Sonntag, 1. Oktober 2006

Abfliegen?

Auf einem Krisenblog aus Elista heißt es „wir schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass das Match am Montag weitergeht, auf 40 Prozent und die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Spieler am Montag einen Flieger nach Hause nimmt, auf 50 Prozent (es gibt eine 10-Prozent-Chance, dass etwas ganz anderes passiert)."

Was müsste nach den Regeln der gesunden Menschenverstands (auch wenn dieser im Falle der FIDE selten für Prognosen taugt) wirklich geschehen, wenn sich Kramnik und Topalow unter Iljumschinows Leitung nicht einigen? Dann muss natürlich die FIDE entscheiden. Entweder es folgt die fünfte Partie beim Stand von 3:1 für Kramnik oder die sechste Partie beim Stand von 3:2. Falls der sich benachteiligt fühlende Spieler abreist, wird die FIDE den anderen zum Sieger erklären und ihm 500 000 US-Dollar ausbezahlen. Der abgereiste Spieler wird leer ausgehen und dürfte gegen die FIDE klagen.

Topalow und Danailow traue ich nicht zu, dass sie dieses Risiko eingehen. Kramnik und Hensel dürften eher bereit sein, den Rechtsweg zu gehen, den Hensel ja auch bereits in seinem Protest gegen die (mittlerweile revidierte) Entscheidung des (mittlerweile geschassten) Schiedsgerichts erwähnt hat.

Nachtrag: Sonntag kurz vor 23 Uhr lese ich, dass das Match beim Stand von 3:2 für Kramnik am Montag mit der sechsten Partie fortgesetzt wird. Meines Erachtens die riskantere Entscheidung für die FIDE, denn der Vertrag und die Regularien sprechen weitgehend für Kramnik, aber wenn er und Hensel in keinem Punkt nachzugeben bereit waren, ist es keine Überraschung.

Verstopfung

Seit Mittwoch abend haben Kramnik und Topalow keinen Zug mehr ausgeführt. Außerhalb des Spielsaals sind sie umso aktiver: Proteste werden ausgetauscht, Videos analysiert, Presseerklärungen abgegeben. Statt am Brett sitzen sie einander am Verhandlungstisch gegenüber. Es gibt sogar Großmeister, die ihre Positionen kommentieren.

Die ersten Partien haben die Liebhaber des Spiels begeistert. Was danach geschah, begeistert die Redaktionen. Schach ist wieder in den Schlagzeilen. Die Superschlauen wissen bereits, dass alles inszeniert ist. Die Medien widerstehen ja auch nur schwer der Versuchung, Witze über die ums stille Örtchen streitenden Superdenker zu reißen.

Wenn ein Spieler den einzigen Ort, an dem er während der Partie unbeobachtet ist, fünfzig Mal oder auch nur zwanzig Mal aufsucht, ist das verdächtig. Am Protest von Topalows Manager Danailow ist nicht der Inhalt sondern der Stil kritikwürdig. Aber beim Stande von 1:3 heiligt wohl der Zweck die Mittel.

Auf den von Danailow ausbaldowerten Bulgarischen Angriff folgte das bei einer 3:1-Führung selten angewandte Kramnik-Gambit (1. Ich ziehe nicht). Seitdem haben wir: Verstopfung.

Nach fast zwei Tagen Verhandelns jubelt die FIDE gleich in zweifacher Ausfertigung „das Waschraum-Problem ist gelöst“. Kramnik soll nun ins bisher Topalow zugedachte Becken pinkeln und umgekehrt. Wie die WM zu retten ist, ob unter den Bedingungen Kramniks (3:1), Topalows (3:2) oder Iljumschinows (Verlängerung des Matches um zwei bis vier Partien), tangieren die FIDE-Mitteilungen erst gar nicht.

Verhandlungsmasse gibt es durchaus noch: Kramnik könnte – und sollte – sich von den in der russischen Presse (nicht zuletzt durch den russischen Olympiatrainer Sergei Dolmatow) gegen Topalow erhobenen Betrugsvorwürfen distanzieren. Die FIDE könnte – und sollte – sich für die Weitergabe des Videos aus Kramniks Ruheraum entschuldigen. Und vielleicht legt Iljumschinow ja eine Teilnahmegarantie an der nächsten als Rundenturnier geplanten WM für beide Spieler statt nur des Siegers auf den Tisch. Dies ginge nur auf Kosten nicht Anwesender, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es Teil eines Kompromisses wird, auch wenn es nicht unbedingt sofort bekannt gemacht wird.

Nachtrag: Sonntag 23 Uhr sind alle Spekulationen müßig, denn die FIDE hat entschieden, das Match beim Stand von 3:2 für Kramnik mit der sechsten Partie fortzusetzen. Was auf den Verhandlungstisch kam, wird man wohl in mehreren Versionen zu hören bekommen. Aber erstmal wird wohl ein Sturm der Entrüstung über die FIDE niedergehen, weil Kramnik formal weit gehend im Recht ist.

Chess, Lies and Videotapes

Kramniks Manager Carsten Hensel hatte schon vor der Reise nach Kalmückien von möglichen Provokationen gesprochen und angekündigt, keinen Fingerbreit nachzugeben. Diese Haltung hat am Freitag dazu geführt, dass Kramnik eine 3:1-Führung aufs Spiel gesetzt hat, indem er, nachdem das Schiedsgericht auf einen Protest von Topalows Manager Danailow eine sowohl formal unzulässige als auch einseitige Entscheidung getroffen hatte, nicht zur fünften Partie antrat.

„Es war eine geschickte Provokation von Danailow“, sagt Ilja Balinow. Der in Wien lebende Bulgare kennt Danailow und Topalow seit Jugendtagen. „Kramnik hätte darüber lachen sollen und anbieten, dass er seine Notdurft direkt am Brett verrichtet.“ Stattdessen lehnte Hensel jede Änderung der Matchbedingungen als Vertragsbruch ab. Stärker noch, er forderte eine schriftliche Entschuldigung von Danailow und den Austausch des Schiedskomitees (dem Makro und Asmai wohl nur deshalb angehören, weil es für normalerweise so gut wie keine Arbeit viele Tausend Dollar Vergütung gibt) wegen Parteilichkeit. Diplomatisch war sein Vorgehen nicht, sondern eher adrenalingesteuert.

Man versteht Hensels Vorgehen freilich besser, berücksichtigt man die schlechten Erfahrungen, die er mit der Gegenseite gesammelt hat. Dabei hatte er sich noch Ende 2001 der FIDE als Marketingmanager anzudienen versucht. Die Prager Einigung 2002 ist nicht nur aus Hensels Sicht an der Wortbrüchigkeit der FIDE gescheitert.

Seit etwa einem Jahr ist er auch wiederholt mit Silvio Danailow aneinander geraten. Im November 2005 verhandelten die beiden über die Ausrichtung des WM-Kampfes in Bonn. Ob Hensel bluffte oder tatsächlich Sponsoren für die in Aussicht gestellten 1,3 Millionen Euro Preisgeld sicher hatte, wurde nie bekannt. Die RAG, Hauptsponsor des Computer-Schaukampfs Ende November, stand nach eigener Aussage jedenfalls nicht dahinter. Es scheiterte nämlich schon an Hensels Bedingung, das Match außerhalb der FIDE auszutragen. Danailow ist nämlich in der FIDE, sagen wir mal: gut vernetzt. Während der letzten Monate schmiedete der Bulgare zudem eine Allianz der großen Einladungsturniere, die ab 2008 als „Grand Slam“ durch einen Prämientopf verbunden sein sollen – unter Ausschluss der Dortmunder Schachtage, denen Hensel noch als Berater verbunden ist.

Bis die von Hensel erwartete Provokation kam, lief das Match nach Maß für Kramnik. Zugleich prügelte die russische Presse auf Toppy ein. So wurde in den letzten Tagen gerne aufgegriffen, dass der russische Cheftrainer Sergei Dolmatow den Bulgaren des Betrugs bei seinem überlegenen WM-Sieg im vorigen Jahr zichtigte. Die Gelegenheit, den Psychokrieg abseits des Bretts zu erwidern, kam für Danailow, als er die Videoaufzeichnungen aus Kramnik Rückzugsbereich zugespielt bekam. Etwa von seinen Freunden Makro und Asmai?

Alles in allem eine höchst überflüssige Affäre, von der nun, Sonntag vormkttag, immer noch nicht klar ist, ob sie wohlmöglich zum Matchabbruch führt. Immerhin gibt es gegen 11 Uhr eine Annäherung: Die Toilettenfrage ist gelöst. Iljumschinow opfert das Schiedskomitee. Ob Kramnik den kampflosen Punkt wiederkriegt, wird anscheinend noch verhandelt. Ich denke aber nicht, dass er ein 3:2 schlucken wird, da er angesichts der Fehlentscheidungen des Schiedskomitees (zu später Protest, falsche Entscheidung, zu spät informiert...) ja formal im Recht ist.

Freitag, 29. September 2006

Rekordpinkler

In der Ausrichtung in Russland sah ich vor WM-Beginn keinen Heimvorteil für Wladimir Kramnik. Im Gegenteil meinte ich, dass die Erwartungen und Interessen der russischen Medien ihn sogar stärker fordern könnten. Inzwischen gibt es einige Anlässe, dieses Urteil zu überdenken (wie ich auch in der Freitagsausgabe der FAZ berichte).

Die russischen Medien haben sich nämlich auf Topalow eingeschossen. Ein Psychologe, der ihn begleitet, ist wahlweise als „Parapsychologe“ und „Wahrsager“ dargestellt worden. Eine Zeitung meldete gar, der Bulgare habe sich einen Chip ins Gehirn einsetzen lassen. Toppys Manager Silvio Danailow fand es skurril genug, die Geschichte weiter auszuspinnen. Er informierte üäber die vermeintlichen Details der Transplantation, erklärte die zwei Anfangsniederlagen mit einem technischen Defekt und verlautete, dass ein Neurochirurg für eine Operation am nächsten spielfreien Tag gesucht werde.

Damit nicht genug, riskierte Danailow am Donnerstag 5000 Dollar für die Einreichung eines Protests, der vom Schiedsgericht schon entschieden ist (nämlich dass beide Spieler von nun an das gleiche Klo benutzen müssen). Im ersten Moment klingt es skurril: Kramnik, der sich, wenn er nicht am Zug ist, meistens in seinen Ruheraum zurückzieht, besucht dort immer wieder den Waschraum. Woher Danailow das so genau weiß? Aus den Aufzeichnungen der in den Ruheräumen installierten Kameras. Die gibt es jedoch nicht im Waschraum. Was, fragt Danailow, treibt Kramnik bis zu fünfzig Mal während einer langen Partie dorthin? Hat er einen Händewaschzwang? Ist er Rekordpinkler? Wäre das den russischen Reportern nicht mal nähere Investigationen wert? Und würden sie dann bitte für einige Tage Toppys Gegner piesacken.

Montag, 25. September 2006

Ihr Jugendverderber ihr!

Also Unterhaltungswert, den hatten die ersten beiden Partien zwischen Kramnik und Topalow, aber hatten sie auch das Niveau, das man von einer WM erwartet? Ist das Ausmaß der Patzer, die in der zweiten Partie passierten, nicht erschreckend? Ich rede nicht nur von Topalow (32.Dg6+??, 36.Tc1?, 40.Lf4?, 55.Se6+?). Auch Kramnik hat mehrmals erheblich fehlgegriffen (31...Lxf8??, 39...De4?, 49...Tf1?).

Kann mal einer der in Elista anwesenden Kollegen den beiden ausrichten, dass sie sich schon etwas mehr anstrengen müssen, wenn die ganze globale Schachgemeinde zuschaut? Und müssen wir derweil unseren Nachwuchsspielern sagen: schaut nicht hin, das ist nichts für euch?

Zugegeben, dass uns die so gar nicht weltmeisterlichen Unzulänglichkeiten im Spiel von Kramnik und Topalow so ins Auge springen, liegt auch daran, dass wir ihre Spiele heutzutage mit beigeschalteter Computeranalyse verfolgen. Taktische Fehler erkennen die Programme sofort.

Mir kommt unwillkürlich die Begegnung der gleichen Spieler in der letzten Runde des Sofiaer Turniers 2005 in den Sinn. Topalow stellte eine Figur ein, Kramnik sah es nicht, oder vielleicht glaubte er dem Bulgaren auch, dass ein rettender Gegenangriff funktionierte. Bald darauf stellte Kramnik selbst eine Figur ein, die Topalow einkassierte, womit er mit einem Punkt Vorsprung Erster war, während Kramnik am Tiefpunkt seiner Karriere ankam.

Mir fällt aber auch ein Vorkommnis aus der ersten WM ein, die ich als Reporter verfolgt habe. Es geschah 1990 in New York während der siebten Partie. Karpow hatte Weiß, Kasparow war am Zug:

Kasppatzt

Als 27...Da5 auf den Monitoren erschien, brandete im damals von Reportern wie Großmeistern bevölkerten Analysesaal binnen kürzester Zeit eine Diskussion auf, ob wir gerade Zeuge des größten Fehlers in der Geschichte der Schach-WM geworden waren. Wie konnte Kasparow den von allen auf Anhieb erkannten Abzug 28.Sd5 übersehen haben? Es war zwar nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick schien, denn auf 28...Dc5+ folgte nicht 29.Le3 wegen 29...Lg5! sondern 29.Kh1!, und nach 29...Lxd5 (29...Dd4? 30.Le3!) 30.cxd5 Dd4 (30...Db5 war zäher) 31.dxc6 bxc6 32.Txc6 hatte Karpow ein Bäuerlein mehr. Aber wenn die Zeitgenossen von damals in 27...Da5? den größten Schnitzer der WM-Geschichte sahen, wie würden sie dann über die Häufung der Patzer am Sonntag urteilen?

Nachtrag: Über den größten Patzer der WM-Geschichte wird gerne diskutiert. Ich kann mich dem Urteil von Dr.Strangelove und Zwieblauch anschließen, dass dieser zweifelhafte Ruhm an Tschigorin geht für 32.Lb4 gegen Steinitz in folgender Stellung:

steinitz_chigorin

Sonntag, 24. September 2006

So viel Massel...

...wie Kramnik in den ersten beiden Partien hatte, geht auf keine Kuhhaut. Topalow war glanzvoll unterwegs, sich für sein Malheur vom Samstag zu revanchieren. Unter mehreren Opfern, zeitweise ließ er sogar seine Dame einstehen, erreichte er eine Gewinnstellung und verpasste mehrmals die Chance, den Sack zuzumachen. Aber sehen Sie selbst:

Topalow – Kramnik, 2.WM-Partie
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 dxc4 5.a4 Lf5 6.e3
6.Se5 scheint mir unangenehmer, zumal auf 6.e3 das von der Theorie unterschätzte 6...Ld3 möglich ist.
6…e6 7.Lxc4 Lb4 8.0-0 Sbd7 9.De2 Lg6 10.e4 0-0
Das gierige 10…Lxc3 11.bxc3 Sxe4 12.La3 ist gegen einen Angriffsspieler wie Topalow kein Zuckerschlecken.
11.Ld3 Lh5 12.e5 Sd5 13.Sxd5 cxd5 14.De3 Lg6 15.Sg5 Te8 16.f4
Alles noch Theorie. Weiß schlägt nicht selbst auf g6, um f4-f5 leichter durchdrücken zu können.
16...Lxd3 17.Dxd3 f5 18.Le3 Sf8 19.Kh1 Tc8 20.g4
In die Vollen. Auf 20...fxg4 soll 21.f5 folgen und auf 20...h6 21.Sxe6 nebst 22.gxf5.
20...Dd7
Deckt cool, denn nach 21.gxf5 exf5 hat Schwarz e6 für den Gaul und keine Sorgen. Auf f5 schlagen droht er nach Verdoppelung der Türme auf der g-Linie.
21.Tg1 Le7 22.Sf3
Short soll 22.Sxe6 Dxe6 23.gxf5 vorgeschlagen haben. Nach 23...Df7 gibt Schwarz die Figur im Falle von 24.f6 ohne zu mucken zurück und stünde besser.
22...Tc4 23.Tg2
Agiert weiter sehr direkt. Ob nach 23.b3 die Schwächung von c3 (notfalls deckt doch Ld2) wirklich ins Gewicht gefallen wäre? Egal, das Abholen des Bauern kostet Schwarz viel wertvolle Zeit.
23...fxg4 24.Txg4 Txa4
Verschluck dich doch an dem blöden Bauern, auf der g-Linie bist du matt.
25.Tag1 g6 26.h4 Tb4 27.h5 Db5 28.Dc2 Txb2
Zsuzsa Polgar schlägt auf ihrem Blog 28...Tb3 als Verbesserung vor.
29.hxg6!!

TopKram2

Brillant! 29...Txc2 30.gxh7+ Kh8 31.Tg8+ Kxh7 32.T1g7+ Kxh6 33.f5+ Lg5 34.Txg5, und Schwarz bleiben nur noch Verzweiflungsopfer. Aber was passiert auf...
29...h5 30.g7!
Genau. Nach Nehmen der Dame setzen die Türme nun allein matt.
30…hxg4 31.gxf8D+ Lxf8?
Etwas besser ist 31...Kxf8 32.Dg6 De2 33.Dxg4 Lg5, aber nach 34.Te1 Dd3 35.Sxg5 sollte Weiß gewinnen - allerdings ist es nach 34...Dc2 noch nicht so einfach, wie dem Kommentar unten von Luchtverfrisser zu entnehmen ist. Nun gewinnt 32.Txg4+ Lg7 33.Dc7! und Schwarz hat nur die Wahl zwischen dem Racheschach 33...Df1+ 34.Sg1 und sofortiger Aufgabe. Hat Toppy 33.Dc7 oder 34.Sg1 nicht gesehen oder wohlmöglich, dass nach 32.Txg4+ Kf7 33.Dh7 mattsetzt?
32.Dg6+?? Lg7 33.f5
Um mit 33.Sg5 Te7 34.Dh7+ Kf8 35.Dg6 remis zu machen, hat Topalow die Qualität und zwei Bauern nicht geopfert.
33...Te7 34.f6 De2 35.Dxg4 Tf7 36.Tc1?
Und nochmals verpasst Toppy eine Chance. Nach 36.Dh5 ist Schwarz stehend k.o. Auf 36...Dxe3 entscheidet 37.Sg5, auf 36...Tb3 geht 37.Txg7+ Txg7 38.fxg7, und nach 36...a5 gewinnt 37.Lh6 Tb3 38.Dxf7+ Kxf7 39.Txg7+ Ke8 40.f7+ Ke7 41.f8+ Kxf8 42.Tg2+
36...Tc2 37.Txc2 Dd1+ 38.Kg2 Dxc2+ 39.Kg3 De4?

TopKram2b

Besser sofort 39…Df5.
40.Lf4?
Der letzte Zug vor der Zeitkontrolle ist eine weitere Zitrone. Nach 40.Dxe4 fxe4 41.Sg5 ist wieder Schwarz in der Bredouille, z.B. 41...Lh6 42.Sxf7 Lxe3 43.Sd8 a5 44.d5! bzw. 43...Lxd4 44.f7+ Kf8 45.Sxe6+ Kxf7 46.Sxd4 und Weiß gewinnt.
40...Df5 41.Dxf5 exf5 42.Lg5?
Zu optimistisch. Er sollte auf g7 nehmen und seine Leichtfiguren für den Einsatz gegen die Damenflügelbauern bereithalten.
42...a5 43.Kf4 a4 44.Kxf5 a3 45.Lc1
Nach 45.e6 a2 46.exf7+ Kxf7 47.Se5+ Kg8 läuft der schwarze Bauer ungestraft ein.
45…Lf8! 46.e6 Tc7
Oh je. Nach 47.e7 Lxe7 48.fxe7 Txe7 49.Lxa3 erobert 49…Te3 die Figur. Topalows letzte Chance ist, den Läufer gleich zu geben und erst e7 zu spielen, wenn er d5 kriegt.
47.Lxa3 Lxa3 48.Ke5 Tc1 49.Sg5 Tf1?
Mehrere Kommentatoren (Zsuzsa Polgar, John Nunn, Mihail Marin) weisen darauf hin, dass 49...Tg1 gewinnen sollte.
50.e7 Te1+ 51.Kxd5 Lxe7 52.fxe7 Txe7 53.Kd6 Te1 54.d5 Kf8 55.Se6+?
Laut Nunn - und er hat die Sechssteinerdatenbank befragt - hält 55.Kd7 remis.
55...Ke8 56.Sc7+
56.Kc7 b5 57.d6 Tc1+ rettet Weiß auch nicht mehr.
56...Kd8 57.Se6+ Kc8 58.Ke7 Th1!
Gewinnt ein entscheidendes Tempo! Nach 58...b5 59.d6 Td1 60.Sc5 b4 61.d7+ Txd7 (61...Kc7 62.Sa6+) 62.Sxd7 b3 63.Sb6+ Kb7 64.Sc4 ist der Springer gerade noch rechtzeitig.
59.Sg5
Auf 59.Sf8 gewinnt 59...Th8! 60.d6 Txf8 61.Kxf8 Kd7.
59...b5 60.d6 Td1 61.Se6 b4 62.Sc5 Te1+ 63.Kf6
Oder 63.Se6 Txe6+ 64.Kxe6 Kd8 und der b-Bauer läuft durch.
63...Te3 0-1

Statt verdient 1,5:0,5 zu führen ist Toppy 0:2 hinten. Hoffentlich können wir das Match nun nicht schon abhaken.

Samstag, 23. September 2006

Kehrt Kok zurück?

Vielleicht ist der bei der FIDE-Wahl unterlegene Bessel Kok doch noch nicht für das Schach verloren. Laut einem Bericht der niederländischen Tageszeitung „Trouw“ hat ihn während einer Geschäftsreise in die Ukraine aus heiterem Himmel ein Anruf von Iljumschinow ereilt. Iljumschinow fragte den langjährigen Telekommanager, ob er bereit sei, das Spitzenschach und den WM-Betrieb für die FIDE zu organisieren. Kurz entschlossen stieg der Kalmücke in seinen Privatjet und traf Kok in Kiew. Der nannte dort seine Bedingungen, unter anderem, dass keine FIDE-Funktionäre im operativen Geschäft dabei sein dürfen. Iljumschinow zeigte sich einverstanden. Das Treffen fand vor acht Tagen statt.
Zu Beginn des WM-Kampfes tagt in Elista der FIDE-Vorstand. In Kürze dürften wir erfahren, ob Iljumschinow Wort hält und im Kreise seiner Speichellecker und Spesenritter den Beschluss durchboxt, ein Organisationsbüro für das Profi- und WM-Schach unter Koks Leitung in Amsterdam einzurichten.

Nachtrag: In einer Mitteilung der FIDE heißt es nun "he (Iljumschinow) had decided to establish a company which can serve as a commercial arm of FIDE. A commercial license agreement between the Company and FIDE will be drafted and dealt with in the Presidential Board Meeting in December 2006, in Amsterdam, the Netherlands." Koks Name ist nicht erwähnt, aber etwas ist auf dem Weg.
Weniger Hoffnung weckt der übrige Teil der FIDE-Mitteilung. Es gibt keine Ausrichter für die Kandidatenkämpfe gibt und nur einen einigermaßen dämlichen Vorschlag, die 16 Qualifizierten im April 2007 ein Rundenturnier in Elista spielen zu lassen. Da wäre es schon praktischer, wie Mig Greenguard zurecht ausführt, einfach zwei Runden Matches spielen zu lassen, um vier Teilnehmer der nächsten WM (neben Anand, Swidler, Morosewitsch und dem Sieger von Elista) für die nächste WM, die zumindest momentan noch wieder als Achterturnier geplant ist, zu ermitteln.

Mein Gott, Toppy

Spannung brachte die erste WM-Partie, aber nicht das korrekte Ergebnis. Kramnik verpasste im damenlosen Mittelspiel eine Chance auf einen kleinen Vorteil und geriet in die Defensive. Topalow hatte mehrmals die Möglichkeit ein Remis durch Zugwiederholung zu forcieren, kämpfte trotz Minusbauer weiter... aber sehen Sie selbst:

Kramnik - Topalow, 1.WM-Partie
1.d4
Also erstmal keine Lust auf den Sizilianer.
1…Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.g3
Keine Überraschung. Voriges Jahr hat er Topalow mit Katalanisch in Dortmund besiegt, nur spielte der Bulgare damals (wie Kramnik selbst früher) 4...Lb4+ 5.Ld2 Le7 6.Lg2 0-0 7.0-0 c6. Nun hat er sich etwas ausgedacht, was mehr Gegenspiel verspricht:
4…dxc4 5.Lg2 Lb4+
Das ist erst in jüngerer Zeit etwas in Mode gekommen.
6.Ld2 a5 7.Dc2 Lxd2+ 8.Dxd2!
Die Idee ist, auf 8...b5 9.Dg5 zu haben - und ansonsten den Bauern mit 9.Sa3 zurückzuholen. Nach 8.Sbxd2 b5 9.a4 c6 erhält Weiß mit 10.b3 cxb3 11.Sxb3 gerade so eben Kompensation für den Bauern, aber das ist natürlich nicht nach Kramnks Geschmack.
8...c6
Auf den ersten Blick sieht nun 9.Se5 gut aus, doch nach 9...b5! 10.Sxc6 Dc7 (10…Db6? 11.Se7 Lb7 12.Sc8 büßt die Qualität ein) 11.Dg5 hat Schwarz das teuflische 11...Sxc6! 12.Dxg7 Ke7 13.Dxh8 Lb7 14.Dg7 Sxd4, und 11.Se5 oder 11.Sxb8 verspricht Weiß nichts.
9.a4 b5
Sonst folgt einfach Sa3xc4 mit Vorteil.
10.axb5 cxb5 11.Dg5 0-0 12.Dxb5
Das war alles kürzlich in der Russischen Mannschaftsmeisterschaft in einer Partie Grischtschuk – Moisejenko auf dem Brett. Schwarz zog 12...Sa6 13.Dxc4 (13.Dxa5? Sc7) 13...Sb4 mit Kompensation. Topalow hat ein anderes Opfer im Sinn:
12...La6!?

KramTop0

Nach 13.Dxa5 Lb7! 14.Dxd8 Txa1 ist nun weder 15.Db6? Txb1+ 16.Kd2 c3+! noch 15.Dc7 Txb1+ 16.Kd2 Txb2+ befriedigend für Weiß. Bleibt die sofortige Rückgabe der Dame mit 15.Dxf8+ Kxf8 16.0-0, aber mit 16...Ta2 holt sich Schwarz den Bauern zurück, und seine aktive Figurenstellung kompensiert die Schwäche des c-Bauern, der freilich auch stark werden kann. Kein Wunder lässt sich Kramnik erst gar nicht darauf ein:
13.Da4 Db6 14.0-0 Dxb2 15.Sbd2 Lb5 16.Sxc4 Lxa4 17.Sxb2 Lb5
Ist der schwarze a-Bauer stark oder schwach? Kann Weiß die geschwächten schwarzen Felder nutzen?
18.Se5 Ta7 19.Lf3 Sbd7 20.Sec4
Wirkt passiv, aber nach 20.Sc6 Lxc6 21.Lxc6 Tc8 hat Schwarz nichts zu fürchten. Besser sieht 20.Sxd7 Sxd7 21.Tfc1 aus.
20...Tb8 21.Tfb1 g5!
Bravo! Toppy schraubt das Risiko höher.
22.e3 g4 23.Ld1 Lc6 24.Tc1 Le4 25.Sa4 Tb4 26.Sd6 Lf3 27.Lxf3 gxf3
Dieser Bauer soll der Pfahl im Fleisch des Weißen sein, wenn er sich am a-Bauern vergreift.
28.Sc8 Ta8 29.Se7+ Kg7 30.Sc6 Tb3 31.Sc5 Tb5 32.h3 Sxc5 33.Txc5 Tb2 34.Tg5+
Auf 34.Se5 Se4 35.Tc7 nimmt Schwarz nicht auf f2 sondern zieht das teuflische 35...Kg8! mit der Pointe 36.Txf7 Sg5!
34...Kh6
Hier steht der König ab vom Schuss. Mit gefällt 34...Kf8 besser.
35.Tgxa5 Txa5 36.Sxa5 Se4 37.Tf1 Sd2 38.Tc1 Se4 39.Tf1
Remis? Nein! Die Zugwiederholung kann er später immer noch haben, sagt sich Toppy und kämpft weiter.
39…f6 40.Sc6 Sd2 41.Td1 Se4 42.Tf1 Kg6
Der 40.Zug ist vorbei. Hier hat Topalow wieder genügend Bedenkzeit. Trotz des Minusbauern entschließt er sich zu kämpfen. Will er 43.d5 provozieren?
43.Sd8 Tb6?!
Entlässt Weiß aus der Umklammerung. Was spricht gegen 43...e5?
44.Tc1 h5 45.Ta1 h4 46.gxh4 Kh5 47.Ta2 Kxh4 48.Kh2
Jetzt müsste nur noch der schwarze Turm auf die g-Linie und die Sache wäre geritzt, doch der Weg ist versperrt. So scheitert 48...e5? trivial an 49.dxe5 fxe5 50.Ta4
48...Kh5 49.Tc2 Kh6 50.Ta2 Kg6 51.Tc2 Kf5 52.Ta2 Auch Kramnik mag sich nicht rühren.
52...Tb5 53.Sc6 Tb7 54.Ta5+ Kg6 55.Ta2 Kh5
Genug laviert. Nun, da der schwarze König weit ab steht, handelt Kramnik.
56.d5 e5
Nach 56...exd5 57.Sd4 fiele der wichtige f-Bauer.
57.Ta4

kramtop1

Gerade noch remis hält nun 57...Sxf2 58.Kg3 e4!! 59.Kxf2 Tb2+ 60.Kf1 (60.Kg3?? Tg2+ 61.Kf4 f2 62.Ta1 Tg1) 60…Tb1+. Sieht er es? Mein Gott, Toppy, nein!
57…f5?
Nun bricht die schwarze Stellung auseinander.
58.Sxe5 Tb2 59.Sd3 Tb7
Toppy kämpft noch ein bisschen, aber das baldige Fallen des f-Bauern entscheidet.
60.Td4 Tb6 61.d6 Sxd6 62.Kg3 Se4+ 63.Kxf3 Kg5 64.h4+ Kf6 65.Td5 Sc3 66.Td8 Tb1 67.Tf8+ Ke6 68.Sf4+ Ke5 69.Te8+ Kf6 70.Sh5+ Kg6 71.Sg3 Tb2 72.h5+ Kf7 73.Te5 Sd1 74.Se2 Kf6 75.Td5 1-0

Ein glückliches 1:0 also für Kramnik und eine Parallele zu seinem Titelkampf vor zwei Jahren gegen Leko, der ebenfalls in der ersten Partie den Zeitpunkt, remis zu machen, verpasste.

PS: Jede Partie werde ich hier aber nicht analysieren...

Wer soll gewinnen?

Magnus Carlsen tippt* auf Kramnik. Weil er nämlich wieder in Form sei und eine gute Bilanz gegen Toppy hat. Für die Bundesliga-Website habe ich noch ein paar weitere Leute gebeten, einen Tipp abzugeben. Wenn man die zusammen mit den Begründungen liest, ergibt sich: Der Kopf sagt Kramnik, das Herz Topalow.

Mir geht es ja selbst so. So glanzvoll, kämpferisch und ideenreich wie Wesko die Szene zuletzt beherrscht hat, wäre es einfach ungerecht, wenn er den Titel nach knapp einem Jahr schon wieder abtreten müss. Eigentlich hätte er „draw odds“ verdient, also den Titel im Falle eines 6:6. Andererseits soll derjenige gewinnen, der in Elista das bessere (und hoffentlich auch schönere) Schach zeigt.

Und es gibt ja einige Kleinigkeiten, die für Kramnik sprechen. Wenn er siegt, ist ziemlich sicher, dass ein Weg gefunden wird, Toppy in die nächste WM zu schleusen. Umgekehrt ist das zwar nicht auszuschließen, aber längst nicht so wahrscheinlich. Ein Sieg von Kramnik ist auch eine wesentliche Voraussetzung, dass der Computerschaukampf Ende November, Anfang Dezember in Bonn Beachtung findet. Sonst vertschüsst sich die RAG wohlmöglich sofort frustriert wieder vom Schachsponsoring. Zudem hielte Kramnik als Weltmeister etwas Distanz zur FIDE und würde nicht jeden Blödsinn mitmachen. Eine Titelverteidigung gegen den (ungefähr Weltranglistenzwanzigsten) Radschabow im nächsten April, ein Match, das die Welt nicht braucht, ist mit ihm nicht zu machen, während Toppys Manager Danailow mit den Aseris handelseinig scheint.

Aber statt schon über die schachpolitischen Konsequenzen des Ausgangs nachzusinnen, wollte ich ja eine andere Prognose wagen. Nämlich dass wir in Elista, wenn Kramnik 1.d4 vorgesetzt bekommt, die derzeit sehr heiße Moskauer Variante (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 h6) sehen werden, die kürzlich zwischen Radschabow und Anand im Mainzer Schnellschachmatch diskutiert wurde. Ein anderer Tipp ist, dass Kramnik, der ja mit der Najdorf-Variante weder als Weißer noch als Schwarzer zurecht kommt, vielleicht mal (nach 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6) 5.f3 aus dem Ärmel zaubert. Vielleicht schon in der ersten Partie, in der hat Kramnik nämlich Weiß. Wenn man sich Zoltan Vargas feine f3-Bilanz ansieht, fragt man sich, warum das auf höchstem Niveau noch nicht gespielt wurde. Auf 5...e5 setzt Weiß besser nicht mit 6.Lb5+ auf Trick wegen 6...Sbd7! (6...Ld7? 7.Lxd7+ Dxd7 8.Sf5 d5 9.Lg5! dxe4 10.Lxf6) 7.Sf5 d5! 8.exd5 a6 sondern mit 6.Sb3 Le6 7.c4 fort. Raumvorteil hat Kramnik als gelernter d4-Spieler ja ganz gerne. Na ja, ist nur so eine Ahnung. Eine ausführlichere Betrachtung zur Eröffnungswahl gibt es hier.

Die Sekundanten sind übrigens auf Kramniks Seite Illescas (wie gehabt), sein Nationalteamkollege Rubljewski und Motyljew, der als Trainer der Russen in Turin war. Topalow vertraut auf Tscheparinow (wie gehabt), Vallejo und Onischuk (vielleicht eine Überraschung für Kramnik).

Übertragen wird nicht nur offiziell sondern unter anderem auch für registrierte Mitglieder auf dem Chessbase-Server oder im ICC. Gespielt wird übrigens immer um 13 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Erste Zeitkontrolle um 17 Uhr, zweite Zeitkontrolle um 19 Uhr. Nach dem 60.Zug gibt es übrigens nicht eine halbe Stunde für den Rest sondern 15 Minuten zuzüglich vor jedem Zug 30 Sekunden. Der Terminkalender sieht jeweils zwei Spieltage und dann einen Tag Pause vor. Nur gegen Ende gibt es vor der elften und vor der zwölften Partie Ruhetage. Die zwölfte Partie ist am 10.Oktober, einem Dienstag. Steht´s 6:6 folgen vier Schnellpartien (25 Minuten plus 10 Sekunden vor jedem Zug). Gibt´s dann immer noch keinen Weltmeister, wird, Gott behüte, geblitzt.

* und wie ich gerade lese: Kasparow enthält sich.

Freitag, 22. September 2006

Wo liegt Bönnigheim?

War da nicht etwas? Beginnt an diesem Samstag nicht die Schach-WM? Nicht irgendein blöder FIDE-Knockout sondern die lange ersehnte Vereinigungs-WM? Ich habe gerade Google News mit „Schach WM“ gefüttert. Außer einer Reihe von Links zu Chessbase fand sich da praktisch nur die „Bönnigheimer Zeitung“, deren Online-Ausgabe einen dpa-Bericht brachte, wie man ihn locker in einer halben Stunde von zuhause runterreißen konnte, der aber die Frage aufwarf, nein, nicht wo Bönnigheim liegt, sondern was der Kollege, den wir „Kohle“ nennen und seit Dienstag in Kalmückien vermuten, dort eigentlich treibt*: In seiner Meldung ist nichts drin, was man nur am Schauplatz des Geschehens erfahren konnte. Dabei halte ich jede Wette, dass seine Reise vom obersten Kalmücken gesponsert ist. Aber das Wichtigste zur WM hat „Kohle“ eh schon im Interview (diese sonst seriöse Wochenzeitung erwähne ich pietätshalber nicht) dem dicken Tolja rausgekitzelt.

Vielleicht bin ich zu streng. Vielleicht geht es in den deutschen Medien ja erst am Tag der ersten Partie richtig los. Mein Doppelporträt von Wlad und Toppy erscheint in der FAZ ja auch erst am Samstag. Hinfahren werde ich nicht. Zweimal Elista (1996 und 1998) reicht. Auf die vom FIDE-Sekretariat angekündigte Information für Journalisten warte ich seit einem Monat.

Ich habe dann noch „world chess championship“ in die englischsprachigen Google News getippt. Da findet sich ein solides Stück aus „New York Times“ / „International Herald Tribune“, ein eher windiges der Londoner „Times“, eine ganze Reihe Fehlschüsse, darunter der süße Hinweis auf die „Pumpkin Chess Championship“ in einer amerikanischen Idylle namens Half Moon Bay „unter Leitung des früheren WM-Schiedsrichters Eric Schiller“. Ich habe es dann noch mit „chess elista“ versucht, was zu einer über den Zeiten schwebenden Abhandlung des „Guardian“ über „Schach und Buddhismus“ führt.

Hätte die WM vor der FIDE-Wahl stattgefunden, hätte Kirsan wahrscheinlich mehr in die Öffentlichkeitsarbeit investiert. Was geht diesem ewig grinsenden Kalmücken bloß im Schädel rum? Ich hab´s. Wahrscheinlich will er einfach nur verhindern, dass viel berichtet wird, so dass keine anderen Sponsoren auf den Geschmack kommen und er die nächste WM wieder so billig kriegen kann, nämlich für grob überschlagene 770 000 Euro Preisgeld. Elista forever.

Jetzt schau ich doch mal nach, wo Bönnigheim liegt...

*Inzwischen (Freitag abend) wissen wir´s: Er hat gerade seine Digitalkamera über der Chessbase-Seite entleert.

Mittwoch, 20. September 2006

Wo bleibt die Handygarderobe?

Eugene Varshavsky spielte kürzlich in Philadelphia das Turnier seines Lebens. Nominell ging er als einer der schwächsten Teilnehmer ins World Open. Als einer, der nicht den Hauch einer Chance hatte, von den 150 000 Dollar Preisgeld mitzunaschen. Doch Varshavsky fegte einen Meister nach dem anderen vom Brett. Nachdem er schließlich sogar keinen Geringeren als den israelischen Weltklassemann Ilja Smirin düpiert hatte, erwartete ihn vor der nächsten Runde ein Schiedsrichter. Varshavsky stimmte einer Leibesvisite zu, bat aber, vorher die Toilette benutzen zu dürfen. Vierzig Minuten und zahlreiche Spülvorgänge später kam er zurück. Seine Partie verlor er kurz und nahezu kampflos.

Immerhin durfte Varshavsky das World Open im Gegensatz zu Steve Rosenberg beenden. Rosenbergs angebliches Hörgerät hatte sich als ein drahtloser Empfänger namens „Phonito“ entpuppt. Das war zwar kein Beweis, dass er tatsächlich fremde Hilfe in Anspruch genommen hatte, doch zumindest ein Hilfsmittel, das durch die Regeln geahndet wurde.

Wenn Patzer auf einmal wie Meister agieren, stecken immer öfter elektronische Helfer dahinter. Eifrige Schiedsrichter sind schon auf Toilettenschüsseln geklettert, um zu überwachen, ob der Spieler im Häuschen daneben mit einem Handcomputer zugange war. Nun werden sie das wohl häufiger tun, und man wird wohl bei immer mehr Turnieren Metallschleusen sehen, wie man sie sonst vom Flughafen kennt. Denn nie war das elektronische Doping so leicht wie heute.

Shredder mobile, die neue Software von Stefan Meyer-Kahlen, macht aus dem Handy nämlich einen Weltklasseberater für die Hosentasche und ist seit Anfang September um 25 Euro zu haben. Mit dem üblichen Speicherplatz schafft das Handy zwar nur etwa das Niveau eines guten Klubspielers. Doch Meyer-Kahlen hat seiner Kreation ein unschlagbares Feature mitgegeben. Mit wenigen Tastendrucken erreicht man die auf einem schnellen Server laufende Vollversion von Shredder, dem mehrmaligen Computerweltmeister. Außerdem lassen sich auf diesem Weg Eröffnungsvarianten und die Endspieldatenbank bis maximal sechs Steine auf dem Brett abfragen.

Er habe dabei an Amateure gedacht, die nach ihrer Partie erfahren wollen, was sie falsch gemacht haben und nicht warten wollen, bis sie vor ihrem Computer sitzen, so Meyer-Kahlen. Die meisten Käufer werden nicht auf dumme Gedanken kommen, meint der Düsseldorfer, sondern in ihrem Handy einen jederzeit bereiten Spielpartner finden oder die mitgelieferten Schachaufgaben austüfteln: „Es gibt zwanzig Wege, Shredder mobile vernünftig zu nutzen, aber leider auch einen schlechten.“

Die FIDE-Regeln verbieten die Mitnahme möglicher Hilfsmittel, also auch Handys, in den Turniersaal. Praktikabel ist das eigentlich nur bei großen Turnieren. Die Auslegung beschränkt sich meist darauf, dass das Handyklingeln sanktioniert wird. Gründlichere Völker wie die bekanntlich nicht mit dem meisten Augenmaß gesegneten Germanen strafen Spieler mit Partieverlust und Zuschauer mit dem bösen Blick. Gleichbehandlung gilt in der Niederlande, wo in diesem Fall eine Spende in die Jugendkasse erwartet wird. Erst wenn der Klingelsünder nicht zahlt, droht dem Spieler eine Null, während der Zuschauer mit einem (allerdings dauerhaften) Saalverbot davon kommt.

Ist eigentlich mein drei Jahre alter Vorschlag, dass Veranstalter eine Art Handy-Garderobe einrichten, schon irgendwo aufgegriffen worden?

Montag, 11. September 2006

Es knallt

Wissen Sie, wer die ACP Tour 2005/6 gewonnen hat? Topalow? Falsch. Anand? Auch falsch. Aronjan war´s.
Gut, da konnte man drauf kommen. Mir geht es auch eher darum, dass es praktisch niemand zur Kenntnis genommen hat, und es auch folgenlos ist, denn es gibt nicht nur wenig Ruhm sondern auch kein Preisgeld. Das einzige ist die vage Hoffnung, dass es dem Vorsitzenden der Berufsspielervereinigung gelingt, das erhoffte Finalturnier für die Bestplatzierten auf die Beine zu stellen. Und Joel Lautier soll derzeit mit voller Kraft in Paris daran arbeiten. Wenn es wieder nicht klappt, geht ein weiteres Projekt der ACP den Bach runter und der Profiverein wohlmöglich gleich mit.
Denn nun konkretisieren sich aus anderer Richtung Pläne, den internationalen Turnierkalender zu dominieren: Ab 2008 wollen sich vier große Turniere zu einem „Chess Grand Slam“ zusammenschließen, an dessen Ende dem Gesamtbesten 300 000 Euro winken sollen. Im Boot sind Wijk aan Zee, Linares&Morelia (das wohl weiterhin auf zwei Kontinenten ausgetragen wird), Sofia und Bilbao.
In der baskischen Stadt, die sich bisher nur durch Mensch-Maschine-Wettbewerbe profilierte, wurden die Pläne am vorigen Freitag von Silvio Danailow präsentiert. Der Manager von Topalow, mit dem er in wenigen Tagen zum WM-Kampf gegen Kramnik nach Elista aufbrechen wird, zieht die Strippen. Zum Plan gehört, dass die vier ersten der Weltrangliste alle vier Topturniere bestreiten müssen oder gar nicht erst zugelassen werden.
Das hätte Folgen für die Dortmunder Schachtage, denn es würde erheblich schwerer, an die absolute Spitze ranzukommen, wenn diese neben ihren sonstigen Verpflichtungen vier gesetzte Turniere haben. Was aber auch sein Gutes hätte, denn dann wäre die konservative Einladungspolitik der Dortmunder obsolet.
Nun wird auch verständlich, warum der Name des erfolgreichsten Turnierspielers der letzten zwei Jahre in keiner ACP Tour-Rangliste aufscheint. Dass Topalow gar nicht erst Mitglied der Vereinigung der Berufsspieler geworden ist (und nur diese werden von ihr gelistet), deutet darauf hin, dass Danailow seinen erstmals während des Turniers in Sofia im Mai bekannt gewordenen Pläne schon länger verfolgte. Übrigens taucht auch die FIDE nicht in den Grand Slam-Plänen auf. Was ein gutes Zeichen dafür ist, dass das klassische Sieben-Stunden-Schach bestehen bleiben wird.
Falls Sie sich fragen, was Slam eigentlich auf Deutsch heißt, hier die Auflösung: „Knall“.

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