Mittwoch, 19. Juli 2006

Last Minute Wien

Es ist vielleicht das schönste Open Europas - in einer der schönsten Städte Europas in einem der schönsten Säle, die Wien zu bieten hat. Übernächsten Samstag, den 29.Juli beginnt das Wiener Open - und es droht ein Fiasko.

Heute, zehn Tage vor der ersten Runde, waren laut Wiener Zeitung-Server erst 63 Spieler für das A-Open registriert. In der B-Gruppe lagen die Anmeldungen noch niedriger. Am Preisfonds kann es nicht liegen, der ist sehr ordentlich und soweit ich verstanden habe unabhängig von der Teilnehmerzahl garantiert. Auch für Wiener Verhältnisse preisgünstige Unterbringungen werden auf der Turnierseite angeboten. Und die Werbung hat immerhin schon vor knapp einem Jahr eingesetzt. In den Berichten über das von Großmeisterturnier in der Kunsthalle Wien (das ich organisiert habe) wurde der geplante Termin bereits bekannt gemacht.

Von da an ging der veranstaltende Wiener Schachverband allerdings auf Tauchstation. Über Monate hieß es, die Ausschreibung folge in Kürze. Die Funktionäre wollten warten, bis sie sich mit ihrem "Sponsor" geeinigt hätten - und wurden hingehalten. Irgendwann im April war es dann soweit. Anstatt wegen der nur noch gut drei Monate, die bis Turnierbeginn blieben, beherzt einige Anzeigen in Schachzeitschriften zu schalten, vertraute man, dass sich das schönste Open Europas von selbst herumsprach.

Mehr als Tausend Schachspieler verbringen diese Wochen in Provinzstädten wie Biel oder Pardubice. Immerhin fast 250 waren kürzlich in Oberwart dabei, einem burgenländischen Kaff, in dem es im Juli oft unerträglich heiß wird und wo sich die Freizeitangebote auf ein Freibad, einige Kaschemmen und eine hohe Bordelldichte beschränkt. Amsterdam, wo derzeit ein Open stattfindet, hat als Stadt sicher viel zu bieten, doch gespielt wird dort in einer öden Vorstadthalle.

Genug lamentiert. Jetzt gilt es: weitersagen! Fragen Sie Ihre Schachfreunde, was sie zwischen dem 29.Juli und 6.August vorhaben. Werfen Sie Ihre Pläne um! Kommen und spielen Sie in Wien! Anmelden können Sie sich bei Manfred.Prager@wavenet.at. Und Hilfe bei der Unterkunftssuche gibt es notfalls von mir (messelwitz2000@yahoo.de).

Tod eines Refuseniks

Kennen gelernt habe ich Alexander Wojtkiewicz im April 1988 in Warschau. Es herrschte noch die Kommunistische Partei, und der erste Preis in dem offenen Turnier lag in der Größenordnung von 300 oder 400 Euro. Alex war 25 und elolos, doch sein Spiel ließ keinen Zweifel, dass er binnen kurzer Zeit Großmeister würde: Er gewann das Turnier vor zwei Dutzend Titelträgern mit Vorsprung.

Alex war erst kurz zuvor aus dem damals noch sowjetischen Lettland nach Polen übersiedelt, wo er Verwandte hatte. Er trug ein Foto bei sich, das ihn mit kahl geschorenem Kopf zeigte. In gebrochenem Englisch erklärte er mir, dass er sich in der UdSSR jahrelang versteckt hatte, um nicht zur Armee eingezogen zu werden. Selbst bei Schachturnieren ließ er sich vorsorglich nicht mehr blicken. Schließlich wurde er doch erwischt und ging in den Knast. Dass er nach gut einem Jahr amnestiert wurde, verdankte er den Entspannungsgipfeln zwischen Gorbatschow und Reagan. Damals hatte er schwerlich eine andere Wahl, als sich als Friedensaktivist auszugeben. Dass er ein Refusenik war, der allein für seine persönliche Freiheit kämpfte, begriff ich später.

Zwei Jahre nach unserer ersten Begegnung rief Alex an. Ob er einige Tage bei mir in Berlin bleiben könne. Es war wenige Monate nach dem Fall der Mauer. Völlig verändert hatte sich auch der Mann. Er trug einen Vollbart, schicke Klamotten und hatte auch seine Schüchternheit abgelegt. Meine Gastfreundschaft betrachtete er als selbstverständlich. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir ein Partiechen geblitzt oder er etwas gezeigt hätte. Wir sahen uns ohnehin kaum in den paar Tagen. Selbst wenn ich erst gegen eins oder zwei zur Uni musste, schlief Alex noch seinen Rausch aus. Die Nächte verbrachte er zwischen dem Schachcafé und dem nahe gelegenen Spielcasino.

Ein paar Jahre später hörte er auf, für Polen zu spielen. Von Andrej Filipowicz hörte ich, dass der Verband alles mögliche für ihn getan, aber wenig zurück bekommen habe. Mit der Übersiedlung Krasenkows verlor Alex seinen Status als polnische Nummer eins. Dafür reiste er quer über den Globus. Auf allen Kontinenten hat er Turniere gespielt - und immer öfter in den USA, die Ende der Neunzigerjahre zu seiner dritten Heimat wurde.

Wojt, wie er nun genannt wurde, war einer der aktivsten und erfolgreichsten Spieler auf dem US-Circuit. In seinen Händen war 1.Sf3 keine harmlose Eröffnung, sondern konnte früh zu scharfen Verwicklungen führen. Mit Schwarz bevorzugte er Najdorf. Seine Klasse im Blitzen deutete an, wie viel weiter er es hätte bringen können, wäre seine Entwicklung nicht mit 19 für einige Jahre unterbrochen worden. 1999 half er Alexander Chalifman, den er wohl von Jugendturnieren kannte, in Las Vegas den Knockout um die FIDE-WM zu gewinnen.

Vor einigen Jahren ließ er sich in Baltimore nieder und trat dem Schachteam der University of Maryland Baltimore County bei. Um in den Genuss eines mit 15 000 Dollar dotierten Stipendiums zu kommen, nahm Alex mit vierzig noch ein Studium auf. Mit drei Großmeisterkollegen gewann er die amerikanische Hochschulmeisterschaften, doch durch schlechte Noten verspielte er sein Stipendium. In den Open verdiente er freilich besser. Allein im ersten Halbjahr 2006 sammelte er sechs erste Plätze, zuletzt beim hoch dotierten World Open in Philadelphia.

Laut Augenzeugen wirkte er gesundheitlich angeschlagen, aber niemand, vielleicht nicht einmal er selbst, rechnete damit, wie ernst es um den 43jährigen stand. Vorigen Freitag ist Alex in Baltimore gestorben - anders als zunächst berichtet nicht an Leberversagen sondern an schweren inneren Blutungen, die bei sofortiger Behandlung gestoppt hätten werden können.

Freitag, 23. Juni 2006

Krise, welche Krise?

"Bundesliga am Scheideweg" heißt es irreführend auf der Website der höchsten deutschen Spielklasse vor der am Wochenende anstehenden Kasseler Tagung der Liga. Acht Thesen von Gerald Hertneck sind nachzulesen, in denen die Vereine warnt, den größten Fehler in der Geschichte der Liga zu begehen. Weil die Einwände des Münchner Großmeisters kaum die behauptete Berechtigung haben und vor allem, weil sie den Vereinen bereits bekannt waren, hätte ich - und ich war mal Redakteur der Website - sie nicht auf dieser Seite veröffentlicht.

Nun ist der Eindruck entstanden, dass die Liga geteilter Meinung über ihre Zukunft ist. Dass sich ein Graben zwischen jenen Vereinen zieht, die die Eigenständigkeit vom Deutschen Schachbund (DSB) wünschen, und jenen, die alles beim Alten belassen wollen. Umstritten ist aber nicht, dass die Liga ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen will, sondern nur noch der konkrete Fahrplan dorthin.

Wofür soll die Eigenständigkeit der Bundesliga dienen? Sie würde der stärksten Schachliga der Welt erlauben, sich als Ganzes zu vermarkten. Aber auch die Spieltermine selbst festzulegen. Den Einsatz aus dem Ausland anreisender Spieler (den der DSB aus Angst vor einer Klage aufrecht erhält) auf ein der Entwicklung der Vereine und des deutschen Schachs nützliches Maß einzugrenzen. Oder andere vernünftige Änderungen an der Spielordnung (Zeitmodus mit 30-Sekunden-Bonus, der das in der letzten Saison verstärkt aufgetretene Über-die-Zeit-Heben verhindert, verhältnismäßige Sanktion gegen von Spielern mitgeführte und irrtümlich eingeschaltete Mobiltelefone...) einzuführen.

Die obersten Ligen in Österreich, der Schweiz, Frankreich oder der Niederlande werden von den betreffenden Verbänden gemanagt und haben nicht einmal eine eigene Plattform im Internet. Dagegen ist die britische "Four Nations Chess League" unabhängig und kommuniziert und vermarktet sich selbst - allerdings mit begrenztem Erfolg.

Die deutsche Bundesliga bewegt sich zwischen Verbands- und Eigenbestimmung. Der DSB hat auch signalisiert, dass er sich mittlerweile mit der Eigenständigkeit anfreunden kann. Was die Sache kompliziert macht, ist, dass der Ligasprecher Christian Zickelbein erst alle durch die Eigenständigkeit entstehenden Fragen mit dem DSB geklärt haben will, bevor der Bundesliga e.V. tatsächlich gegründet wird. Und so steht in Kassel nicht etwa eine Grundsatzentscheidung Eigenständigkeit oder nicht (der wurde von den Vereinen bereits ohne Gegenstimme zugestimmt) an sondern nur eine Aussprache über Detailprobleme und Satzungsentwurf sowie ein Votum, in dem Zickelbein freie Hand zur Verhandlung mit dem DSB kriegen will.

Was es noch komplizierter erscheinen lässt, ist, dass bereits ein GmbH-Entwurf vorliegt für eine zu gründende Firma. Hertneck weist - und in diesem einen Punkt zurecht - auf die Gründungs- und laufenden Kosten einer GmbH hin (auch wenn er sie zu hoch ansetzt). Denn den Punkt, an dem die Rechtsform des eingetragenen Vereins nicht ausreicht, die Verträge zu schließen, hat die Schachbundesliga nicht erreicht. Und zwar längst nicht erreicht. Wenn es die Situation aber eines Tages erfordert, macht es Sinn, den Gesellschaftervertrag fertig aus der Schublade ziehen und durch eine E-Mail-Abstimmung der Vereinsmitglieder beschließen zu können.

So bezeichnen Hertnecks Thesen am Ende weniger Uneinigkeit der Liga, als dass die Diskussion nicht dann einsetzt, wenn alles auf dem Tisch liegt (den Fahrplan zur Eigenständigkeit kennen die Vereine seit einem Jahr, die Satzungsentwürfe seit mehreren Monaten) sondern erst, wenn vermeintlich Entscheidungen anstehen.

Freitag, 16. Juni 2006

Aljechin lebt

Nicht der Mann sondern die nach ihm benannte Verteidigung ist gemeint. Bei der Internationalen Hamburger Einzelmeisterschaft hatte ich in zwei Partien Gelegenheit, das nachzuweisen. Zunächst in der dritten Runde gegen den polnischen Großmeister Piotr Bobras:

Bobras - Löffler
1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.Sf3 dxe5 5.Sxe5 c6
Dieser Zug ist der Hauptgrund, warum Aljechin wieder spielbar ist. Eine wichtige Pointe ist 6.c4 Sb4! 7.Le3 Lf5 bzw. 7.a3? Dxd4 dankeschön.
6.Le2 Lf5 7.0–0 Sd7 8.Sf3 h6
Warum nicht 8...e6? Wegen 9.c4 Sb4 10.a3 Sc2 11.Ta2 (Vogt-Löffler, österreichische Staatsliga 2001) und 11...Sxd4 12.Dxd4 Lxb1 13.Lg5 wäre nun schon ziemlich erbärmlich für Schwarz. Nach 8...h6 dagegen kann 9.c4 Sb4 10.Sc3 Sc2 11.Tb1 Sb4 12.Ta1 Sc2 zur Zugwiederholung führen.
9.a3
Hier fiel mir ein, dass ich gegen Bobras´ Landsmann Jacek Gdanski bei der EM 2005 in Zegrze nach 9...e6 10.c4 S5f6 11.Lf4! Probleme bekam. Dummerweise hatte ich mich seitdem weder mit der Partie nocht mit der Eröffnung beschäftigt. Ich musste also improvisieren. Wie wäre es damit, Lf4 zu verhindern und vielmehr selbst Sf4 mit Gewinn des Läuferpaars zu drohen?
9...Dc7! N
bobr2
Ich rechnete vor allem mit 10.Te1, worauf ich bescheiden 10...Le7 11.c4 S5f6 plante.
10.c4!? Sf4 11.Lxf4 Dxf4 12.Sc3 g5
Ein energischer Zug, der mitunter g5-g4 ins Spiel bringt und die aggressive Entwicklung des Läufers nach g7 ermöglicht, ohne den weißfeldrigen Kollegen um eine Rückzugsdiagonale zu bringen. Ich begleitete den Zug mit einem Remisgebot, denn ich war etwas nervös, weil ich für den Abend noch einen Beitrag fürs Deutschlandradio über die vermaledeite Wiederwahl Iljumschinows machen musste und nicht wusste, ob für die 19.10-Sendung sein sollte (mit Turnierleiter Kohlstädt war abgesprochen, dass ich notfalls während der Partie zehn Minuten unterbrechen und ans Telefon durfte) bis zur 22.50 Sendung (die wurde es). Bobras lehnte ab, denn er glaubte, einen Trick zu haben:
13.Se5 Sxe5 14.g3 Lc2
Das hatte er völlig übersehen. Nach 14...Sf3+ 15.Lxf3 hätte er in der Tat ein gewisses Plus gehabt. Dass Schwarz nun nach 15.gxf4 Lxd1 15.fxe5 Lxe2 16.Sxe2 c5 Ausgleich hat, rechtfertigt aber noch nicht das folgende dubiose Bauernopfer:
15.Dxc2? Dxd4 16.Tad1 Db6 17.c5 Dc7
17...Dxc5? 18.Sd5 Dxc2?? 19.Sc7 matt - das hätte er wohl gerne.
18.f4 gxf4 19.gxf4 Sd7 20.Kh1 Lg7 21.Se4 0–0–0 22.Lh5 Thf8 23.b4
Nun bot Bobras remis. Seinem Lächeln dabei war anzumerken, dass er sich sofort dafür schämte.
23...Kb8 24.Dc4 f5 25.Sg3 Sf6 26.Txd8+ Dxd8 27.Td1 Sd5 28.b5 Dc7
Die Ausrede hatte er wohl übersehen. Schwarz steht auf Gewinn.
29.Tb1 Sc3 30.b6 axb6 31.cxb6 Dd6 32.Tb3 Dd5+ 33.Dxd5 cxd5 34.Se2 d4 35.Sc1 Tf6 36.Sd3 Te6 37.Kg2 Te3 38.Sc5 d3 39.Kf2 Th3 40.Sd7+ Kc8 0–1

Leider war meine Chancenverwertung in den vier folgenden Runden ziemlich mies. Aus vier passablen bis gewonnenen Stellungen holte ich nur drei Remis. Mit etwas Glück gewann ich in der vorletzten Runde und konnte mir mit einem Schwarzsieg zum Abschluss ausrechnen, auf den geteilten ersten Platz (und Platz zwei oder drei nach Buchholz) vorzustoßen. Obwohl mein Gegner Michail Saltajew keiner ist, der oft verliert, wollte ich kämpfen. Und unsere einzige vorige Begegnung hatte ich gewonnen - mit Aljechin!

Saltajew - Löffler
1.e4 Sf6
In Runde fünf variierte ich mit Sizilianisch, in Runde sieben mit Russisch, aber nur Aljechin kann ich richtig.
2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.c4 Sb6 5.exd6 cxd6
Voriges Mal, beim GM-Turnier ins Lasker´s Schachladen 2000 in Berlin, hatte ich 5...exd6 6.Sc3 Le7 7.h3 0-0 8.Sf3 c5! gespielt - der Zug ist übrigens noch ein Grund, warum Aljechin wieder spielbar ist.
6.Sc3 e5
Diesen noch fast nie gespielten Zug wollte ich einige Runden zuvor nicht gegen Landa verschwenden, denn der hat schon einige Erfahrung mit der Stellung nach 7.d5 nämlich in der Zugfolge 6.d5!? (verhindert 6...g6 wegen 7.Dd4) 6...e5 7.Sc3. Neben 7.d5 hat Weiß die Möglichkeiten 7.dxe5, 7.Le3 und eben 7.Sf3, was am unangenehmsten aussieht, bis man eine Gambitidee entdeckt:
7.Sf3 Lg4!N
Oder findet den noch jemand in seiner Datenbank?
salt1
8.dxe5 Sc6
Schon nach meinem sechsten Zug dachte Saltajew einige Zeit nach, und noch länger hier. 9.exd6 Lxd6 schien ihm wegen der guten schwarzen Entwicklung zuwider. Doch sein nächster Zug sieht nicht besser aus.
9.h3 Lxf3 10.Dxf3 dxe5 11.Le3
Wenigstens 11.Dg3 sollte er versuchen. Ich rechnete bereits an 11...Lb4!? 12.Dxg7 Dd4 13.Dxd8+ Kd7 14.Dh7 Lxc3+ herum, ohne allerdings das von Saltajew später in der Analyse gezeigte 13.Ld2 0-0-0 14.Dg4+! zu würdigen.
11...Lb4 12.Td1 De7
Auch 12...Lxc3+ 13.bxc3 kommt in Frage.
13.Lxb6 axb6 14.a3 Sd4 15.Dd3 Lxc3+ 16.Dxc3 0-0 17.Ld3 Tad8
17...e4 18.Dxd4 exd3 19.De3 Tfe8 20.0-0 Dxe3 21.fxe3 Txe3 22.Td2 führt zu einem Doppelturmendspiel, das Weiß ohne größere Probleme remis halten sollte.
18.0-0 e4 19.Tfe1 Sf3+
Ich träumte von einem Vorteil, doch das reicht nur zu remis. Gute Angriffschancen sichert dagegen 19...f5 (denn 20.Lxe4?? erlaubt 20...Se2+).
20.gxf3 Dg5+ 21.Kh2!
Viel besser als 21.Kh1 (oder 21.Kf1) 21...exd3 22.Txd3 Df5. Hier soll Landa, der Buchholzbeste der führenden Fünfergruppe, hier auf unser Brett geschaut haben und angesichts der Tatsache, dass ich ein Remis durch Zugwiederholung hatte, wonach Saltajew nicht an ihm vorbeiziehen konnte, mit einem Remisgebot an Bobras zurück an sein Brett gekehrt sein. Was Landa nicht beachtete, war, dass ich mit einem Remis nur Siebter, mit einem Sieg aber mindestens Dritter würde. Weshalb ich weiterkämpfte.
21...Df4+ 22.Kg1 exd3 23.Txd3 h6 24.Te4 Df5?!
Hier beginne ich zu überziehen. Natürlich ist das Turmendspiel nach 24...Txd3 25.Txf4 (25.Dxd3? Dc1+) 25...Txc3 26.bxc3 Ta8 27.Td4 Txa3 28.Td8+ Kh7 29.Td7 Txc3 30.Txb7 Txc4 31.Txb6 remis, aber mehr ist angesichts der zentralisierten Schwerfiguren von Weiß (und dessen Mehrbauer) nicht drin.
25.Kg2 Dg6+ 26.Kh2 Kh7 27.Td5! Txd5 28.exd5 Td8 29.De5 f6 30.De7
Das hatte ich einige Züge zuvor übersehen, nach 30.De6 Dh5 wäre bei Schwarz alles in Butter. Nun kriegt entsteht ein kaum haltbares Damenendspiel:
30...Txd5 31.Tg4 Tg5 32.Dxb7 f5 33.Txg5 hxg5 34.Dd5
Die weiße Dame steht fantastisch.
34...Df6 35.b4 g6 36.Kg2 Kh6 37.a4 Dc3 38.Dd6 Db3 39.Df8+ Kh7 40.De7+ Kh6
40...Kg8 wäre etwas zäher.
41.h4!
Pointe 41...gxh4 42.De3+ und der a-Bauer läuft durch.
41...Dxa4 42.hxg5+ Kh5 43.Kg3! 1-0

Vor einigen Jahren war mal ein Buch über die Aljechin-Verteidigung von mir angekündigt. Dass sich der Verleger zu einem guten Freund von mir nicht korrekt verhielt, habe ich zum Anlass genommen, es sein zu lassen. Rechnen tut sich ein deutschsprachiges Eröffnungsbuch für den Autor leider ohnehin nicht. Inzwischen sind auf Englisch zwei Bücher über die Aljechin-Verteidigung erschienen und auf Deutsch eine CD von Thomas Luther. 5...c6 kommt in allen vor, auch wenn es nicht unbedingt ausreichend gewürdigt wird als Uminterpretation Aljechins in eine supersolide Verteidigung. Jedenfalls sollte sich nun ohnehin erst wieder einiges entwickeln, bevor ein weiterer Titel dazu kommt.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Dass hier während meiner Teilnahme an der IHEM und den darauf folgenden Tagen nichts von mir zu lesen war, lag nicht an intensiven Partievorbereitungen sondern daran, dass ich eine Übersetzung und einige Artikel fertig kriegen musste. Schön wäre freilich, wenn auch das Bloggen mal zu honorierten Aufträgen führt...

Samstag, 10. Juni 2006

Mit den Waffeln einer Frau

(Gastbeitrag von Evi Zickelbein) Von der Olympiade aus Turin reiste Schachblogger Stefan Löffler zur Internationalen Hamburger Einzelmeisterschaft ins HSK-Schachzentrum an. Die Reise war knapp getimed und deshalb half ihm die Mail an eine alte Freundin aus Hamburger Schachtagen über das lange Wochenende der Pfingsttage:

„Torino chiama Amburgo
leckeres, dunkles Brot (nicht zu groß)
Liter Vollmilch
Pfund Tomaten
Pfund Gemüse (Zucchini, Aubergine oder Paprika)
1 Salat (Kopf, Rucola oder Feldsalat)
Pfund Joghurt natur
Pfund Obst (reife Bananen oder Äpfel)
(Menge darf außer beim Brot immer auch mehr sein...)
Im Tausch gibt's italienischen Käse oder mal Antipasti a la Stefano.“

Bei einem Besuch auf dem Markt vor der ersten Runde am Samstag, 03. Juni, fiel diese Einkaufsliste natürlich für Stefan ab, der dann das Wochenende im WG-Zimmer im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel überleben konnte…

Die Internationale Hamburger Einzelmeisterschaft (hier geht´s zu Tabelle, Resultaten und Partien) ist eine der stärksten Landesmeisterschaften in Deutschland. Alljährlich wird sie als Großmeisterturnier um Pfingsten ausgetragen und bietet neben einem starken Teilnehmerfeld vor allen Dingen eine familiäre Atmosphäre, die viele Groß- und Internationale Meister neben den Hamburger Spielern inzwischen seit vielen Jahren zu schätzen wissen.

Alles rankt sich bei der „IHEM“, wie das Turnier liebevoll genannt wird (die Berichterstattung im Internet und die Pressearbeit ist auch das einzige, das noch etwas verbessert werden könnte), um die Familie Kohlstädt: Turnierleitergott und Schiedsrichter Jürgen Kohlstädt organisiert das Turnier im Vorfeld und während der Pfingstwoche. Er wird unterstützt von den Hamburger Schiedsrichtern Hugo Schulz und Michael Voss, die eine professionelle Ausrichtung garantieren.

Doch die Seele des Turniers ist Edda Kohlstädt, Jürgens Frau. Allmorgendlich backt sie mehrere Kuchen und Torten, mit denen sie Teilnehmer als auch Zuschauer erfreut. Außerdem kocht sie noch ein leckeres Abendessen und steht in der Küche für einen netten Schnack bereit. Die Besonderheiten der Schachszene und die zum Teil skurilen Typen können sie schon seit langem nicht mehr schocken.

Während des Turniers ist mir eine nette Szene aufgefallen, die einen Eintrag wert ist: Acht bis zehn „Chessnerds“ saßen gegen 22 Uhr noch in der Cafeteria des HSK Schachzentrums um zu analysieren, zu blitzen und Bier zu trinken. Plötzlich kam Edda und stellte einen Teller mit lecker duftenden frischen Waffeln und Puderzucker vor die Nerds, die natürlich in sekundenschnelle dankbare Abnehmer fanden. Am besten aber der spontane Kommentar vom Hamburger Urgestein Christoph Engelbert: „Edda, wieder mal mit den Waffeln einer Frau!" Eva Maria Zickelbein

Montag, 5. Juni 2006

Take the money...

...but vote for us, lautete die Parole, unter der Koks Anhänger trotz der wenig ermutigenden Unterstützerzählung auf den Websites des Amtsinhabers und des Herausforderers bis zum Wahlgang durchhielten. Das deutliche Resultat von 96:54 Länderstimmen zugunsten Iljumschinows lässt sich aber nicht durch ein paar gekaufte Delegierte erklären. Für Koks Scheitern bei der FIDE-Wahl sind viele Gründe genannt worden. Hier eine Auswahl:

Dass Kok von den meisten Profis unterstützt wurden, dieser aus Sicht vieler Funtionäre arroganten Bagage.
Dass Kok von England, den USA, Spanien, Frankreich, der Niederlande, Deutschland unterstützt wurde, den Kolonialmächten, die die Welt geknechtet haben oder (im Fall der USA) immer noch knechten.
Dass Kok von den meisten mitgliederstarken Verbänden unterstützt wurde, deren Interessen denen der Mehrzahl der kleinen Länder angeblich entgegenstehen.
Dass Kok seine Kampagne zu spät begonnen hat.
Dass Kok seine Kampagne zu früh begonnen hat.
Dass Kok den kontroversen Nigel Short auf Wahlkampftour geschickt hat statt den allseits
geliebten Yasser Seirawan.
Dass Kok unterstützt wurde von Kasparow, der der FIDE in der Vergangenheit ja meistens Trouble bescherte.
Dass Koks zentrale Aussagen unter einer Vielzahl Konzeptpapiere verschüttet ging.
Dass Koks Website in korrektem Englisch verfasst war statt im Pidgin, in dem praktisch sämtliche Inhalte und Materialien Iljumschinows daher kamen und dass auch von den Delegierten gesprochen und verstanden wird.
Undsoweiter undsofort...

Die Wahrheit ist wohl eher, dass man eine Wahl gegen einen Mann, der so viel eigenes Geld in die Taschen des Verbandes, der einflussreichsten Funktionäre, der Delegierten und auch vieler Profis hat fließen lassen, nicht gewinnen kann. Koks Problem war es, dass er einen Gegner hatte, der zwar inkompetent ist, aber großzügig und großherzig. Beispielsweise Emmanuel Omuku, den Iljumschinow vor Jahren wegen Spesenritterei aus dem FIDE-Sekretariat feuerte, ließ er in Lausanne mit gleichem Gehalt in anderer Funktion weiter für sich arbeiten. In Turin saß Omuku, als wäre nie etwas gewesen, auf einmal wieder auf der Bühne und leitete Teile der Generalversammlung.

Iljumschinows Art, seine Berater auszuwählen und machen zu lassen, auch wenn sie in die eigene Tasche wirtschafteten und auf das Wohl des Schachs pfiffen, war die Achillesverse. Hier hätte Kok ansetzen müssen. Vor allem bei dem Mann, der seit zwanzig Jahren nominell die Nummer zwei in der FIDE ist, aber in Wahrheit, auch schon in den letzten Amtsjahren von Campomanes, der entscheidende Mann: Georgios Makropoulos. Als er 1994 die in Thessaloniki geplante Ausrichtung der Schacholympiade zwei Monate vor dem Termin platzen ließ, wäre seine Karriere in jedem anderen Weltverband zu Ende gewesen. Makro durfte aber noch einen drauf setzen und gewährte sich (ebenso wie Campomanes) eine weder durch Abstimmung noch Statuten gedeckte Abfindungszahlung aus den FIDE-Kassen. Geld kann Makro immer gut gebrauchen, verbringt er doch seine Zeit am liebsten im Spielcasino. Diesen Mann hätte Iljumschinow nie und nimmer rehabilitieren und zu seiner Nummer zwei machen dürfen.

Kok wollte die persönlichen Angriffe weglassen, seine Kampagne sauber halten. An einem Wechsel und an Reformen interessierte Funktionäre und Journalisten hätten die Schmutzarbeit übernehmen müssen, statt nach außen so zu tun, als sei das Schach zwar in der Krise, aber so schlimm sei es ja nicht. Die beste Zeit für die öffentliche Demontage wäre gewesen, lange bevor Kok Kandidat wurde. Einen so guten und ehrenvollen Mann wie ihn wird die FIDE lange nicht mehr kriegen können. Schande über diesen Verband.

Die Tops von Turin

Wladimir Akopjan, der mit fünf Schwarzsiegen wesentlich zum armenischen Goldlauf beitrug (der meine hier abgegebene konservative Russland vs Ukraine-Prognose zunichte machte).

Gabi Sargissjan, der plus sieben für sein siegreiches Mannschaft sammelte.

Lewon Aronjan, der auf viele Sofia-Dollars verzichtete, um sich mit seinem Team vorzubereiten und in Turin von Beginn an dabei zu sein.

Bu Xiangzhi, der lange wenig von sich reden machte, nachdem er mal mit vierzehn zeitweise der bis dahin jüngste Großmeister war, und nun China nach dem WM-Silber von Beersheba zu Olympiasilber in Turin geführt hat.

Wlad Kramnik, an dem es nicht lag, dass Russland auf den sechsten Platz abgestürzt ist, sondern der mit seinem schönen Plus bis auf etwa dreißig Elopunkte an Platz zwei der Weltrangliste herankommt, womit sein Match gegen Topalow auch sportlich vertretbarer zu wirken beginnt, zumal wenn Kramnik im Juli auch in Dortmund mal wieder so abschneidet, wie man es dort bis 2001 von ihm kannte.

Gata Kamsky, der trotz heftiger Theoriemängel am ersten Brett der Amerikaner bestand und zwar nicht nur sportlich sondern auch moralisch, denn er gab mit orangenem Cappy, orangenem Sweater oder orangenem Schlips seine Unterstützung für Kok kund, auch noch, als die Wahl verloren war.

Sergei Karjakin, der im ukrainischen Team als einziger an seine große Leistung von Calvia anknüpfte und einen großen Schritt Richtung 2700 machte.

Etienne Bacrot, der seine einsamen Auftritten als Prügelknabe in Morelia/Linares und Sofia weggesteckt hat.

Magnus Carlsen, der gekämpft hat wie ein Löwe - beeindruckend, wie er gegen Naiditsch mit Minusfigur die Zugwiederholung verschmähte.

David Navara, der bewies, dass man am ersten Brett bestehen kann, ohne auf Remis zu schielen.

Natalja Schukowa, die statt wie in Calvia durch Dreadlocks durch gutes Schach auffiel und die Ukrainerinnen zu Gold führte.

Hou Yifang, die mit ihren zwölf Jahren am dritten Brett der chinesischen Damen (denen in Turin schlicht ein zweites Brett fehlte, um nach ganz vorne zu kommen) mal eben fast siebzig Elopunkte zulegte.

...und die Flops

Vishy Anand, der vor drei Wochen, nach den ersten Runden des Turniers in Sofia etwa fünfzehn Elopunkte vor Topalow und damit klar Kurs Weltranglistenerster lag, und inzwischen, nach seinem saft- und kraftlosen Spiel in Turin, um dreißig Punkte hinter diesem, was, wenn es sich nicht um Anand handelte, nur mit einer heftigen Affäre ("eine neue Frau kostet fünfzig Elopunkte") zu erklären wäre.

Sergei Rubljewski, der es mit seinen drei Niederlagen verdient hat, der Sündenbock der Russen zu sein als späte Strafe für die kleine Nachhilfe, der er vor zwei Jahren bedurfte, um sich für die Dortmunder Schachtage zu qualifizieren, um dort, als kein Geldpreis mehr drin war, (trotz gutem Antrittsgeld) das Publikum zu düpieren.

Andrei Wolokitin stellvertretend für die ukrainischen Männer, unter denen nur das Bürschchen Karjakin (siehe oben) über sich hinaus wuchs, was natürlich längst nicht für eine Medaille, geschweige denn die Wiederholung des Golds von Calvia reichte.

Alexei Schirow, der Wochen nach seinem Sieg im starken Turniers in Poikowski, wieder ein schwaches Resultat eingebaut hat.

Samstag, 3. Juni 2006

Schwarzer Tag

Zehn Gründe, warum der 2.Juni 2006 mich traurig macht.

1. Die Wiederwahl des inkompetenten, chaotischen, mit Ausnahme der gutmütigen Präsidenten käuflichen FIDE-Vorstands, obwohl es eine seriöse Alternative gab.

2. Die viel zu späte Einsicht, dass wir Journalisten statt Bessel Kok zu grillen, besser den seit elf Jahren regierenden Präsidenten Kirsan Iljumschinow und vor allem dessen seit zwanzig Jahren regierenden Stellvertreter, den spielsüchtigen Georgios Makropoulos mit all deren Fehlern konfrontieren hätten sollen, statt es Leuten zu überlassen, die den Namen Journalist nicht verdienen, und Interviews führen, die keine Interviews sind.

3. Dass ich in meinen am Freitag erschienenen Artikeln über Lewon Aronjan und das armenische Herrenteam den deutlichsten und aktuellsten Beleg für den Zusammenhalt dieser Mannschaft nicht geliefert habe, weil ich zu spät davon erfuhr. (Bei der traditionell in der Nacht vor dem letzten spielfreien Tag steigenden Bermuda-Party wurde Aronjan, als er mit der für Australien spielenden Caiolli tanzte, von dem eifersüchtigen (und auch sonst nicht immer ganz zurechnungsfähigen) Danny Gormally mit einem Fausthieb zu Boden geschlagen. Der englische Großmeister flüchtete, wurde aber am folgenden Tag in einem Restaurant von einer ganzen Gruppe Armenier - ohne Aronjan - gestellt und erhielt einen strengen körperlichen Verweis, woraufhin er die Heimreise antrat.)

4. Die Auskunft einer Redaktion, dass zwischen ihrem ungefähr vierhundsiebzigsten bis vierhundertzweiundneunzigsten Vorbericht zur Fußball-WM kein Platz mehr für ein aktuelles Stück von der Schacholympiade sei.

5. Dass ich unter den ach so vielen in Turin akkreditierten Medienvertretern kluge und integre Journalistenkollegen vermisst habe wie Leontxo Garcia, Dirk Poldauf, Christophe Bouton, Hans Ree oder Arvind Aaron (der wegen eines über Monate anhaltenden Missverständnisses der italienischen Veranstalter nicht rechtzeitig ein Einladungsschreiben und daher kein Visum bekam).

7. Die Rückweisung der FIDE-Qualifikationskommission für das Großmeisterturnier, das ich im August voriges Jahr in der Wiener Kunsthalle organisiert habe - mit Leichtigkeit das meistbeachtete Einzelturnier des Jahres in Österreich - wegen einer Formalie (über die in diesem Blog noch die Rede sein wird) mit der Folge, dass Arik Brauns fair, verdient und in aller Öffentlichkeit erspielte Großmeisternorm wahrscheinlich die Anerkennung verweigert werden wird.

8. Der mysteriöserweise leere Akku meiner Kamera, mit der ich die mürben Gesichter der FIDE-Delegierten, die miteinander scherzenden Anand und Kramnik oder dessen bemerkenswerte Paarung mit dem Rückkehrer Kamsky (der ihn 1994 in einem Kandidatenmatch geschlagen hatte) einfangen hätte können.

8. Die Einsicht, dass ich während meiner vier Nächte und drei Tage in Turin nicht mehr als eine halbe Stunde hatte, um mehr von der Stadt zu sehen, als an der Strecke zwischen meinem Quartier und dem Oval Lingotto lag.

9. Dass sich das interessanteste Gespräch des Tages um die im Schach herrschende Bigotterie drehte und ob man den kleinen Betrügern überhaupt einen Vorwurf machen dürfe.

10. Die zwei Dutzend Namen von Leuten auf meinem Notizblock, die ich vor meiner Abreise Turin eigentlich noch hatte sprechen wollen.

Donnerstag, 1. Juni 2006

Schach und Fleisch

In der zehnten Runde war es so weit: Der hohe Favorit traf auf den Sieger der vorigen Schacholympiade. Das Gipfeltreffen Russland - Ukraine fand jedoch nicht, wie man es erwartet hätte, an den Spitzenbrettern statt sondern an Tisch drei. Im ukrainischen Team knüpft nur Karjakin an seine Leistungen von Calvia 2004 an. Die Russen schlagen sich etwas besser, doch keiner außer Kramnik (nach seiner langwierigen Athritisbehandlung und achtmonatigen Zwangspause), zeigt sich in ansprechender Form. Mit dem 3:1 hat Russland eine Chance gewahrt, in den letzten drei Runden bis Sonntag die nunmehr zweieinhalb Punkte Rückstand auf Armenien wettzumachen.

Die Spitzenbretter sind seit Tagen fest in der Hand der Armenier. Außer dem 2:2 gegen Russland in der fünften Runde haben sie alle Kämpfe gewonnen. Ihr Verbandspräsident ist kein Geringerer als der Verteidigungsminister. Nationalspieler beziehen ein festes Gehalt. Dass sie in der Mannschaft besser abschneiden als in Einzelturnieren, weiß man seit ihren dritten Plätzen bei den Schacholympiaden 2002 und 2004.

"Unser Teamgeist ist besser denn je", schwärmt Smbat Lputjan. Länger und intensiver als jedes andere Team haben sich die Armenier auf Turin vorbereitet. Zwei Wochen waren die sechs Großmeister zusammen mit ihren Trainern in der Nähe von Jerewan kaserniert. "Keine Frauen, kein Alkohol, nur Schach und Fleisch, Schach und Fleisch", schilderte mir Gabriel Sargissjan (der in der Bundesliga für Wattenscheid spielt) das Programm. Lewon Aronjan stellte es anders dar: "Ich war zu krank, um ernsthaft zu analysieren. Wir haben nur ein wenig Tischtennis und Basketball gespielt. Sonst ist wenig passiert." Er winkt freilich stets ab, wenn die Sprache aufs Training kommt. Einen fauleren Großmeister als ihn hat die Welt noch nicht gesehen - jedenfalls wenn man ihm Glauben schenken mag.

"Ich bin nicht der einzige, der traurig ist, dass Lewon nicht mehr bei uns lebt", sagte Smbat Lputjan. Um so glücklicher sei er, wenn Aronjan seine Heimat und dann stets die von Lputjan aufgebaute Schachschule besucht: "Die Kinder lieben Lewon. Er ist immer zu Späßen aufgelegt." Das gilt auch im Oval Lingotto. Kaum hatte Aronjan gegen Bu gezogen, sprang er auf, ging schauen, wie es an den Brettern der Konkurrenten stand, oder hakte sich mit einem Scherzchen auf den Lippen bei einem Kollegen unter. Zum Kampf gegen China kam er in einem Sweater mit chinesischen Schriftzeichen - auch so ein Späßchen.

Siegen mit Navara

David Navara hat etwas Kindliches an sich. Ein Außenstehender könnte den schmächtigen Tschechen mit dem dünnen Flaum im Gesicht leicht für jünger halten als, sagen wir, Hou Yifan. Dabei ist die Topscorerin der chinesischen Damen Jahrgang 1994 und Navara Jahrgang 1985. Kindlich naiv war seine Reaktion, als sich ihm Alexander Beljawski in der zehnten Runde geschlagen gab. Navara teilte nämlich mit, dass die Partie sehr schwach gewesen war. Als ob der für Slowenien spielende Ukrainer das nicht selbst gewusst und mit seinem leeren Blick quasi auch schon gesagt gehabt hätte.

Navara ist bei der Schacholympiade in Turin Punktbester an Brett eins - zumindest unter den besseren Teams. Dabei hat er noch keine Partie remis gespielt, zweimal verloren, aber siebenmal gewonnen. Damit trägt er maßgeblich zum bisher hervorragenden Abschneiden der Tschechen bei, die mit einem 3,5:0,5 gegen Slowenien vor den letzten drei Runden auf den mit Russland geteilten dritten Platz im Zwischenklassement vorgerückt sind.

Im Team spiele er besser, sagte er mir. Acht seiner neun besten Resultate habe er in Teamwettbewerben erzielt. Darum ist es eigentlich verwunderlich, dass der Prager nicht früher bei einem deutschen Verein untergekommen ist. Vor der vorigen Saison habe er acht Bundesligisten angeschrieben. Ein einziger habe geantwortet, und das negativ. Diese Saison konnte er dafür wählen. Weil Bindlach näher bei Prag liegt, er dort mit Slowaken praktisch Landsleute im Team hat und auch nicht um den Abstieg fürchten muss, fiel die Entscheidung für die Franken. Allerdings wird er dort - anders als bei einem Verein, den er nicht nennen will - nicht am ersten Brett sondern hinter dem wenige Monate jüngeren Naiditsch sitzen, den er in Kürze um dreißig bis vierzig Elopunkte überholen wird.

Etwas Deutsch kann Navara. Allerdings habe er das Sprachenlernen ziemlich vernachlässigt, meint er. Ob er Profi ist? Er würde lieber Halbprofi sagen, denn er studiert an der Philosophischen Fakultät Logik und besucht fast alle Lehrveranstaltungen, obwohl für Schach letztlich mehr Zeit und Kraft draufgehe. Wo seine Schwächen liegen? Davon habe er jede Menge. Arbeitsbedarf sieht er vor allem, auch wenn das nicht wirklich seine schwache Seite sei, in den Eröffnungen. Zum Beispiel gegen Peter Swidler sei er nach der Eröffnung etwas schlechter gestanden. Wo sein Fehler lag, ahne er bereits. Wo Swidler falsch gespielt hat, müsse er erst noch analysieren. Gewonnen hat diese Partie nämlich Navara.

Dienstag, 30. Mai 2006

Nicht versumpfen

Fast täglich widmet Kasparow ein, zwei Stunden dem Schach. "Partien durchsehen, analysieren, Schachnachrichten lesen - das hilft mir, meinen Kopf frisch zu halten." Er wolle nämlich nicht in seinen politischen Schlachten versumpfen, erklärte er mir, als ich ihn während seines kürzlichen Wien-Aufenthalts interviewte. Obwohl ihn die Oppositionsarbeit gegen Putin im Vorfeld des St. Petersburger G8-Gipfels im Juli besonders auf Trab hält, darf man davon ausgehen, dass Kasparow die Schacholympiade in Turin genau verfolgt.

Für die FIDE-Wahl prognostizierte er einen knappen Sieg Iljumschinows. Der bessere Kandidat sei aber Kok. Als ihn der Herausforderer vor einigen Monaten anrief, habe er ihm Glück gewünscht, aber auch klar gemacht, "dass ich mich, solange ich gegen Putin kämpfe, nicht im Schach engagieren kann. Das wäre nicht fair gegenüber meinen Anhängern in Russland, die mich dort brauchen."

Ich fragte Kasparow, ob er Parallelen sah zur FIDE-Wahl vor zwanzig Jahren, als er sich gegen Iljumschinows Vorgänger Campomanes engagierte. "1986 wurde die Opposition gegen Campomanes von den Großmeistern angeführt. Heute ist es umgekehrt. Die meisten Großmeister scheinen für Iljumschinow zu sein. Wie viele Topleute unterstützen offen Kok? Vielleicht sind einige kritisch gegenüber Iljumschinow, aber sie sagen es nicht. Ihnen ist egal, wo er das Geld auftreibt, Hauptsache, das Geld ist da. Aus Sicht der Profis kann ich verstehen, dass sie keinen Wechsel wollen. Bei den Schachverbänden hat Kok mehr Unterstützung. Aus der FIDE kommt viel mehr Kritik an Iljumschinow als 1986 an Campomanes."

Auf das WM-Match zwischen Topalow und Kramnik angesprochen sagte Kasparow, die Weltmeisterfrage sei für ihn nach Topalows überzeugendem Sieg bei der FIDE-WM in San Luis geklärt gewesen. Der Vereinigungstitelkampf überzeugt ihn nicht: "Wahrscheinlich sollte man die Vereinigung des Titels nicht kritisieren, aber zugleich fragt man sich, wo Kramniks Berechtigung liegt. Sein großes Resultat ist fast sechs Jahre her. Nun wird er an Anand und den anderen vorbeigewinkt. Dieses Match wird nicht alle Probleme aus der Welt schaffen. Wenn ich zu entscheiden hätte, wie die WM ausgetragen wird, hätte ich einen Wettkampf zwischen Topalow und Anand organisiert. Das sind die beiden Stärksten, das wäre das spannendere Match."

Wir sprachen noch über Kramnik, über den Nutzen des Schachs für seine politische Arbeit und über sein im August bevorstehendes erstes Turnier, seit er seine Profikarriere beendet hat. Das volle Interview und eine subjektive Chronik von Kasparows Wien-Aufenthalt erscheinen in der Juni-Ausgabe von Schach.

PS: Schachblogger ist nach einigen Tagen Urlaub an norditalienischen Seen und Bergen (ohne Internetcafes) in Turin eingetroffen. Sorry wegen der vielen eintraglosen Tage...

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