veranstaltungen macht) dreimal erwähnt.

Zu seiner Verteidigung ist zu sagen, dass sowohl im Schach als auch in der Medizin, also in den beiden Gebieten, die Pfleger am besten kennt, Interessenkonflikte verbreitet sind und allzu oft ignoriert werden. Vielmehr ist es Sache der Redaktion, ob sie um ihrer Glaubwürdigkeit willen Schleichwerbung unterbindet. Ein Journalist, der den ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo kennt, hat mir einmal gesagt, di Lorenzo würde bleich im Gesicht, wenn er erführe, was in der Schachkolumne vor sich geht.

Die Wahrheit ist, dass sich in den Redaktionen keiner dafür interessiert, was sich in der Schachspalte abspielt. Dass es sie gibt, ist eine Sache der Tradition. Inhaltlich ist sie irrelevant. Ihr einziger Zweck ist, ein paar Käufer ans Blatt zu binden. Wenn ein Chefredakteur merkt, dass es in seinem Blatt eine Schachspalte gibt, ist die Chance groß, dass sie gestrichen wird.

Pflegers ZEIT-Kolumne zählt trotz seiner Schleichwerbung und obwohl er seit langem zu weit weg vom Schach ist, um berichtenswerte Entwicklungen aufzugreifen, zu den besten deutschen Schachspalten. Das wiederum wirft ein trauriges Licht auf ein sterbendes Genre.

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