Ungerecht

Die Meinungen im Schach werden seit einiger Zeit vor allem im Internet gebildet. Und wie beurteilen die Onliner eine Schachveranstaltung? Vor allem danach, ob die Live-Übertragung der Partien funktioniert. Weil das während der ersten Runden der Dresdner EM nicht immer klappte, wurde gemeckert. Wie ungerecht. Organisatorisch ist diese EM ihren Vorgängern deutlich überlegen.

Anders als in den Vorjahren sind die Spieler nicht selbst der Hauptsponsor. Alle spielen in einer Halle, die ausreichend belüftet, großzügig bemessen und jederzeit zufriedenstellend hell ist. Tische, Stühle, Bretter und Figuren erfüllen alle Anforderungen. Selbst die Silver Timer machen keine Probleme, weil die Macken der früheren Versionen dieser Uhr wohl einigermaßen beseitigt sind. Seit der ersten Runde wird praktisch pünktlich begonnen. Kein Zweifel: die Schacholympiade 2008 wird hier organisatorisch gemeistert werden.

Zu beklagen ist die Entfernung zur Toilette (ein Pinkelgang kann ohne weiteres vier Minuten Bedenkzeit kosten) und dass im Turniersaal kein Trinkwasser, Tee und Obst angeboten wird - aber möglicherweise stehe ich mit dieser Meinung ziemlich allein, denn viele Spieler scheinen ohne Flüssigkeitsaufnahme auszukommen. Dafür haben sich die Veranstalter ins Zeug gelegt, den überwiegend jungen EM-Teilnehmern ein ihrem Alter entsprechendes Programm zu bieten: eine Eröffnungsgala mit Show und Magie, einen Discoabend (an diesem Montag um 22 Uhr vor dem morgigen freien Tag) und ein Livekonzert.

Würde ich die EM Schlachtenbummlern empfehlen? Eher nein. Von der Tribüne sieht man fast nichts. Das wird auch nicht davon kompensiert, dass sich Klaus Bischoff in der Lobby als Einzelkämpfer gut dabei schlägt, die interessantesten Partien herauszupicken und verständlich zu machen. Mit Spielern ins Gespräch zu kommen, ist ziemlich schwer. Aber es besteht ja Hoffnung, dass die Schachfans bei der Olympiade 2008 Besseres geboten bekommen.

Mir persönlich fehlt das Gefühl, die Geschichten, die das Turnier schreibt, mitzubekommen. Wer ist dieser Vlad-Christian Jianu aus Rumänien, der als IM schon ganz vorne mithält? Welche Spitzenleute kriegen von ihren Verbänden die Spesen bezahlt, wer muss selbst investieren für einen Schuss auf einen der 33 Weltcupplätze und das Preisgeld?

A propos Preisgeld: wie viel ausgeschüttet wird, kann ich nirgends nachlesen, sondern mir aus der Ausschreibung selbst zusammenrechnen. Ich komme auf 95.000 Euro für die ersten dreißig abzüglich der von Nichtdeutschen sofort zu entrichtenden Steuer (die mit circa 20 Prozent angegeben wird). Mit 16 000 Euro ist der erste Platz dotiert (zum Vergleich: Alexei Schirow hat am Wochenende beim Schnell- und Fischerschachturnier in Ciudad Real 25.000 Euro abgeräumt). Außerdem werden sage und schreibe 20.000 Euro unter denjenigen ausgeschüttet, die am meisten über ihre Eloerwartung abschneiden. Wer eine Zahl über 2300 hat, hat kaum eine Chance, dabei ganz vorne zu landen. Viele Amateure hat dieser doch recht substantielle Zusatztopf allerdings auch nicht angelockt.

Fünf Runden sind noch zu spielen, und keiner hat sich vorne abgesetzt (Tabelle). Die Nation mit den besten Chancen, den Europameister zu stellen, dürfte die Ukraine sein. Dort herrscht in der Region zwischen 2650 und 2700 eine enorme Konkurrenz um die Plätze im Nationalteam (also knapp 100 Elopunkte höher als in Deutschland). Andrei Wolokitin führt die EM nach Buchholz an. Auch sein Landsmann Alexander Moisejenko ist ein Titelanwärter, zumal er mit Schwarz zuzubeißen versteht. In der sechsten Runde trug er David Baramidze ab, bereits in der zweiten gewann er folgende bemerkenswerte Positionspartie, in der sein Turm zwei gegnerischen Leichtfiguren überlegen war.

Alexander Mista – Alexander Moisejenko
1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 e5 5. Sb5 d6 6. S1c3 a6 7. Sa3 Le7 8. Sc4 b5 9. Se3 Sf6 10. g3
Das gilt seit einem Sieg Anands gegen Radschabow als stärker als das ältere 10. Ld3, zumal sich Weiss nun nach 10. ... b4?! 11. Scd5 Sxe4 12. Lg2 f5 13. Sc4 Sd4 (13. … Le6 14.Lxe4 fxe4 15. Sxe7) 14. Le3 den Bauern mit Vorteil zurückholt.

10. … O-O 11. Lg2 b4 12. Scd5 Sxd5 13. Sxd5 Lg5!

Mois1
Das muss Schwarz spielen, bevor Weiß rochiert hat und f2-f4 erwidern kann, ohne ein Schachgebot auf h4 in Kauf nehmen zu müssen.

14. Lxg5 Dxg5
Dass Schwarz nun weder 15. Sb6 Tb8 16. Sxc8 Tfxc8 17. Dxd6 Sd4 noch 15. Sc7 Lg4 16. Dxd6 Tad8 17. h4 (17. Dxc6?? Dd2+ und matt) 17. ... Txd6 18. hxg5 Sd4 zu fürchten hat, dürfte Moisejenko zuhause analysiert haben.

15. a3 bxa3 16. Txa3 Tb8 17. Dd2!
Opfert lieber einen Bauern, als den Turm mit 17.b3 oder 17. Ta2 passiv zu stellen.

17. ... Dxd2+ 18. Kxd2 Txb2 19. Tc3
Nach 19. ... Sa7 20. Se7+ Kh8 21. Sxc8 Txc8 (21. ... Sxc8 22. Ta1 Tb6 23. Tb3 Tc6 24. Lf1) 22. Txc8 Sxc8 23. Ta1 Tb6 24. Lf1 kriegt Weiß das etwas bessere Endspiel. Darum gibt Schwarz lieber zwei Leichtfiguren für den Turm.

19. ... Lb7 20. Kc1 Ta2 21. Txc6 Lxc6 22. Se7+ Kh8 23. Sxc6 Tc8 24. Sb4 Ta1+ 25. Kd2
Verständlich, dass Weiss das Eindringen des schwarzen Turms auf die Grundreihe nach 25. Kb2 Txh1 26. Lxh1 Tb8 27. Ka3 a5 fürchtet.

25. ... Txh1 26. Lxh1 a5 27. Sa2 g6 28. Lg2 Kg7 29. Sc3 f5 30. Lh3 Tf8 31. exf5 gxf5 32. f4 exf4 33. gxf4 Tf6

Mois2
Weiß musste sich nun mit dem passiven 34. Lf1 bescheiden (um auf 34...Th6 35. h3 spielen zu können). Nach dem Tausch des f- gegen den h-Bauern erhält Schwarz einen zweiten entfernten Freibauern, was zusammen mit dem beweglichen Turm Gold entscheidend ist.

34. Sb5? Th6 35. Lxf5 Txh2+ 36. Kd3 Th6
Schwarz stellt einfach seinen Turm nach f6 und lässt seine Randbauern laufen.

37. Ke4 a4 38. Kd5 Tf6 39. Le6 h5
Eleganter als 39. … Txf4, denn nun läuft nach 40. Kxd6? h4 41. Ke5 Txe6+ 42. Kxe6 h3 der h-Bauer durch.

40. f5 h4 41. Sxd6 Th6!
Auf 41. ... h3 42. Se8+ Kh8 43. Sxf6 h2 44. Sd7 h1D+ 45. Kd6 a3 46. f6 lässt er sich besser nicht ein. Der starke f-Bauer sichert Weiß dann wohl gerade noch das Remis.

42. Ke5
Oder 42. Se4 h3 43.Sf2 a3! 44. Ke5 Txe6+! und der a-Bauer läuft durch.

42. ... h3 43. f6+ Kf8 44. Se4 h2 45. Sg3 Tg6 46. Sh1 Tg1 47. Ld5 Tg5+ 48. Kd4
...und da sich Schwarz nach 48. ... Txd5+ 49. Kxd5 a3 eine Dame holt: 0-1
Permanent_Brain - 13. Apr, 16:18

weiteres Gemecker :-)

Die Liveübertragungen von der Frauen-EM sind sehr lückenhaft. Über den Link auf der offiziellen Seite konnte man von der 8. und 9. Runde gar nichts sehen - das Partie-Applet blieb in der 7. Runde stecken. Geheimtipp war: Über die Website des Ausrüsters Monroi konnte man trotzdem einige Frauenpartien kibitzen, jedoch nicht alle. Komischerweise fehlen immer auch einige Spitzenbretter.

Es spricht Bände, daß es zwei (Spiel-)Tage dauerte das zu verbessern. Jetzt, zur 10. Runde hat sich das auf der offiziellen Seite so geändert, daß der Link zu dieser Monroi-Seite führt, wo einige Livepartien aufgelistet sind - aber wieder unvollständig.

Ich wollte gestern und heute Partien von Eva Moser kibitzen, die jetzt große Chancen auf eine WM-Qualifikation hat. Das war leider nicht möglich, obwohl das Spitzenbegegnungen sind (in Runde 9 remisierte sie gegen Stefanova).

Das Frauenturnier ist relativ zur Gesamtheit der europäischen Spieler und -innen wesentlich besser besetzt: Im Open fehlen doch viele der stärksten Spieler. Deswegen denke ich, hier wurden Prioritäten falsch gesetzt. Elo ist nicht alles.

Ein großes "BUH!" für die Veranstalter! Dieser Probegalopp für die Olympiade 2008 ist ins Stolpern gekommen.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

close to the resorts...
close to the resorts are http://www.turkish-propert y-world.com/alanya_apartme nt.php...
tpw - 22. Jun, 16:18
Hält man das zusammen...
Hält man das zusammen mit der nunmehr von der Landesschachseite...
racingralf - 11. Aug, 09:43
montages wa maandishi...
Rellstabsstelle- Wakati wa mgomo hewa NATO juu ya...
er78kl - 1. Jul, 10:49
Falsifiziert
Dankenswerterweise hat Michael Knapp sich die Arbeit...
Schachblog rank zero - 6. Dez, 09:46

Besuchen Sie auch

Suche

 

Status

Online seit 6561 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Jun, 16:18

Credits


Impressum
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren