Selbstdemontage

Diesen Monat, dachte ich, würde die Schachbundesliga nur positive Nachrichten produzieren. Erst ein paar richtungsweisende Änderungen der ab 2008/9 geltenden Spielordnung (wie die Einführung einer Bedenkzeit mit 30-Sekunden-Bonus nach jedem Zug oder die Ächtung von Remisgeboten vor dem 40.Zug, Nachsatz: diese und weitere Entscheidungen sind auf eine außerordentliche Versammlung Anfang 2008 verschoben worden) bei der ersten Vollversammlung des Schachbundesliga e.V. an diesem Wochenende in Kassel, dann der siebzigste Geburtstag von Christian Zickelbein, der seit vielen Jahren die treibende Kraft in der Liga ist.

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Wilfried Hilgert, der Porz seit den frühen Sechzigern gesponsert hatte, ernst macht und wie angedroht seine Truppe aus der Bundesliga zurückzieht, doch er tat es. Vorgeblich aus Protest gegen den von der Liga eingeschlagenen Weg zur Eigenständigkeit, in Wahrheit wohl aus Frust über die sportlich missratenen Spielzeiten seit dem letzten Meisterjahr 2004.

Franz Jittemeier, der den Schachticker macht, bat Porz um eine ausführlichere Erklärung des Rückzugs. Der Porzer Vorsitzende Georg Hinz schickte ihm einen Brief, den Hilgert ihm geschrieben hatte. Ein von der Form her privater Brief, in dem Hilgert heftig gegen niemand anderen als Zickelbein ausholte, indem er den Sprecher der Bundesliga wechselweise als geldgierig, als nur auf den Vorteil seines HSK bedacht und als senil beschimpfte. Jüttenmeier wollte nicht glauben, dass der Brief zur Veröffentlichung gedacht war. Als Hinz ihm das bestätigte, fragte er sicherheitshalber noch beim Briefschreiber selbst nach. Er könne den Brief ruhig auf seinem Schachticker veröffentlichen, ließ ihn Hilgert wissen.

Es ist kein Geheimnis, dass Hilgert und Zickelbein einander nicht mochten, aber solche dummen Vorwürfe gegen jemand loszulassen, den er seit mehr als dreißig Jahren kannte, ist nur als Selbstdemontage zu werten, vielmehr als Krönung einer Selbstdemontage, die Hilgert in den letzten zwei Jahren betrieben hat.

Es begann im Mai 2005. Nach dem verlorenen Stichkampf um die Deutsche Meisterschaft gegen Werder Bremen gab es Streit um die Aufteilung der Kosten für einen Charterflug, der drei Porzer und einen Werder-Spieler von der am Vortag beendeten Französischen Liga zum Showdown nach Bremen brachte. Als Werders Till Schelz-Brandenburg Hilgerts Forderung nicht akzeptierte, wurde der Streit öffentlich. Es blieb nicht das einzige Mal, dass ich als Redakteur der Bundesliga-Website meine liebe Not damit hatte, neutral zu bleiben und den Schaden für die Liga in Grenzen zu halten.

Bei den Porzer Heimkämpfen wurde immer deutlicher, dass der Verein, obwohl der bemitleidenswerte Georg Hinz, auch schon jenseits der siebzig, vor den Kämpfen stundenlang über den Boden kroch, um Teppichboden zu verlegen, den gestiegenen Standards der Liga in Sachen Präsentation nicht mehr gerecht werden konnte. Was Zickelbein Hinz und Hilgert auch wissen ließ. Dass Schelz-Brandenburg sein Stellvertreter im Bundesligaausschuss war, vertiefte den Graben zwischen den Porzern und der Liga.

In der letzten Doppelrunde im April 2006 konnte Porz noch durch einen Sieg gegen Baden-Baden dafür sorgen, dass diese in einen Stichkampf um den Titel gegen Werder mussten. Als Hilgert es nicht schaffte, eine komplette Mannschaft aufzubieten, und den Kampf sang- und klanglos 2:6 verlor, stand er wieder am Pranger, und Schelz-Brandenburg goss noch reichlich Öl ins Feuer.

Hilgert reagierte, indem er sich von mehreren Spielern trennte, die angeblich ihr Wort nicht gehalten hatten (womit er nicht nur aber vor allem Mischa Gurewitsch unrecht tat). Und indem er zur von fast allen Vereinen gewünschten Eigenständigkeit der Liga auf Oppositionskurs ging. Einsam und bedrückt saß Georg Hinz im Juni 2006 in der Tagung der Vereine und stimmte im Auftrag seines Mäzens gegen alle Vorlagen.

Im Oktober 2006 legte sich Hilgert mit DSB-Geschäftsführer Horst Metzing an. Der habe verhindert, dass einer seiner russischen Spieler ein Visum bekam, weshalb dieser nicht zum ersten Bundesligamatch kommen konnte. Hilgert machte Stimmung gegen den langgedienten DSB-Geschäftsführer, der freilich nichts für die strengere Visavergabe der Deutschen Botschaft in Moskau konnte. (Dass die Visablehnung einer hier zunächst erwähnten Russin, die in der Porzer Dritten spielen sollte, den Ärger ausgelöst habe, war ein Missverständnis, wie der Porzer Jugendwart Uli Thiemonds aufklärte und Metzing mittlerweile bestätigt hat).

Porz war im Februar 2007 nicht dabei, als der Schachbundesliga e.V. in Berlin gegründet wurde. Vor der Ratifizierung durch den Deutschen Schachbund im Mai drohte Hilgert wegen einer nicht eingehaltenen Frist mit rechtlichen Schritten, falls das Spielrecht in der neuen Saison schon an die Mitgliedschaft gebunden würde. Das Junktim wurde auf 2008/9 verschoben und die Selbstbestimmung der höchsten Liga von rund neunzig Prozent der DSB-Delegierten akzeptiert.

Nun hätte Hilgert ein Jahr Zeit gehabt, um zu beobachten, wie sich der Schachbundesliga e.V., dem er partout nicht beitreten wollte, entwickelt. Aber es ging ihm wohl nur noch darum, seinem Ärger Luft zu verschaffen. Ärger, dass es sportlich nicht mehr lief, Ärger, dass Porz innerhalb der Liga zum Paria geworden war. Diesen Zustand hat er mit dem Rückzug beendet.

Ein Störenfried und ein ungeliebter Spielort sind weg. Dass Mülheim-Nord drinbleibt, wird allgemein als Bereicherung für die Bundesliga gesehen. Und so betrachtet ist es doch ein Monat der positiven Nachrichten.

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