Wem gehört eine Neuerung?

Topalows 12.Sxf7 gegen Kramnik wird wahrscheinlich als Neuerung des Jahres 2008 in die Annalen eingehen. Dabei war streng genommen erst der nächste Zug des Bulgaren (12...Kxf7 13.e5) eine Neuerung, weil das Springeropfer mit einer anderen Idee (12...Kxf7 13.f4) zuvor schon in zwei Fernpartien (hier mehr darüber), die Toppys Sekundant Tscheparinow bei seiner Analyse nach eigener Aussage nicht kannte, erprobt worden war.

Als Neuerung des Jahres 2007 gilt Gajewskis 10...d5. Der junge Pole gewann vorigen Juli folgende Glanzpartie:

Viktor Kusezow - Grzegorz Gajewski, Pardubice Open 2007
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. O-O Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 d6 8. c3 O-O 9. h3 Sa5

Eine andere Gajewski-Spezialität lautet 9...Tb8!?

10. Lc2 d5!?

gajewski

Also nicht Tschigorins 10...c5 sondern Marshallmotive. Immerhin haben diesen Zug seitdem schon Carlsen, Leko und etwa ein Dutzend weiterer Großmeister erprobt.

11. exd5 e4 12. Sg5 Sxd5 13. Sxe4 f5 14. Sg3 f4 15. Se4 f3 16. d4 fxg2 17. Sg3 Dd6 18. Le4 Lb7 19. Sf5 Txf5 20. Lxf5 Tf8 21. Te6 Txf5 22. Txd6 Lxd6 23. a4 Lg3 24. f3 Lf4 25. axb5 Lxc1 26. Txa5 Sf4 27. De1 Lxf3 28. bxa6 Sxh3+ 29. Kh2 Lf4+ 30. Kxh3 g1S+ 31. Dxg1 Txa5 0-1

Im aktuellen SOS-Band 8 findet sich ein Kapitel darüber, obwohl Varianten, die später als im sechsten oder siebten Zug einsetzen, eigentlich außerhalb des Fokus dieser Eröffnungsreihe liegen. Nun wirbt Chessbase für seine aktuelle Magazinausgabe mit einem frei zugänglichen Beitrag von Lars Schandorff über Gajewskis Neuerung, "mit der Schwarz tolle Erfolge erzielt". Gemach, gemach. In den etwa sechzig Partien in der Onlinedatenbank von Chessbase steht es, wenn ich richtig gezählt habe, plus eins für Weiß. Was ja aus schwarzer Sicht auch noch ganz passabel ist.

Außerdem zeigt die Datenbank, dass Gajewski gar nicht der erste ist, der 10...d5 gespielt hat, sondern ein gewisser Stephen Maltz, vermutlich Amerikaner, tat es bereits 1995 und gewann eine ordentliche Partie - allerdings nicht mit der richtigen Idee, auf 11.exd5 e4 zu erwidern. Dann verzeichnet die Datenbank noch eine Partie Herrera-Hernandez aus dem Jahr 2000, in der aber wohl nur auf die Schnelle 8...d5 statt 8...d6 eingetippt wurde, und die Schlamperei bei diesem vermutlich abgesprochenen 12zügigen Remis zunächst niemand auffiel. Auch ein gewisser Ed Johnson hat um diese Zeit einmal 10...d5 gespielt, aber reiner Zufallstreffer und wie der weitere Verlauf zeigt ohne Sinn und Verstand.

Gajewski gebührt also durchaus die Ehre. Nur vermute ich, dass die Neuerung von 2007 nicht etwa zuhause akribisch vorbereitet war wie Topalows bzw. Tscheparinows 12.Sxf7. Dazu war die Partie in der dritten Runde eines Opens gegen einen nominell klar schwächeren Gegner nicht wichtig genug. Eine wichtige Neuerung hätte er beispielsweise für die Polnische Meisterschaft reserviert. Ich vermute vielmehr, dass der begabte Pole, weil ihm die normalen Tschigorinabspiele zu remisverdächtig erschienen, am Brett improvisiert oder allenfalls eine nur oberflächlich betrachteten Einfall aufgegriffen hat. Weiß jemand mehr darüber?

Nachtrag am 22.März:
Bartosz Socko berichtet, dass Gajewski 10...d5 zwar vorbereitet habe, aber eigentlich nicht so ganz von dem Zug überzeugt ist. In der Partie gegen Kusezow soll er zwischenzeitlich schlecht gestanden sein. Sein 9...Tb8 findet Gajewski selbst stärker und tiefsinniger.

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