Mittwoch, 23. August 2006

Zürcher Geschnetzeltes

Einige russische Zeitungen hatten aus Kasparows Teilnahme am Zürcher Schauturnier bereits sein Comeback als Schachprofi konstruiert, um ihn als Politiker abzuschreiben. Umso wichtiger war ihm, dass in der Zentrale der ihr 150jähriges Jubiläum feiernden Crédit Suisse kein ernsthaftes Schach auf dem Programm stand. Erst hatte er mit Fischerschach gerechnet, wie es auch vorige Woche in Mainz gespielt wurde. Dann waren gewöhnliche Schnellpartien geplant. Schließlich ist es zur Erleichterung Kasparows Blitzschach geworden. Dass zweimal drei Fünf-Minuten-Partien kein Comeback machen, sollte jedem klar sein.

Bestritten hat er sie mit vollem Ehrgeiz, dabei gleich am Anfang Kortschnoi geschlagen, der konsterniert war und miesepetrig Fotografen und Autogrammsammler vondannen scheuchte. Lockerer nahm das ganze Anatoli Karpow, der gegen Kasparow zweimal remis hielt und sonst nur gegen Judit Polgar ein Remis abgab. Weil Kasparow im Rückspiel mit Kortschnoi remisierte (dessen einziger halber Punkt im Blitz), teilte er mit Karpow den ersten Platz.

Das anschließende Simultan der vier konnte erst mit Verspätung beginnen, weil Kasparow, divenhaft wie eh und je, fehlte. Polgar hatte die verlängerte Pause genutzt, um ihr wenige Monate altes Töchterchen Hannah zu stillen, beeilte sich beim Simultan und ließ Punkte. Nicht so Kasparow, der verbiestert alle Gegner schnetzelte. Seine spätere Tischrede, Thema Innovation, war brillant geschrieben, doch schwer zu verstehen, kein Vergleich mit dem Vortrag, den er beim Gödel-Kongress in Wien abgeliefert hatte. So viel war klar: An diesem Dienstag in Zürich war Garri nicht in Stimmung.

Was kaum am zwischenzeitlichen Auftauchen zweier ungeladener Gäste gelegen haben kann: Kirsan Iljumschinow und Giorgios Makropoulos, der nominelle und der wahre Herrscher des Weltschachbunds FIDE, schneiten von einem sportpolitischen Termin herein, angeblich beim Weltfußballverband FIFA. Mäßig originelle Vermutung: Nachhilfe bei der Kanalisierung von Geldern auf die Privatkonten der Funktionäre?

Sonntag, 20. August 2006

La crise, quelle crise?

Unter Schachprofis der höheren Kategorie ist die Krise im französischen Klubschach derzeit Thema Nummer eins: In der bestzahlenden Schachliga der Welt haben gleich mehrere Spitzenteams ihren Rückzug oder zumindest den Ersatz ihrer Profis durch Amateure angekündigt.

Schlagzeilen macht vor allem der Rückzug von NAO. Nahed Ojjeh, deren Initialen dem in feinster Pariser Lage auf 300 Quadratmeter logierenden Klub den Namen gaben, hat offenbar die Lust auf Schach verloren. Vor vier Jahren hatte die syrische Millionenerbin (ihr Vater war Militärminister und Waffenhändler) noch das Dortmunder Kandidatenturnier gesponsert, galt als persönliche Förderin und Freundin des nach Paris gezogenen Wladimir Kramnik. Neben ihm wurden mit dem Geld der Madame weitere Stars wie Grischtschuk oder Adams an die Seine geholt und quasi ein Real Madrid des Schachs aufgebaut.

Weil auch die stärksten Franzosen Bacrot, Lautier und Fressinet für NAO antraten, war das Team national fast eine Klasse für sich. Fast, weil auch Monte Carlo dank des dort residierenden Joop van Oosterom eine hochklassige Truppe vorzuweisen hatte. Aber nun hat auch der niederländische Milliardär und Fernschachweltmeister das Interesse an der französischen Liga verloren.

Zwei weitere Teams der oberen Hälfte, Evry und Nizza, wollen sich zwar nicht zurückziehen, aber mangels Finanzen deutlich abspecken. Als neuer Favorit gilt neben Clichy der Aufsteiger Paris 15, zu deren ersten Verpflichtungen Etienne Bacrot gehört. Allerdings ist die Zahl der Neuzugänge pro Saison in Frankreich auf vier Positionen beschränkt.

Schlechte Nachrichten für einige Profis kommen auch aus der Niederlande. Breda, der Abonnementmeister der letzten zehn Jahre, zieht sich zurück, nachdem der letzte Sponsor, U-Boat-Worx, sein Engagement beendet hat. Auch eines der Spitzenteams der britischen Four Nations Chess League soll vor dem Rückzug stehen (ich warte auf eine Bestätigung und nähere Informationen).

Ein anderes Bild zeichnet sich am anderen Ende Europas, nämlich in Russland. Bei der als Rundenturnier ausgetragene Mannschaftsmeisterschaft drängeln sich die Sponsoren. Weil an den sechs Brettern nur zwei Ausländer Platz nehmen dürfen, erzielen die Einheimischen höhere Honorare als die Gastspieler, die vor allem aus der Ukraine, Israel und den Kaukasusstaaten kommen. Auch die Russische Einzelmeisterschaft ist bestens dotiert, und selbst an hochrangigen Einladungsturnieren herrscht anders als noch vor einigen Jahren kein Mangel mehr. Einige, die in den Westen übergesiedelt waren, sind zurückgekehrt oder pendeln. Der missglückten Olympiade zum Trotz herrschen zumindest für russische Profis rosige Zeiten.

Freitag, 18. August 2006

"Die Welt zu Gast...

...bei Freunden“ war nicht nur der Slogan der Fußball-WM 2006 sondern auch der zynische Einstieg des Editorials, das Dirk Poldauf in der Augustausgabe von „Schach“ über die zahlreichen Neuverpflichtungen ausländischer Profis in der deutschen Bundesliga geschrieben hat. Sein Redaktionskollege Raj Tischbierek hat für die Saisonvorschau im Septemberheft ein noch heftigeres Stück angekündigt unter dem Titel: „Ein Brandbrief“.

Der Anteil der Inländer unter den für die kommende Saison gemeldeten Spielern in der Bundesliga ist auf 51 Prozent gefallen. Vorige Saison waren noch 61 Prozent der Gemeldeten Deutsche. Nimmt man nur die ersten acht Positionen, sind die Ausländer deutlich in der Mehrheit. Erstmals könnten sie am Ende der Saison mehr als die Hälfte der Einsätze bestritten haben.

Welchen Stellenwert hat die Bundesliga noch für das deutsche Schach? Diese Frage wird diesen Samstag beim Mainzer Chess Classic hoffentlich heiß debattiert. Von 11 Uhr 30 bis kurz vor Beginn des Opens ist eine knapp einstündige Podiumsdiskussion angesetzt. Als Mitarbeiter der Bundesliga werde ich die Runde mit Raj Tischbierek, Igor Glek und Christian Zickelbein moderieren.

In den meisten Schachligen sind die Einheimischen protegiert, sei es durch eine Mindestzahl eingesetzter Spieler oder eine Beschränkung der Einsätze von Ausländern. Nicht so in Deutschland. Der Deutsche Schachbund hat 1995, als der Europäische Gerichtshof das so genannte Bosman-Urteil fällte, seine Juristen befragt. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine Beschränkung der Einsätze von Spielern aus anderen EU-Ländern (nein, nicht EU-rechtswidrig wäre, sondern nur:) Anlass zu einer erfolgreichen Klage geben könnte. Eine Klage, die der Deutsche Schachbund nicht riskieren wollte.

Nicht nur im Ausland hört man oft, die Bundesliga selbst sei dafür verantwortlich. Die Vereine holten lieber ausländische Profis, als die eigenen gut zu bezahlen. Das ist Unsinn. Das einzige, was die Bundesligisten vom Schachbund gefordert und bekommen haben, ist dass Ausländer aus Nicht-EU-Staaten denen aus EU-Staaten gleichgestellt werden, weil sie diese Art der Diskriminierung auch nicht wollten.

Dass mindestens die Hälfte der Mannschaft Deutsche sein müssen oder, was ich persönlich für besser hielte, ihren Erstwohnsitz, also Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, war unter den 16 Erstligisten jederzeit mehrheitsfähig und ist es noch. Eine solche Regelung dürfte kommen, sobald die Schachbundesliga ein eingetragener Verein ist, der weitgehend Unabhängigkeit von den übervorsichtigen Funktionären des Deutschen Schachbund genießt.

Donnerstag, 10. August 2006

Das Tempogambit

Weil man im Schach nicht immer Schwarz hat und selbst dann nicht immer 1.e4 vorgesetzt bekommt, empfiehlt es sich, ein wenig Eröffnungswissen anzuhäufen. Weil aber auch die meisten Gegner allerhand kennen, lohnt es sich, ein paar Varianten reinzumischen, die selten und daher unbekannt sind aber besser, als sie aussehen. Sprich: die Gegner ein wenig zu überraschen.

Das New in Chess-Magazin, vielmehr dessen Mitarbeiter, der niederländische IM Jeroen Bosch, hat dazu vor Jahren eine bemerkenswerte Serie erfunden: Unter dem Titel „Secrets of Opening Surprises“, kurz SOS, stellt er Eröffnungen vor, die allerspätestens im sechsten Zug von den Hauptvarianten abweichen. Damit kann sogar ein eingefleischter 1.e4-Verweigerer 1.e4 spielen. Zum Beispiel gegen Französisch 1...e6 2.d4 d5 3.Ld3!? oder gegen Sizilianisch 1...c5 2.Sa3!?

Die Serie ist mittlerweile zu einer halbjährlich erscheinenden Buchserie ausgebaut worden, zu der weitere Autoren Beiträge liefern und die unter dem akronymkompatiblen Titel „Schach ohne Scheuklappen“ (144 Seiten, € 17,95 (D)) auch auf Deutsch vorliegt. Den gerade erschienenen fünften Band habe ich übersetzt. Los geht er mit einem Update aktueller Partien aus Varianten, die in den vorigen Bänden vorgestellt wurden. Den Anfang im neuen Band macht Karsten Müllers feiner Sieg gegen Rustem Dautow mit 1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.exd5 cxd5 4.Se5!?, der gerade fast zur besten Partie der letzten deutschen Bundesligasaison gewählt worden ist.

Anschließend folgt eine Palette von 16 Kapiteln, die von obskuren Gambits wie 1.d4 e6 2.Sf3 f5 3.e4?! über das psychologisch geschickte Antidamenbauernspiel 1.d4 Sf6 2.Sf3 h6!? und halbseriöse Abweichungen wie 6.Df3!? gegen Najdorf (1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6) oder 6.Se5!? gegen Meraner (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 e6 5.Sc3 Sbd7) bis zu wohl erprobten Ideen von Oleg Romanischin wie 1.Sf3 Sf6 2.c4 e6 3.g3 a6! 4.Lg2 b5 (bzw. 4.Sc3 d5) oder 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.De2 De7! reichen.

Ich habe nicht nur übersetzt sondern selbst ein Kapitelchen beigesteuert. Und zwar zu einem genau einmal erprobten Zug. Im Januar habe ich nämlich, ohne es am Brett zu wissen, im vierten Zug in einer Tausende Male vorgekommenen Stellung eine Neuerung gespielt:

Igors Rausis – Stefan Löffler, Zweite Bundesliga Nord 2005/6
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Dc2

Mit diesem Zug scort Weiß laut meiner Datenbank mehr als sechzig Prozent und damit besser als mit 4.e3 oder 4.Sc3. Gedanklich, aber ohne Brett und Computer, hatte ich mich damit einige Wochen zuvor während eines Opens im malaysischen Penang befasst, weil ich diese Variante vom philippinischen Großmeister Bong Villamayor erwartet hatte. Bong spielte an diesem Tag anders, aber die Idee kam mir zupass, als ich am Tag nach meiner Rückkehr aus Asien kurzfristig für die Kreuzberger Zweite einsprang.

4...c5!?
4-c5

Das „Tempoopfer“ vertritt die These, dass Weiß seine Dame in dieser Stellung lieber noch auf d1 hätte, ihm sein Mehrtempo also weniger als nichts nützt. Rausis wählte, was ich noch immer für die kritische Variante halte:

5.cxd5 cxd4 6.Da4+

Nur für Ausgleich gut scheint mir 6.Sxd4 Sxd5 7.e4 Sb4 8.Da4+ S8c6 9.Sxc6 Sxc6 10.Sc3 e6 11.Le3 Le7 12.Le2 0-0 13.0-0 Ld7 14.Tfd1 a6 15.Td2 Dc7 16.Dd1 Tfd8, Renet – Dlugy, Paris 1986.

6...Dd7 7.Dxd4 Sxd5!

Das geht hier im Unterschied zur Variante 1.d4 d5 2.c4 c5 3.cxd5 Sf6 4.Sf3 cxd4 5.Dxd4, wo Schwarz kaum 5...Sxd5 spielen kann wegen 6.e4, und daher die etwas schlechtere Stellung nach 5...Dxd5 6.Sc3 Dxd4 7.Sxd4 in Kauf nimmt.

8.Sc3

Auf 8.e4 scheint mir 8...Sc7 am sichersten.

8...e6! 9.Sxd5 exd5

Nach 9...Dxd5 10.Dxd5 exd5 hat Weiß nur einen Minivorteil.

10.e4! dxe4 11.Dxe4+ De6 12.Ld3

Der kritische Test scheint mir 12.Lb5+ Sc6 13.Dxe6+ Lxe6 14.0-0, aber 14...a6 15.Lxc6+ bxc6 16.Lf4 f6 17.Sd4 Ld5 sollte den Laden zusammenhalten.

12...Lb4+ 13.Ld2 Lxd2+ 14.Sxd2 0-0 15.0-0

...und statt nun mit 15...Dxe4? 16.Lxe4 Sd7 17.Tfc1 in ein trotz der symmetrischen Stellung schwieriges Endspiel zu gehen hätte ich das Gleichgewicht mit 15...Dh6 halten können. Nach 16.Tfe1 Sd7 17.Sb3 Sf6 18.Df3 Tb8 hätte sich die weiße Initiative erschöpft. Zum Glück habe ich die Partie trotzdem leicht gehalten - wohl auch, weil Rausis dank meiner unkonventionellen Eröffnung viel Bedenkzeit verbraten hat und später einmal nicht den Stärksten fand.

Ein Remis gegen einen fast hundert Elopunkte Stärkeren - das finde ich keine üble Premiere für das slawische Tempogambit 4...c5!?

Dienstag, 8. August 2006

Kramniks Held

Da die Zahl der absolvierten Runden in Dortmund lange über der Zahl der entschiedenen Partien lag, hatte ich wenig Lust, die Remisseuche und die hier bereits kritisierte verfehlte Einladungspolitik des Turniers in einer Meldung für die Frankfurter Allgemeine zu beleuchten. Dann vereinbarte ich mit der Redaktion lieber einen Nachbericht unter besonderer Berücksichtigung des Rekonvaleszenten Kramnik, der ja in sieben Wochen einen WM-Kampf spielen wird. Ein schöner Zufall, dass der dann die letzten zwei Partien gewann und nach Feinwertung vor Swidler zum Sieger ernannt wurde.

Ärgerlich nur, dass ich die Zitate für mein an diesem Dienstag in der FAZ erschienenes Stück (sorry, nicht online) aus zweiter Hand von Manager Carsten Hensel nehmen musste, weil Kramnik das vor Tagen für nach dem Turnier angefragte kurze Telefoninterview platzen ließ. Die Journalisten, die in Dortmund gewesen seien, hätten Vorrang, entschuldigte Hensel (nur ist leider bisher nirgends etwas Brauchbares von diesen Reportern zu lesen). Und die Lokalmedienvertreter, die an diesem Dienstag zu einer Pressekonferenz nach Essen kommen.

Dort wirbt Kramnik nämlich weltexklusiv für den „World Chess Challenge“, wohinter sich freilich nur ein Schaukämpfchen, nein nicht gegen Fritzchen, sondern gegen einen dicken, hochgetunten "Deep Fritz", aber eben nicht gegen einen der letzten Computerweltmeister oder gegen Donningers Supermaschine Hydra verbirgt. Das beste, was Kramnik tun kann, um dem Ende November in der Bundeskunsthalle in Bonn anstehenden Schaukämpfchen Nachrichtenwert zu geben, wäre freilich ein WM-Sieg gegen Topalow.

So schlecht wie laut Papierform (Weltranglistenvierter gegen Weltranglistenerster) sind Kramniks WM-Chancen nicht. Nicht nur weil er seine Athritis und seine Form wieder im Griff hat und nach seinen Ergebnissen in Turin und Dortmund nur noch knapp hinter der Nummer zwei, Anand, steht, sondern auch dank seiner im Vergleich mit Topalow ungleich größeren Matcherfahrung und dank seines mutmaßlich sehr starken Sekundantenteams (die Namen werden derzeit noch geheim gehalten).

Technisches Fadschach, wie es Kramnik in Dortmund mit Ausnahme der Partien gegen Naiditsch und Dschobava (für die korrekte Schreibweise danke ich dem Luchtverfrisser) lieferte, lassen die bisherigen Begegnungen der zwei nicht erwarten. 2003 gelang Kramnik gegen Topalow in Monte Carlo die beste Blindpartie, die ich kenne (s.u.). Einige Spiele gegen den Bulgaren zählen zu den Glanzpunkten von Kramniks 2001 erschienener Partiensammlung. Im Interview mit dem spanischen Journalisten Michael Rahal nannte er Topalow kürzlich „den Haupthelden meines Buchs“.

Also hoffen wir das Beste von dem am 22.September in Elista beginnenden Match. Wenn sich nun noch ein paar läppische Hundert Euro für die Kosten aufstellen lassen, werden Egon Brestian, Ilja Balinow und ich bei zwei Liveübertragungen von der WM die Höhepunkte in Wien präsentieren.

Kramnik – Topalow
Monte Carlo 2003, Blindpartie
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 d6 6.Le3 Sf6 7.f4 a6 8.Df3 Dc7 9.0-0-0 Ld7 10.Sb3 Tc8 11.Kb1 b5 12.Ld3 Sb4 13.g4 Lc6 14.g5 Sd7 15.Df2 g6 16.Thf1 Lg7 17.f5 Se5 18.Lb6 Dd7 19.Le2 Db7 20.Sa5 Db8 21.f6 Lf8 22.a3 Sxc2 23.Kxc2 Lxe4+ 24.Kb3 La8 25.La7 Dc7 26.Db6 Dxb6 27.Lxb6 h6 28.Sxb5 Kd7 29.Ld4 Ld5+ 30.Ka4 axb5+ 31.Lxb5+ Lc6 32.Lxe5 Lxb5+ 33.Kxb5 Tc5+ 34.Kb6 Txe5 35.Tc1 Txa5 36.Tc7+ Kd8 37.Tfc1 Tc5 38.T1xc5 dxc5 39.Kc6 1-0

Donnerstag, 3. August 2006

Arroganz

Immer wieder höre ich, die Aljechin-Verteidigung tauge nichts, weil man mit ihr so schwer gewinnen könne. Dummes Zeug. Beim Wiener Open (das mit 290 Teilnehmern in zwei Gruppen nicht ganz so dünn besetzt ist wie von mir befürchtet, aber nur 46 Gäste aus dem Ausland sind eine Katastrophe, denn mit einer rechtzeitigen und beherzten Ausschreibung wären vier- bis fünfmal so viele Nichtösterreicher zum schönsten Open Europas gekommen) gewann ich in Runde eins und drei damit und hatte in Runde fünf schon zum dritten Mal Aljechin auf dem Brett. Wieder stand ich nach zwanzig Zügen fett, dann spielte mir meine Arroganz, die Stellung schon für leicht gewonnen zu halten, einen bösen Streich:

René Vokroj – Stefan Löffler

1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.Lc4 c6!

Rufzeichen, denn 4...Sb6 5.Lb3 dxe5 6.Dh5 e6 7.dxe5 passt Weiß besser in den Kram.

5.Df3 Sd7

vokroj1
Anscheinend eine Neuerung, und eine gute! In meiner Datenbank finde ich nur 5...dxe5, 5...Le6 und 5...e6. Die Pointe von 5...Sd7 ist 6.Lxd5?! cxd5 7.Dxd5 e6 8.Db5 dxe5 9.dxe5 a6 (9...Dc7!?) 10.De2 Da5+, und Schwarz erhält den Bauern zurück und ist mit dem Läuferpaar im Vorteil.

6.exd6 e6 7.Sc3

Auf 7.Sd2 plante ich 7...S7f6. Nun ginge darauf 8.Lg5, und 7...Sxc3 8. Dxc3 Lxd6 bot mir zu wenig Aussicht auf Spiel. Darum eine kleine Provokation:

7...Df6 8.Lxd5?!

Und sie fruchtet. Allerdings ist es auch nach 8.Dxf6 S7xf6 9.Lxd5?! (9.Sge2 mit Ausgleich) 9...exd5 10.Lf4 Lf5 11.0-0-0 0-0-0 nebst Lxd6 eher Schwarz, der besser steht.

8…exd5 9.De2+ Kd8

Für das Privileg, den weißfeldrigen Läufer noch zu haben, darf man die Rochade schon mal opfern.

10.Sf3 h6 11.0–0 Lxd6 12.Te1 Kc7 13.Sd1 g5 14.Se3 Sb6 15.Dd3 Le6

Das voreilige 15...g4?! 16.Se5 Lxe5 17.dxe5 Dxe5 18.Ld2 gibt Weiß etwas zu viel Spiel.

16.b3 g4 17.Sd2 h5

Träumt von 18.c4 h4 19.c5? Lxh2+! 20.Kxh2 g3+ 21.Kh1 h3 22.cxb6+ Kd7! (nicht 22...axb6? 23.Sxd5+ nebst 24.Dxg3+) mit Mattangriff.

18.Sdf1 h4 19.c4 g3 20.fxg3 hxg3 21.hxg3 dxc4 22.bxc4
vokroj21
Der weiße König kann weder auf die f- noch die h-Linie flüchten. Seine Stellung sieht sturmreif aus. Leider funktioniert die Turmverdoppelung mit 22...Th6? 23.c5 Tah8 nicht wegen 24.Sd5+! (24.cxb6+ Kd7) 24...Sxd5 25.cxd6+ Kd7 26. Lxh6 usw. Und was 22...Th5 betrifft, kriegen Sie gleich zu sehen. Mit dem geduldigeren 22...Tad8, was nicht nur c4-c5 aus der Stellung mit sondern Lc5 mit Gewinn des d-Bauern droht, hätte ich die Ernte wohl langsam aber sicher eingefahren.

22...Th5?? 23.g4!

Natürlich. Nichts wird es mit der Verdoppelung, notfalls hat Weiß nun nämlich f5 für den Springer. Ich suchte mein Heil in der Fluch nach vorne:

23…Th1+ 24.Kxh1 Df2 25.Dh7 Dxe1 26.c5 Lf4

...darauf spekulierend, dass Weiß nach 27.cxb6+ Kd7 nicht mehr hat als die Zugwiederholung 28.Lb2 (28.d5 cxd5 29.Dd3 Lxe3) 28...Df2 29.Lc1 (wobei allerdings auch 28.Tb1 zu gewinnen scheint), doch:

27.Sd5+! Kd7 28.Sf6+!

Die Ernüchterung. Den Zuschauern gönnte ich das für alle außer mich hübsche Ende:

28…Ke7 29.Lxf4 Dxa1 30.Ld6+ Kxf6 31.Dh6#

Samstag, 29. Juli 2006

Tschessmieting

Der Juli ist fast vorbei, war da nicht noch was? Ach richtig: Fanden im Juli nicht die Dortmunder Schachtage statt? Doch, es gibt sie noch. An diesem Samstag beginnen sie, später als in den Vorjahren, um nicht mit der Fußball-WM ins Gehege zu kommen, und weil die Fußballbundesliga erst am 11.August beginnt, die Tour de Dopage aber schon vorbei ist, genau in der Saure-Gurken-Zeit des Mediensports. Warum hört man trotzdem so gut wie nichts vom wichtigsten deutschen Schachevent?

Das hat vor allem drei Gründe. Erstens ist die Öffentlichkeitsarbeit der Schachtage auf die Regionalmedien abgestimmt. Was wohl auch realistisch ist. In Dortmund und Umgebung kommen die Redaktionen um das Ereignis nicht herum. Für die überregionalen Zeitungen, selbst für die Schachseiten im Internet aber fehlt, zumindest im Vorhinein, jeder Nachrichtenwert. Womit wir schon mitten im zweiten Grund sind, der Einladungspolitik. Fest gesetzt für das Turnier sind die von den Dortmunder Schachmanagern und mit den Schachtagen seit langem verbandelten Carsten Hensel und Stefan Koth betreuten und daher an ihrem Marktwert beteiligten Spieler: also Kramnik, Leko und Naiditsch.

Dass der Vorjahressieger Naiditsch als Dortmunder und frischer deutsche Nationalspieler gesetzt ist, steht außer Diskussion. Er wird eine Bereicherung für das Turnier sein. Aber für Kramnik und Leko ist es einfach nicht gut, am gleichen Ort zu spielen. Mit der relativen Ausnahme Linares 2004 war das seit Jahren ein schlechtes Omen für beide. Sowohl die Resultate als auch die Qualität ihres Spiels litt. Und ihr Titelmatch vor knapp zwei Jahren in Brissago hat auch nicht völlig überzeugt. Es wäre gut gewesen, in Dortmund, wo beide seit 1998 (mit Ausnahme des Kandidatenturniers 2002) stets dabei waren, endlich einmal auf einen der beiden zu verzichten.

Am besten hätte man einen Tausch mit dem Schachfestival Biel gemacht. Leko hätte in der Schweiz gespielt und Magnus Carlsen endlich einmal (abgesehen von einem Bundesligawochenende voriges Jahr) in Deutschland. Aber das hätte eine Tradition gebrochen, nämlich dass es Dortmund unter den großen Turnieren am wenigsten ausmacht, die kommenden Leute als letztes zu präsentieren. In diesem Jahr also endlich Lewon Aronjan, nachdem längst durch ist, dass der seit vier Jahren in Deutschland lebender Armenier Weltklasse ist.

Warum lassen sie David Baramidze nicht mitspielen? Der ist Dortmunder und inzwischen sicher so gut wie es Naiditsch war, als er 2003 seine erste Chance im Spitzenturnier bekam. Statt Newcomer wie Nakamura, Mamedjarow oder Navara lädt man übliche Verdächtige ein. Den soliden Michael Adams, der die großen Turniere nie gewinnt, aber trotzdem wieder kommen darf. Den allseits beliebten Peter Swidler, neben dem Rekonvaleszenten Kramnik der derzeit beste Russe. Oder den freundlichen Boris Gelfand. Ein bisschen frischen Wind verspricht Baadur Tschobawa (bin ich der letzte, der Namen aus anderen Schriften der in Deutschland immer noch üblichen Lautschriftregel folgend wiedergibt?), aber als genialer Aufreger ist der Georgier noch nicht aufgefallen.

Sorry, ich jedenfalls habe keine Lust nach Dortmund zu fahren. Zumal, dritter Grund fürs Abdriften in die Gleichgültigkeit, die Schachtage auch schleichend ihren guten Namen geopfert haben: Dortmunder Schachtage hatte einen Klang und das auch international. Stattdessen wird das Ding nun ebenso penetrant wie pseudoenglisch Sparkassen Chess-Meeting genannt (und in keinem überregionalen Medium so häufig wie in der Eigenwerbung des ZEIT-Kolumnisten Helmut Pfleger, der in Dortmund seit Jahrzenten die Partien kommentiert, für Sparkassengeld versteht sich). Bei Sparkassen Chess-Meeting stell ich mir einen Schachtreff für Bankangestellte vor, die sich bei ein paar Partiechen Ablenkung suchen von der Angst, dass ihr Arbeitsplatz abgebaut wird.

Fazit: In Dortmund kriegen einige gereifte Stars bis Sonntag, den 6.August noch einmal die Chance, bei sieben Partiechen ein bisschen Ablenkung zu finden von der Angst, nicht mehr eingeladen werden.

Samstag, 22. Juli 2006

Auf den zweiten Blick

Wie jedes Jahr am Freitag vor dem Bieler Festival ist die Schweizer Meisterschaft zu Ende gegangen, und ich wurde kurzfristig gefragt, für den Zürcher Tages-Anzeiger (Ausgabe Samstag, 22.7.) eine Partie zu kommentieren. Ich sah die Partien durch und wurde mit keiner richtig warm. Keine Frage, dass Florian Jenni in Lenzerheide das beste Schach zeigte, aber überall fand ich Makel. Kortschnois eher Verzweiflung geschuldetes Opfer hätte er leicht (20.Lf1 statt 20.Kf3) widerlegen können. Der Sieg gegen Kuemin schien mir zu einfach und einseitig, und was Forster gegen Jenni tat, schien auf den ersten Blick unter jeder Kritik. Zum Glück insistierte der Redakteur der Schachspalte, André Behr, und ich schaute mir diese Partie noch einmal an - und stellte fest, dass sie ein Meisterstück war! Getrübt wurde ihr Glanz nur dadurch, dass Jennis Gegner an einer Stelle (Diagramm unten) ihm durch eine zähere Verteidigung eine Reihe weiterer Glanzzüge abverlangen hätte können, ja müssen! Wobei ich nicht zweifle, dass Jenni sie gefunden hätte.

Florian Jenni - Richard Forster
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 a6 6. Le3 e5 7. Sb3 Le6 8. Dd2 Le7 9. f3 0–0 10.0–0–0 b5 11. g4 b4 12. Sd5 Lxd5 13. exd5 a5 14. Sc5!

Stärker als der alte Zug 14. Kb1. Nach 14...dxc5 15.d6 Lxd6 16.Dxd6 Dxd6 17.Txd6 erhält Weiß den Bauern mit klarem Vorteil (Läuferpaar!) zurück, und auf 14. ... Sbd7 stoppt 15. Sa4! den Gegenangriff am Damenflügel (hier fehlt Schwarz der weißfeldrige Läufer), daher:

14. ... a4 15. g5 Sfd7 16. Se4 Da5 17. Lh3 Sb6

Die Alternative ist 17...Tc8 18. Kb1 Tc7, um f6 unter der Kontrolle des Springers zu lassen. Hier führt 18. Sf6+ nach 18. ... gxf6? 19.gxf6 Lxf6 20. Tg1+ Kh8 21. Lg5 Lg7 22. Lf6! Lxf6 23. Dh6 S8d7 24. Lf5 zum Matt, doch alles andere als klar ist 18. ... Kh8 19. Df2 Ld8 20. Dh4 Lxf6 21. gxf6 g6. Dass hier auch Schwarz Chancen hat, verdeutlicht die Variante 22. Lh6 b3 23. Lxf8 bxa2 24. c3 Db5!

18.Kb1 Sa6?

Fahrlässig. Der zweite Springer gehört nach d7.

19. Sf6+! Kh8

Wiederum führt 19...gxf6 20.gxf6 Lxf6 21.Thg1+ Kh8 22.Lxb6 Dxb6 23.Dh6 Dd8 24.Lf5 zum Matt. Nun hätte Schwarz nach 20. Lxb6 Dxb6 21. Sd7 keine ausreichende Kompensation für die Qualität, aber trivial ist die weiße Gewinnführung nicht. Allerdings erfordert der Verzicht auf den Materialgewinn unter eigenen Opfern enormen Mut...

20. Thg1!? Sc5 21. Tg4 b3?

...der belohnt wird. Nach 21. ... gxf6 22. gxf6 Lxf6 23. Lxc5 Dxc5 24. Dh6 Sd7 steht der Turm auf g4 im Weg. Weiß hätte nichts Besseres als 25. Tg3 Tg8 26. Lxd7 Tg6 27. Txg6 (nach 27. Dh5 b3! kommt der schwarze Angriff zuerst) 27. ... fxg6 28. Lxa4 Df2, doch der Mehrbauer fällt nicht ins Gewicht.

22. Th4! gxf6

Auch das nervenstarke 22. ... h6 rettet Schwarz nicht wegen 23. Df2! (Idee 24.Txh6+ gxh6 25.Dh4) 23. ... a3 24. cxb3 bxa2 25. a4 Sbxa4 26. Txh6+! gxh6 27. Dh4 Sc3+ 28. Kc2 Lxf6 29. Dxh6+ Kg8 30. gxf6, und ihm bleiben nur noch ein paar Racheschachs)!

23. Dg2!

JenniDia
Es droht 24. Txh7+ Kxh7 25. Lf5+ Kg7 26. gxf6+ Kxf6 27. Dg5 matt. Auf 23. ... Tg8 entscheidet 24. Lf5 Tg7 25. Dh3. Erst hielt ich Forsters folgenden Zug 23...f5 für den entscheidenden Fehler. Ich fand diesen Zug, der in einer Stellung, in der ein Tempo den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmacht, den Läufer auf das angestrebte Feld f5 lockt, so schrecklich, dass ich eine andere Partie kommentieren wollte (Pelletier-Jenni, ein spannendes und für den Titelentscheid wichtiges Kampfremis). Dabei hätte 23. ... fxg5 nicht, wie ich zuerst dachte, nach 24. Txh7+! Kxh7 25. Lf5+ Kh6 26. Dh3+ Kg7 27. Dh7+ Kf6 28. Dh6+ Kxf5 29. Dh7+ zum Dauerschach geführt, sondern Weiß kann auf herrliche Weise seinen Angriff krönen: 28. h4! Tg8 29. Lg4! Es droht verheerend 30. hxg5+ Txg5 31. Dh6+ Tg6 32. Lg5, also braucht der König einen Fluchtweg: 29. ... Lf8 (29. ... Ld8 30. Lh5!) 30. Dxg8 Ke7 31. Lh5 und Weiß eropfert auch noch die geopferte Leichtfigur zurück und behält eine Initiative, die entscheidet. Das wäre ein glanzvolleres und verdienteres Ende für diese von Jenni hervorragend gespielte Partie gewesen als das, was folgte:

23. ... f5 24. Lxf5 a3 25. cxb3

Nur zum Remis führt 25. Txh7+? Kg8 26. Th8+ Kg7!

25. ... axb2 26. Ta4

Kompensiert ein wenig für den im 23.Zug versagten Glanz. Freilich verliert Schwarz auch nach 26. a4 Sbxa4 27. Dh3 Sc3+ 28. Kc2 b1D+ 29. Txb1 Da2+ 30. Tb2 glatt.

26. ... Scxa4 27. Dh3 Sc3+ 28. Kc2 b1D+ 29. Txb1 Dxa2+ 30. Tb2

Hier konnte Forster guten Gewissens die Waffen strecken. Aber vielleicht erfreute sich das Publikum am folgenden Königsmarsch:

30. ... Dxb2+ 31. Kxb2 Ta2+ 32. Kxc3 Sxd5+ 33. Kd3 Sb4+ 34. Ke4 d5+ 35. Kxe5 Sc6+ 36. Kxd5 Ta5+ 37. Kxc6 Txf5 38. Dxf5 1–0

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