Donnerstag, 25. Mai 2006

Das Blechkistenrennen

Die Computerschach-WM beginnt an diesem Donnerstag abend in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schacholympiade. Es gibt einige Menge Schach- und Computerfreaks, die das Blechkistenrennen erheblich mehr interessiert als das Nationenturnier. Was sind schon schnöde menschliche Schwächen gegen die faszinierenden Irrtümer der künstlichen Intelligenz? Und während die Menschen gewöhnlich unter dem Namen antreten, mit dem sie geboren wurden, kann man sich schon als Insider ausweisen, wenn man weiß, hinter welchem Computernamen welches kommerzielle Produkt oder welcher Programmierer steckt. Ich jedenfalls konnte von den zwanzig angemeldeten Programmen nicht einmal die Hälfte zuordnen oder erraten.

Sie heißen DIEP, Chaturanga, Smash, LION ++ 1.0, Crafty, Shredder, Jonny, Chiron, ETABETA, Uragano3d, Taurus, ParSOS, Telepath, Rajlich, Zappa, Spike, IsiChess MMX, Ikarus, DanaSah FibChess Delfi 4.6 und Junior. Die bekanntesten dürften Shredder und Junior sein. Neben Stefan Meyer Kahlens Shredder erkenne ich zwei weitere Deutsche, nämlich Jonny vom Forchheimer Zweitligaspieler Johannes Zwanziger und IsiChess vom Veteranen Gerhard Isenberg. Hinter Zappa vermute ich den Nachfolger des Überraschungssiegers der WM 2005, Zap!Chess. Favorit des elfrundigen bis Dienstag, den 31.Mai dauernden Schweizer System-Turniers, dürfte Rajlich sein: Der tschechische IM Vas Rajlich ist der Kopf des zuletzt (u.a. auch von Kasparow) hoch gelobten Rybka. Dass er nicht als Rybka antritt, hängt allein daran, dass der kommerzielle Name 250 Euro mehr Startgeld gekostet hätte.

Im Vorfeld der Computer-WM erschien ein nicht uninteressantes Interview mit Mathias Feist, einem der Mitentwickler von Fritz, in dem er allerdings kein Wort darüber verliert, warum das umsatzstärkste Programm in Turin fehlt. Aber eigentlich ist es kein Wunder. Bei der Weiterentwicklung von Fritz wird zurecht auf Positionsspiel und Analysestärke gesetzt. Die besseren Resultate im Computervergleich holen in letzter Zeit allerdings die strategisch unterbelichteten, aber sehr tief suchenden Programme, weshalb Fritz in Turin wohl unter ferner liefen gelandet wäre. Das wiederum wäre Anti-Werbung für den im November anstehenden Bonner Schaukampf gegen Kramnik. Auch so schon ätzt Kasparow (im Interview in der Juni-Ausgabe von "Schach"): "Es ist nicht die stärkste Maschine, es ist nicht der stärkste Spieler. Es ist eine PR-Aktion, für die jemand Geld zahlt."

Warum der mutmaßlich stärkste Computer, Hydra, nicht in Turin ist, lasse ich seinen unvergleichlichen Vater Chrilly Donninger am besten selbst kommentieren: "Bei der Schacholympiade darf Hydra nicht antreten. Oder meinst du die Rahmenveranstaltung dort, auch Computerschach-WM genannt? Interessiert mich und den Boss überhaupt nicht, auf irgendeine schlecht organisierte ICGA-Veranstaltung zu fahren. Wobei nur das Interesse der zweitgenannten Person von praktischer Bedeutung ist. Bin froh, wenn ich nichts zu tun habe mit so Arschgesichtern wie... (zensiert von Schachblogger)...Die Menschheit hat aber Glück: Er ist ein Mensch, der noch nie etwas von Belang zusammengebracht hat und auch nie etwas zusammenbringen wird (Copyright J.H.Donner). Wer gewinnt und warum? Ich weiß nicht wer mitspielt, also habe ich auch keine Ahnung wer gewinnt. Christopher Lutz spielt bei der Olympiade mit. Er wird aber auch nicht Olympiasieger, oder gibt´s dort keinen Olympiasieger, weil Mannschaften spielen? Keine Ahnung, ich weiß auch nicht, wer Feldhandball- oder Kirschenweitspuck-Weltmeister ist. Weiß nur, dass Christopher bis 4. Juni in Turin ist, obwohl er eigentlich schoen langsam seine Raumschach-Oberfläche fertigmachen soll. Verplempert die Zeit mit Schachspielen, anstatt endlich einmal eine ordentliche Arbeit zu machen. Wird schön langsam alt genug dazu."

Mittwoch, 24. Mai 2006

Little China Girl

Gibt´s in China keine Babysitter? Statt in Turin am Brett zu sitzen, hütet Xie Jun ihren Nachwuchs. Seit der Schacholympiade in Calvia im Oktober 2004 hat die nach Judit und Zsuzsa Polgar elobeste Frau keine Turnierpartie mehr gespielt. Na ja, es würde China auch ohne die frühere Weltmeisterin reichen. Dann kann ja die Ende März gekürte neue Titelhalterin, Xu Yuhua, das Spitzenbrett übernehmen. Falsch gedacht. Sie fühlt sich wohl zu schwanger. Okay, okay. Dann eben Zhu Chen, auch schon mal Weltmeisterin gewesen, auch in Turin anwesend - aber nicht im chinesischen Team sondern an der Seite ihres Ehemanns, Al Modiakhi, im Herrenteam von Katar. Da wundert es (zumindest mich) dann auch nicht mehr, dass auch Qin Kanying irgend etwas Wichtigeres vor hatte, als in Turin für das Reich der Mitte zu spielen.

Alles Lamentieren hilft nichts. Die Aufstellungen waren noch nicht bekannt, als ich China in einer Olympiavorschau für den Zürcher Tages-Anzeiger als Topfavorit auf Frauengold bezeichnete. Aber diese Prognose am zweiten Tag der Olympiade ohne Konsultation der Setzliste zu wiederholen, zeugt dann doch vor allem von mangelnder Sorgfalt und purem Desinteresse meinerseits an der Frauenkonkurrenz.

Als ich etwas frustriert nach einem Download der Partien der dritten Runde suchte (um zu sehen, wie es der genesende Kramnik in seiner ersten Turnierpartie seit mehr als acht Monaten dem deutschen Erstbrettdebütanten Naiditsch besorgt hat), schaute ich lustlos nach den Frauenergebnissen. In Runde drei schlägt China Frankreich 2,5:0,5, soweit wie erwartet, bloß warum erkannte ich nur einen dieser Namen, und warum stand da Startnummer sechs?

Zhao Xue war, wenn ich mich recht erinnere, als Jungtalent 2002 und 2004 dabei und ist nun ans Spitzenbrett gerückt. Wang Yu ist mit 23 die mit Abstand Älteste. Shen Yang ist Jahrgang 1989 und Hou Yifan sogar erst seit 1994 auf der Welt. Nun bin ich wohl verurteilt, mich weitere zwölf Tage fürs Frauenschach zu interessieren, ein altes David Bowie-Liedchen vor mich hin zu stöhnen (oh, oh, oh, ohouho...) und den blutjungen Chinesinnen die Daumen zu drücken.

In Torino isse alles picobello! Spettatori könne gucke Giocatori von de Ferne. Giornalisti könne gucke von de Internet - abba fuori de Pressecentro, isse nix Funktione. Giocatori finde so tollo Torino, dass lieber schlafe in de Città als in de Paese Olimpico. Benvenuti bei de Olimpiadi!

Dienstag, 23. Mai 2006

Verstärkte Aufsteiger

Dass alle vier Bundesliga-Neulinge nach der kommenden Saison wieder den Weg in die Zweiten Ligen antreten müssen - wie es heuer Godesberg, Kirchheim, Gohlis und Zehlendorf ergangen ist - darf nahezu ausgeschlossen werden. Der Aufsteiger mit dem Sponsor im Vereinsnamen, TSV Bindlach-Aktionär, hat an diesem Dienstag den Neuzugang von sechs (!) Großmeistern bekannt gegeben: Hinter Spitzenmann Arkadi Naiditsch spielen künftig mit dem Tschechen David Navara und dem Ukrainer Wladimir Baklan zwei weitere 2600er. An den mittleren Brettern rücken mit Klaus Bischoff (von Tegernsee) und Igor Stohl zwei Routiniers ins Team. Von Solingen kommt der noch nicht ganz 18jährige David Baramidze zu den Franken. Und vom Zweitligaabsteiger Nürnberg Michael Bezold (immerhin ein waschechter Franke!).

Noch nicht ganz abgeschlossen ist die Personalplanung beim SC Remagen. Ganz neu ist die Verpflichtung des sächsischen Jugendnationalspielers Falko Bindrich. Wassili Iwantschuk soll anders als im Aufstiegsjahr an mindestens zwei Wochenenden zum Einsatz kommen. Unter anderem, um dies mit seinem ukrainischen Star zu besprechen, wird Mannschaftsführer Peter Norras zur Schacholympiade nach Turin reisen. Beim SC Bann sind die Verhandlungen mit den umworbenen Spielern noch nicht weit genug, um Personalien zu vermelden, aber so viel ist auch bei den Pfälzern klar: der Klassenerhalt soll erreichbar sein.

Ergo: Mannschaften wie die SF Berlin, Eppingen oder Wattenscheid kriegen in der am 27.Oktober beginnenden Saison mächtig Konkurrenz im Kampf um den Klassenerhalt. Auch der Hamburger SK und Kreuzberg dürfen sich nicht sicher fühlen. Sicher ist vielmehr nur, dass König Tegel absteigen wird. Beim vierten Aufsteiger sind keine personellen Änderungen geplant, passen auch nicht ins Konzept, so Mannschaftsführer Manfred Rausch. Wenigstens ist von den kampfstarken Nordberlinern zuzutrauen, dass sie (anders als Zehlendorf) nicht zu null unterwegs sein werden.

"Iljumschinow nennt zu viele"

Bessel Kok, der erste seriöse Kandidat für den FIDE-Vorsitz seit 1982, hat die seit langem von Missmanagement, haltlosen Ankündigungen und Selbstbedienungsmentalität hoher Funktionäre gekennzeichnete FIDE wachgerüttelt. Dank seiner Right Move 06-Kampagne werden endlich einige wunde Punkte von den Funktionären offen diskutiert. Kok war Ende der Achtzigerjahre maßgeblich an der Gründung der Großmeistervereinigung GMA und der Weltcup-Turnierserie beteiligt. Der Bankdienstleister SWIFT, den er mit aufgebaut hat, und sein spätererer Arbeitgeber, die tschechische Eurotel, haben auf Koks Betreiben Spitzenschachevents gesponsert. Seit kurzer Zeit ist der nun 64jährige Niederländer mit Wohnsitz in Prag in Pension.

Vor seiner Abreise nach Turin, wo er an diesem Dienstag eintrifft (gewählt werden soll am 2.Juni) habe ich mit Kok telefoniert. In meinen Artikel in der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen konnte ich nur einen sehr kleinen Teil davon einarbeiten. Das, wie ich finde, sehr aussagekräftige Gespräch, will ich der Schachöffentlichkeit nicht vorenthalten. Journalisten, die daraus zitieren wollen, bitte ich um Angabe dieses Blogs als Quelle. Redaktionen, die Interesse an dem Interview, einem Hintergrund oder einer Personalie Koks haben, bitte ich, mich zu kontaktieren.

Schachblog: Die Website von Iljumschinows Kampagne listet mehr als die Hälfte der FIDE-Mitgliedsverbände, nämlich 78 von 155, als Unterstützer. Ihre Right Move-Website kommt nur auf 41. Ist die Wahl gelaufen?
Kok: Nein. Es gibt einen großen Unterschied zwischen unseren Listen. Iljumschinow nennt mehr Länder, als er sicher hat, wir nennen weniger. Wir publizieren nur die, die uns offiziell unterstützen. Es gibt einige Verbände, die nicht veröffentlicht werden wollen, mir aber gesagt haben: Du hast unsere Stimme 100prozentig sicher. Einige dieser Länder stehen auf Iljumschinows Liste. Da standen zum Beispiel sämtliche arabischen Länder. Tunesien und Palästina haben protestiert und sind, glaube ich, von der Liste genommen worden.

Schachblog: Sie rechnen sich also noch Chancen aus?
Kok: Es wird eine sehr knappe Wahl.

Schachblog: Es ist viel darüber debattiert worden, ob Länder wie Deutschland, Russland oder Frankreich mit Zigtausenden organisierten Spielern nicht mehr Stimmen haben sollten wie Verbände, die nur wenige Köpfe zählen.
Kok: Ich finde ein Land, eine Stimme okay. Ich verstehe die Kritik und die Frustration der großen Länder, aber nach welchem Kriterium soll man dann vorgehen?

Schachblog: Werden Sie so genannte Proxies haben, also per Vollmacht abgetretene Stimmrechte von Verbänden, die in Turin nicht vertreten sind?
Kok: Wahrscheinlich ein oder zwei.

Schachblog: Alleine Makropoulos und Leong sollen auf Iljumschinows Seite mindestens ein Dutzend mitbringen.
Kok: Wir haben gefordert, dass die Proxies spätestens zwei, drei Tage vor der Abstimmung von Juristen geprüft werden. Ich glaube, sie werden darauf eingehen.

Schachblog: Iljumschinows Seite hat Sie wiederholt als Spalter dargestellt. Ignatius Leong aus seinem Team hat in einem Offenen Brief dazu aufgerufen, dass Sie und Iljumschinow die FIDE gemeinsam führen. War das Wahltaktik?
Kok: Ich glaube, es war 100prozentig ernst gemeint. Viele Leute in Asien halten Kompromisse für einen guten Weg.
Aber wir konnten darauf nicht eingehen. Es wäre Verrat an denen, die mich unterstützen. Es wäre auch nicht der grundlegende Wechsel, den die FIDE dringend braucht.

Schachblog: Hatten Sie, seit Sie kandidieren, Kontakt mit Iljumschinow?
Kok: Nein. Aber wir können in Turin mal einen Kaffee trinken gehen. Ich finde es normal, dass man miteinander spricht.

Schachblog: Iljumschinow hat eine rasante Karriere hingelegt. Mit Anfang dreißig war er bereits Multimillionär und Präsident Kalmückiens. Wie erklären Sie sich, dass jemand wie er nach elf Jahren weiter an seinem FIDE-Amt klebt?
Kok: Das müssen Sie ihn fragen. Mir reichen zweimal vier Jahre, wenn ich FIDE-Präsident werde.

Schachblog: Falls Sie gewählt werden, welche Rolle sehen Sie dann für Iljumschinow in der FIDE?
Kok: Wenn Sie nach 15 Jahren ein Unternehmen verlassen, gibt es eine Party und das war´s. Aber ich kann damit leben, wenn man ihn zum Ehrenpräsidenten machen will. Nur glaube ich nicht, dass ihn das interessiert.

Schachblog: Wie finanzieren Sie eigentlich Ihren Wahlkampf?
Kok: Alles aus eigener Tasche. Wir haben keine Sponsoren. Alle arbeiten ehrenamtlich.

Schachblog: Auch Nigel Short, der für Sie kreuz und quer durch Afrika und Asien gereist ist?
Kok: Auch Nigel.

Schachblog: Wie kostet Sie der Wahlkampf?
Kok: Einige Hunderttausend Euro.

Schachblog: Die Sie als Präsident zurück verdienen wollen?
Kok: Nein. Ich bin 64. Ich habe eine gute Pension und genug gespart. Als FIDE-Präsident kann man nichts verdienen.

Schachblog: Die FIDE hat ihre Verwertungsrechte an FIDE Commerce abgetreten, deren Überschüsse zu 30 Prozent der FIDE und zu 70 Prozent Iljumschinow zustehen.
Kok: Es gibt einige conflicts of interest. In der FIDE ist leider alles möglich.

Schachblog: Interessenkonflikte muss sich aber auch Ihr zweiter Mann, Ali Nihat Yacizi, vorwerfen lassen. In der Türkei organisiert er immer wieder Wettbewerbe des Europäischen Verbands, zu dessen Vorstand er lange gehörte, bei denen die Teilnehmer oder ihre Verbände überteuerte Zimmer bezahlen müssen.
Kok: Ich habe das vorher nicht gewusst, und das sollte aufhören. FIDE-Vorstände dürfen keine Privilegien oder Seitengeschäfte haben.

Schachblog: Als Meister der Privilegien und Seitengeschäfte und als eigentlicher Strippenzieher in der FIDE gilt Georgios Makropoulos. Während sich viele Delegierte dem Big Spender Iljumschinow verpflichtet fühlen, ist sein griechischer Stellvertreter angreifbar. Warum setzen da nicht an?
Kok: Iljumschinow ist eine Art absent president und Makropoulos sein CEO. Ich habe viele Geschichten über Makropoulos gehört, aber ich bin vorsichtig, ihm etwas vorzuwerfen, was ich nicht beweisen kann. Wir wollen nicht in der Vergangenheit wühlen sondern der FIDE eine Zukunft geben.

Schachblog: Welche Enttäuschungen haben Sie erlebt?
Kok: Israel ist eine Enttäuschung. Ich hätte gedacht, dass man sich dort noch erinnert, wie ich mich 1986 gegen den Boykott Israels in Dubai eingesetzt habe. Praktisch alle Großmeister unterstützen mich, aber der Delegierte nicht. Enttäuscht bin ich auch von Boris Kutin...

Schachblog: ...dem Vorsitzenden des Europäischen Verbands ECU und Delegierten Sloweniens.
Kok: Voriges Jahr in Dresden hat Kutin mich gebeten zu kandidieren und gesagt: Du hast alle Unterstützung von mir.

Schachblog: Stattdessen hat er einen Unterstützungsbrief an Iljumschinows Website geschickt, die den Eindruck erweckt, dass nicht nur Kutin sondern die ECU hinter diesem stehe. Nun steht Kutin vor der Abwahl als ECU-Vorsitzender, und es wird spekuliert, dass sich die europäischen Verbände im Fall von Iljumschinows Wiederwahl von der FIDE abspalten.
Kok: Das wäre sehr schlecht. Auch als Chairman der GMA vor zwanzig Jahren habe ich mich für die Zusammenarbeit mit der FIDE stark gemacht. Spaltungen schaden dem Schach.

Montag, 22. Mai 2006

Unter Brüdern

Dass die Ukraine nur an vier gesetzt ist, täuscht darüber hinweg, dass ihr junges Team das einzige ist, das Russland bei der seit Sonntag laufenden Schacholympiade in Turin Gold streitig machen kann. Wären nicht nur die ersten vier Bretter sondern alle sechs Spieler in die Rechnung einbezogen worden, wäre das zweitgrößte Flächenland Europas in der Setzliste übrigens an zweiter Stelle gesetzt.

Der "kleine Bruder", wie die Ukraine in Russland oft genannt wird, war 2004 in Calvia so frech, den "großen Bruder" (nicht im Orwellschen Sinne) um volle drei Punkte abzuhängen. Geändert hat sich die Mannschaft nur auf einer Position: Ruslan Ponomarjow, der vor zwei Jahren mit 4 aus 8 das schlechteste Resultat holte, hat sich nach dem gerade beendeten Turnier in Sofia (wo er glücklos agierte) eine Pause verordnet. Seinen Platz eingenommen hat Sachar Jefimenko (in der deutschen Bundesliga bekannt als Schütze des Meisterschaftstors für Werder gegen Waganjan im Stichkampf gegen Porz vor einem Jahr).

Nicht für Gold, aber vielleicht für Silber und sicher für Bronze kommen eine Reihe von Mannschaften in Frage. Vor allem die sowohl 2002 in Bled als auch 2004 in Calvia mit Bronze dekorierten Armenier mit ihrem Spitzenmann, dem grandiosen Lewon Aronjan, der für die Olympiade und die gemeinsame Vorbereitung mit dem Team die sehr, sehr lukrative Einladung nach Sofia hat sausen lassen. Die Amerikaner, zu denen Gata Kamsky direkt von seinem ausgezeichneten zweiten Platz in Sofia stößt. Natürlich die Israelis, auch wenn sie sich bei Mannschaftsturnieren oft etwas unter Wert schlagen. Dass mit den (nach Elo sicher unterbewerteten) Chinesen zu rechnen ist, haben sie mit ihrem Fast-Sieg bei der Mannschafts-WM voriges Jahr gezeigt. Vielleicht sind die Franzosen ein Kandidat, auch wenn ihr Spitzenmann Bacrot zuletzt in Morelia/Linares und Sofia auf unter 2700 zurechtgestutzt wurde.

Eher nicht tippen würde ich, obwohl in der Setzliste sogar an zwei geführt, auf die Inder (und das 1:3 gegen Marokko, die Sensation der ersten Runde, spricht ja auch gegen sie). Anand hat in Sofia enttäuscht, Sasikiran kürzlich in Sarajewo. Und die drei hinteren Leute der Mannschaft fallen deutlich ab. Sicher keine Medaillenchance haben die Silbermedaillisten von Bled aus Ungarn: Weil die zum zweiten Mal Mutter werdende Judit Polgar verhindert ist, hat auch Peter Leko abgesagt. Den Bulgaren fehlt Topalow, um Medaillenanwärter zu sein. Georgien hätte gute Chancen, wenn nicht Asmaiparaschwili und Isoria fehlten. England hat ohne McShane, Hodgson und Wells keine Perspektive nach oben.

Bei den Damen wird nach Punkten China gewinnen oder vielleicht Russland. Welches Team die Fotowertung gewinnt, steht auf einem anderen Blatt (scrollen Sie hier weit genug nach unten). 142 Nationen habe ich bei den Herren gezählt. Fast ein Dutzend mehr als 2002 in Bled und damit Rekord. Die beste Aufbereitung der Ergebnisse der Schacholympiade findet man, nein nicht auf der offiziellen Website, sondern auf dem Schachserver der Wiener Zeitung (wo sonst?).

Wer sich (weil die Übertragungen nicht funktionieren, aber tun sie das je vom ersten Tag an bei einer Schacholympiade?) nach Turin begeben will, sollte gar nicht erst auf Informationen der Organisatoren hoffen oder warten. Wenn sie überhaupt antworten, dann nach Tagen. Sie verweisen an ein offizielles Reisebüro, das für das elendigste Zimmer 80 Euro die Nacht verlangt (für weniger als die Hälfte habe ich eine ganze Wohnung gefunden - und nicht etwa wochenweise sondern bei vier Tagen Mietdauer).

Für meinen Artikel über die FIDE-Wahl, der am Dienstag in der Frankfurter Allgemeinen erscheint, habe ich seit Samstag vergeblich versucht, einen Sprecher der Organisatoren zu kriegen. Eine meiner E-Mails hat wenigstens der in der Organisation aushelfende kroatische Großmeister Miso Cebalo gesehen und mich kurz vor meinem Liefertermin angerufen. Nein, von den Italiener sei keiner da, und ob sich die FIDE-Granden bisher korrekt zu den Organisatoren verhalten (vor zwei Jahren in Calvia leider nicht), wisse er auch nicht. Aber Cebalo konnte mir schildern, dass in der Spielhalle ein gewaltiger Stand für Iljumschinows Wiederwahl wirbt. Dagegen nehme sich die Präsenz von Kok äußerst bescheiden aus.

Sonntag, 21. Mai 2006

Topalow im Endspurt

Mit vier Siegen aus den letzten vier Partien hat der Weltmeister das von seinem Sponsor getragene MTel Masters in Sofia doch noch für sich entschieden. Als Topalow nach sechs Runden um volle zwei Punkte hinter der Spitze lag, hätte wohl niemand mehr auf einen Alleinsieg des Bulgaren gewettet. Fein herausgespielt hat er in seiner Serie (zu den Partien) die beiden Najdorf-Siege gegen Anand und Kamsky. Etwas glücklich war der Weiß-Erfolg gegen seinen früheren Trainingspartner Ponomarjow, gegen den er das Risiko sehr hoch, eigentlich zu hoch schraubte, doch leicht war der Angriff nicht zu parieren, und Ponomarjow musste die Dame geben für zu wenig Kompensation. In der letzten Runde schließlich überspielte Topalow den als einziger sieglos gebliebenen Etienne Bacrot.

Damit hat er nicht nur meine Prognose widerlegt, dass er in seinem ersten Turnier, nachdem das WM-Match gegen Kramnik fix ist, unter seinen Möglichkeiten bleiben würde, sondern auch seine Führung in der Weltrangliste verteidigt, für die er in Sofia mindestens einen halben Punkt vor Anand bleiben musste. Ein ähnlicher Endspurt ist ihm schon voriges Jahr in Sofia gelungen, als er nach dem ersten Durchgang Letzter war und mit 4,5 aus 5 im zweiten Durchgang an die Spitze marschierte. Dass er, wenn die Konkurrenten abbauen, am Ende selbst oft zulegen kann, belegen auch seine 4,5 aus 6 voriges Jahr in Linares und seine 5,5 aus 7 heuer an gleicher Stelle.

In Topalow hat auch der überraschende Gata Kamsky seinen Meister gefunden. Hätte er nicht in beiden Durchgängen gegen den Bulgaren verloren, wäre er in Sofia vorne gelandet. Auch so ist dem über Jahre inaktiven Amerikaner ein fantastisches Turnier gelungen. Alle anderen Teilnehmer (die allesamt eine höhere Elo als er aufweisen) schlug Kamsky im direkten Vergleich mit 1,5:0,5. Er wurde Zweiter, wofür ihm ein Elogewinn von mehr als zwanzig Punkten winkt.

Für Topalow steht nur noch der Vierkampf in León Mitte Juni auf dem Programm. Die folgenden drei Monate gelten der Erholung (wohl einmal mehr am Schwarzen Meer in seiner Heimat) und Vorbereitung auf den WM-Kampf gegen Kramnik, der Topalow und seinem Manager Danailow offenbar nicht genügt. Während des Turniers wurde in Sofia der Vertrag über ein weiteres Titelmatch gegen Radschabow unterzeichnet. Als Voraussetzung für das Match gegen den derzeit Dreizehnten der Weltrangliste im Frühjahr 2007 in dessen Heimatstadt Baku ist fest gehalten, dass Topalow vorher Kramnik schlägt. Sein vertraglich garantiertes Preisgeld in Aserbaidschan läge mit 800 000 Dollar übrigens doppelt so hoch wie in Elista gegen Kramnik.

Die e4-Spieler waren in Sofia in der Mehrzahl. In 21 von 30 Partien wurde 1.e4 eröffnet. Am häufigsten bekamen sie es mit Marshall zu tun, nämlich 13mal. Zugelassen hat das Gambit nur einer, nämlich Anand gegen Bacrot, und in dieser Partie war Schwarz dem Sieg näher. In elf Fällen wurde es mit 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.h3 Lb7 9.d3 verhindert und einmal mit 8.a4. Ist Marshall die neue Berliner Mauer? Ich tippe mal, dass wir in nächster Zukunft öfter Varianten wie 5.De2 oder 6.De2 im Spanier sehen. Und wie hat sich Sizilianisch geschlagen? Wenn auf der schwarzen Seite nicht Topalow saß, sehr schlecht (0 aus 3). Kann nach Kasparows Abtritt nur noch Topalow (2,5 aus 3) die ungekrönte Königin der Eröffnungen auf höchstem Niveau anwenden?

Donnerstag, 18. Mai 2006

Revanche mit Schwarz

Das seltene Kunststück, Anand mit Schwarz zu schlagen, ist wenige Tage nach Kamsky auch Topalow geglückt. In der siebten Runde des Turniers in Sofia und damit nur sechs Tage, nachdem der Weltmeister selbst als Weißer gegen Anand unterlegen war, hat er sich revanchiert. Topalow legte die Partie (PGN-Download) scharf an mit Najdorf. Sein erstes Bauernopfer im neunten Zug lehnte Anand noch ab. Als Topalow ein zweites Mal einen Bauern anbot, hatte der Inder nur noch die Wahl, ob er sich mit gleichem Material oder wenigstens mit einem Bauern mehr verteidigen wollte. Topalow münzte seinen Angriff in ein gewonnenes Endspiel um.

Seit Kasparows Rücktritt im März 2005 sind Topalow und Anand siebenmal aufeinandergetroffen:
Anand - Topalow, Sofia 2005, Sizilianisch remis
Topalow - Anand, Sofia 2005, Damenindisch 1-0
Topalow - Anand, San Luis 2005, Damenindisch remis
Anand - Topalow, San Luis 2005, Spanisch remis
Topalow - Anand, Wijk aan Zee 2006, Spanisch remis
Topalow - Anand, Sofia 2006, Spanisch 0-1
Anand - Topalow, Sofia 2006, Sizilianisch 0-1
Wer diese Partien nachspielt, kann nicht anders als beeindruckt sein. Die beiden stärksten Spieler des Planeten schenken sich nichts. Keine einzige langweilige Partie war dabei. Selbst die beiden relativ kurzen Spanisch-Remis in San Luis und Wijk aan Zee beruhten auf Figurenopfern. Hoffen wir, dass Topalows Match gegen Kramnik nicht allzu weit hinter diesem Level zurückbleibt.

Kamsky nutzte Anands Niederlage, um seine sensationelle Führung auszubauen. Allerdings hatte der zwischen August 1996 und November 2004 nahezu inaktive Amerikaner bei seinem Schwarzremis gegen Bacrot zu kämpfen. Die bei einem Punkt Vorsprung sonst übliche Strategie, einen kleinen Vorteil zu kriegen und dann remis zu bieten, um den Turniersieg nach Hause zu bringen, scheidet aufgrund der Sofia-Regeln aus. Aber an Kampfstärke hat es Kamsky ja nie gefehlt. Um die Sensation perfekt zu machen, muss das Comebackkid aus Brooklyn sich in den drei ausstehenden Runden gegen die drei Stärksten behaupten: mit Schwarz gegen Swidler und mit Weiß gegen Anand und Topalow.

Mittwoch, 17. Mai 2006

Kramniks Besserung

Nein, so schlimm, dass er ans Aufhören gedacht hat, war es nicht. Vier Monate, nachdem Wladimir Kramnik sein schweres Athritis-Leiden öffentlich gemacht hat, blickt er mit Optimismus in die Zukunft. Die Behandlung mache Fortschritte, die Medikamente wirken, die Schmerzattacken werden seltener. Nach mehr als einem halben Jahr Turnierpause fühlt sich der 30jährige Russe fit genug für die Schacholympiade in Turin, wie er am Telefon aus Paris mitteilt, wo er am vorigen Wochenende eine Simultanvorstellung gegeben hat.

Die Diagnose liegt schon einige Jahre zurück. Eingeweiht seien nur seine Familie und sein Manager (der Dortmunder Carsten Hensel) gewesen. Seine Freunde im Schach haben von nichts gewusst. Im Lauf des vorigen Jahrs wurde es schlimmer, er musste Termine absagen, schließlich seinen Start in Wijk aan Zee. "Ich wollte meine Krankheit nicht öffentlich machen, aber als das Gerücht lief, ich hätte Krebs, ging es nicht mehr anders."

Über die näheren Umstände seine Behandlung will Kramnik am Telefon wenig sagen. Etwa einmal die Woche sieht er einen Arzt, Medikamente nimmt er täglich. Auch während der Schacholympiade wird er sie brauchen. "Ich denke, ich werde acht oder neun Partien spielen - wie alle im russischen Team." Es ist seine erste Schacholympiade nach zehn Jahren. "Ich hätte auch die letzten Male gespielt, aber es kam immer etwas dazwischen." 2000 sein Match gegen Kasparow, 2002 sein Schaukampf gegen Fritz, 2004 verteidigte er gerade seinen Titel gegen Leko.

2005 war das schwärzeste Jahr in seiner Karriere. Es gab keinen Erfolg, nur Rückschläge. Der Tiefpunkt war das erste MTel Masters in Sofia im Mai vor einem Jahr. In der letzten Runde übersah er einen möglichen Figurengewinn und stellte wenig später selbst eine Figur ein. Kramnik wurde, wahrscheinlich das erste Mal in seiner Karriere, Letzter. Seine Elo sackte im Lauf des Jahres auf 2741. Derzeit steht er damit in der Weltrangliste auf Platz sechs. Seit seinem 18.Lebensjahr war er nicht so niedrig platziert.

Kramnik will keine Prognose wagen, wie viel Prozent seiner Bestform er in Turin schon wieder bringen kann. Von einer Verpflichtung im Gegenzug dafür, dass der russische Schachverband Iljumschinow dazu gebracht hat, seinen WM-Kampf gegen Topalow auszurichten, könne keine Rede sein. Den Vertrag für die Olympiade habe er nämlich schon im vorigen September unterschrieben. Was ihn so sicher macht, dass er das Match gegen Topalow wird durchstehen können? "Ich werde mehr oder weniger okay sein", sagt Kramnik. Mit Hilfe der Medikamente könne er in jedem Fall spielen.

Dienstag, 16. Mai 2006

Bönschs Ballack

Arkadi Naiditsch, der Neue im deutschen Team bei der Schacholympiade, die am Sonntag in Turin beginnt, gibt sein Debut gleich am ersten Brett. Schließlich ist er der einzige, der für Weltklasseschach gut ist (siehe sein erster Platz bei den Dortmunder Schachtagen 2005). Mit Naiditsch geht es Bundestrainer Uwe Bönsch ein bisschen wie Klinsi mit Michael Ballack. Die übrigen Nationalspieler sind ganz passable Profis aber weit, weit entfernt von der Weltspitze. Wenigstens ahnt die deutsche Schachöffentlichkeit, dass ein Platz unter den ersten sechzehn in Turin schon ganz ordentlich wäre, das Erreichen der ersten acht ein Erfolg und ein Medaillenplatz eine Sensation.

Mit 2664 Elo führt Naiditsch die deutsche Liste klar an. Bei der EM im türkischen Kusadasi teilte er immerhin den dritten Platz. Man lasse sich auch nicht davon täuschen, dass der 20jährige Dortmunder im an diesem Dienstag in Sarajewo zu Ende gegangenen Turnier (Nisipeanu siegte, Magnus Carlsen wurde, vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben, Remiskönig) Letzter wurde. Naiditsch agierte in der bosnischen Hauptstadt unglücklich, ließ sich aber nicht unterkriegen. Seine ungebrochene Moral bewies er, als es ihm als klares Schlusslicht in Runde acht (zu den Partien) gelang, aus kritischer Stellung mit Schwarz den zu diesem Zeitpunkt allein Führenden Nisipeanu niederzuringen.

Die Einladung nach Sarajewo war kurzfristig gekommen, und sie war einfach zu gut, um ausgeschlagen zu werden. So konnte ausgerechnet der einzige Neuling beim fünftägigen Trainingslager der deutschen Herren- und Damenauswahl vorige Woche im badischen Hockenheim (obwohl mit Rücksicht auf seinen Start in der Russischen Mannschaftsmeisterschaft so spät terminiert) nicht dabei sein. Verkehrt wäre es nicht gewesen, wenn Naiditsch die Mannschaft beim Training im Hotel am Motodrom besser kennen gelernt hätte.

Im vorigen Jahr hatte für Verstimmung gesorgt, dass er das erste Mannschaftsturnier nach seiner Einbürgerung, die EM in Göteborg absagte, weil ihm das angebotene Honorar nicht reichte. Dass Naiditsch doppelt so viel forderte wie die übrigen deutschen Nationalspieler erhielten, konnte und wollte Bundestrainer Uwe Bönsch nicht mitmachen. Inzwischen haben sie sich geeinigt. Naiditsch kriegt fürs Spielen keinen Cent mehr, als die nach Elo gestaffelte Honorartabelle des Nationalteams vorsieht. Aber der Deutsche Schachbund bezuschusst sein Training. Außerdem hat sich der Nationalspielerstatus für ihn bei der EM bezahlt gemacht, wo der Deutsche Schachbund seine Kosten übernahm.

Wieder im deutschen Team, das an diesem Samstag jeder für sich die Reise nach Turin antritt, sind Artur Jussupow, 46, und Thomas Luther, 36. Bei Jussupow, der das Silbermedaillenteam 2000 in Istanbul so großartig angeführt hatte und sich 2002 aus Rücksicht auf seine Schachschule und ein bisschen auch aus Protest gegen die FIDE-Dopingregeln zurückgezogen hatte, ging es zuletzt wieder bergauf. Nachdem er 2004/5 ein Jahr Bundesligapause eingelegt hatte, meldete er sich mit dem Deutschen Meistertitel 2005 und einem soliden Resultat am ersten Solinger Brett zurück, was ihm zu aktuell 2608 Elo fünf Punkte plus beschert. Luther war im deutschen Team stets besonders motiviert und überzeugte noch 2002 in Bled noch mit einem satten Plus, wurde vor zwei Jahren in Calvia aber wegen einer Eloflaute nicht berücksichtigt. Den Ausschlag für seine Rückkehr gab für den mit 2593 geführten Erfurter sein Sieg bei der Deutschen Meisterschaft 2006.

Die drei Spieler, die schon in Calvia dabei waren, sind die Sorgenkinder des Bundestrainers: Es ist kein Geheimnis, dass Jan Gustafsson, 26, seit einiger Zeit stärker damit beschäftigt ist, an seinem Pokerspiel zu feilen, und dies online zu versilbern. In der Bundesligasaison 2005/6 konnte der Hamburger keine einzige Partie gewinnen. Einen Hoffnungsschimmer bedeutete sein geteilter erster Platz vor zwei Monaten beim GM-Turnier in der Bezoldschen Pulvermühle. Dennoch erwarten den mit 2603 Geführten neun Elopunkte Abzug.

Christopher Lutz, 35, hat in letzter Zeit weniger an seinem eigenen Spiel gearbeitet als am Eröffnungsbuch und als Sparringspartner des österreichischen Computers Hydra. In der Aprilliste wird der Kölner noch mit 2608 geführt, doch aus der Bundesliga und der missratenen EM in Kusadasi erwartet ihn ein sattes Minus von 22 Punkten. Zuletzt hatte Lutz, der noch vor wenigen Jahren bei 2650 kursierte, das deutsche Team angeführt. Nun ist er auf die fünfte Position abgerutscht. Noch eins hinter ihm firmiert Alexander Graf, 43, vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls noch ein 2650er. Der Leipziger rennt seiner früheren Form hinterher und ist inzwischen auf 2592 abgerutscht, wobei sich seine ausstehenden Verluste aus Bundesliga und EM mit fünf Punkten in Grenzen halten.

So hat Bönsch das Team aufgestellt:
Brett 1 Arkadi Naiditsch
Brett 2 Artur Jussupow
Brett 3 Jan Gustafsson
Brett 4 Thomas Luther
Ersatz Christopher Lutz
Ersatz Alexander Graf

Welche Alternativen hatte Bönsch? Robert Hübner hätte nach Elo (2632 in der Aprilliste) nominiert werden können, doch der 57jährige hat nach einer verkorksten Bundesligasaison (minus 21 Elo) und aus Abneigung gegen Dopingtests und FIDE-Bedenkzeit keine Lust auf ein Comeback verspürt. Rustem Dautow bastelt momentan an einer neuen Karriere als Pokerlehrer und winkte daher von selbst ab. Klaus Bischoff, der Schwarzspezialist des Teams bei den letzten Schacholympiaden, ist auf 2528 abgesackt.

Von den drei Spielern, die 2004 in Calvia noch im Team waren, bot sich nur Leonid Kritz für eine Wiedernominierung an. Von dem 22jährigen hatte der Bundestrainer erwartet, dass er die 2600 schafft. Mit 2578 (plus vier aus der Bundesliga) fehlt Kritz gar nicht so viel, und hätte er den Deutsche Meistertitel nicht durch eine Weißniederlage in der letzten Runde verpatzt, wäre er in Turin dabei. Für ihn gesprochen hätte, dass er in einem Maß wie sonst nur Naiditsch voll auf Schach setzt.

Ein Mann, den Bönsch im Auge behält, ist auch Michael Prusikin. Der 27jährige Nürnberger Schachlehrer hat zwar nicht sehr viel Turnierpraxis, klettert aber elomäßig beständig nach oben, steht nach dem geteilten Sieg im Pulvermühle-Turnier bei etwa 2575 und hat sein Potenzial sicher noch nicht ausgeschöpft. Stark im Aufwärtstrend befindet sich David Baramidze, der samt den noch nicht ausgewerteten Turnieren bei 2570 steht und damit eher unterbewertet ist. Dass der 17jährige Dortmunder nicht in Frage kam, lag aber letztlich nur daran, so Bönsch, dass er noch nicht eingebürgert ist.

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