Mehr aus der Titelkommission
Ein weiteres Thema in der FIDE-Titelkommission war dieser Tage Sebastian Siebrecht. Voriges Jahr hat der DSB den fertigen Antrag auf seinen GM-Titel gar nicht erst eingebracht (der Schachblog berichtete), weil an einer seiner Normen ein kleiner Makel heftete. Kein Verdacht auf Schiebung, Gott bewahre, sondern dass die Gegner nicht die damals vorgeschriebene Mindestelo von 2381 vorwiesen. Dafür hatte Siebrecht die Norm übererfüllt und nicht nur da. In Dresden trat der Essener, der dort für die Olympiadezeitung schreibt, selbst vor die Kommission. Mit Erfolg, wie der Schachblogger von einem Kommissionsmitglied erfuhr. In ein paar Tagen ist sein Titel offiziell. Dann kann er endlich entfesselt aufspielen. Zeig´s uns, Sebi!
schachblogger - 22. Nov, 15:33
Also eine Lex Siebrecht??
Längst entwertet
Inzwischen ist das Titelsystem weitgehend an das ebenfalls aus dem Ruder gelaufene, mit schachlicher Fähigkeit wenig korrelierte Elo-System angebunden.
Nimmt man die ersten offiziellen FIDE-GMs von 1950 zum Maßstab -
Ossip Bernstein, Isaak Boleslawski, Igor Bondarewski, Michail Botwinnik, David Bronstein, Oldřich Duras, Max Euwe, Reuben Fine, Salo Flohr, Ernst Grünfeld, Paul Keres, Boris Kostić, Alexander Kotow, Grigori Löwenfisch, Andor Lilienthal, Géza Maróczy, Jacques Mieses, Miguel Najdorf, Wjatscheslaw Ragosin, Samuel Reshevsky, Akiba Rubinstein, Friedrich Sämisch, Wassili Smyslow, Gideon Ståhlberg, László Szabó, Savielly Tartakower und Milan Vidmar
- so ließen sich durchaus "harte" Kriterien formulieren, die auch einen lebenslangen Titel rechtfertigen. (Etwa, (Ex-)Weltmeister, -Kandidaten + Spieler, die bei 2-3 mehrheitlich mit Weltmeistern+Kandidaten besetzten Turnieren vorne gelandet sind.)
Dies setzt natürlich ein funktionierendes WM-System voraus, und die Schachwelt müsste akzeptieren wollen, dass es halt nur eine zweistellige Zahl von Spielern gibt, die den Titel wirklich verdienen (übrigens auch mit der Implikation, dass nur diese wirklich vom Schach leben können sollten - der große Rest der Auswendiglerner, Computeranalysenkopierer und Gegneraussitzer, die den GM-Titel tragen, scheinen mir das Schach nicht merklich voranzubringen).
Dann würde man sich auch daran gewöhnen, dass viele der ephemeren Kurz-Top20-Stars eben nur Sternschnuppen sind, die es gar nicht zum GM-Titel schaffen.
Gefordert sind in jedem Fall die Ausrichter - beim augenblicklichen System sollten sie sich von Pseudotiteln nicht blenden lassen und keine Sonderkonditionen gewähren, beim "elitären" System müssten sie die Teilnahme von 40% Nicht-Etablierten sichern, damit nicht wieder ein abgeschlossener Zirkel entsteht. Beides scheint derzeit illusorisch.