Mittwoch, 21. März 2007

Umfrage

Die ACP hat Spieler befragt, was sie von einer Beschränkung des Remisbietens halten. Drei von sieben sind dagegen, eine knappe Mehrheit kann also mit einer Einschränkung leben, wobei mehr damit einverstanden wären, Friedensverhandlungen vor dem 30. oder 40.Zug als die ganze Partie über (Sofia-Regel bzw. korsische Regel) zu verbieten.

Die Diskussion ist inzwischen auch in der deutschen Bundesliga angekommen. Da an einem Spielort stets 16 Partien (statt wie in Linares vier) laufen, schauen die meisten Zuschauer über ein paar Schiebereien weg. Aber einige haben sich, wie ich finde, zu Recht, aufgeregt. Vielleicht werden die Spieler ja ausnahmsweise mal in die Entscheidung eingebunden. Ich könnte mir vorstellen, dass eine knappe Mehrheit der Bundesligaspieler bereit wäre, bis zur Zeitkontrolle nach 40 Zügen auf Remisgebote zu verzichten (Zugwiederholungen wären natürlich okay, vorausgesetzt es handelt sich nicht um vereinbarte Nachspiele von Partien aus der Datenbank).

Eine andere Umfrage hat mich per E-Mail erreicht. Die Medienzeitschrift "Der österreichische Journalist" plant im April-Heft einen Online-Schwerpunkt und befragt dazu auch "bloggende Medienmenschen in Österreich". Überraschend genug, dass der Schachblog gefunden wurde. Hier meine Antworten:

1) Seit wann bloggen Sie?
Seit Mai 2006

2) Warum bloggen Sie?
Wie der Name schon sagt, blogge ich über Schach, neben Wissenschaft mein zweites journalistisches Standbein (wobei Schach in den österreichischen Medien praktisch nur in Kolumnen stattfindet, also ohne mich und ohne dass die interessanten Themen angerührt werden, aber das ist im österreichischen Medienjournalismus ja auch nicht anders, oder?). Schachblog ist eine Oase für Hintergründe, Insiderinfos und Innenansichten der Schachszene. Die hat nämlich Besseres verdient, als von www.Chessbase.de gesagt zu bekommen, was sie zu beachten und zu glauben hat.

3) Wie viele Besucher klicken im Schnitt täglich auf Ihre Site?
Da Statistiken bei Twoday kostenpflichtig sind, habe ich keine Ahnung.

4) Welches Feedback bekommen Sie auf Ihre Bloggerei?
Zu wenig. Dass keine Schreibaufträge und nicht einmal Gastbeiträge reinkommen, enttäuscht.

5) Was denken Sie über die österreichische Bloggerszene?
Da ich nur einen österreichischen Blog regelmäßig lese, steht mir kein Urteil zu und schon gar kein vergleichendes.

6) Was wäre für Sie ein Grund, mit dem Bloggen aufzuhören?
Wenn ich, was aus praktischen Gründen überfällig ist, den Schachjournalismus denen überlasse, die keine Ahnung und nichts mitzuteilen aber die Plätze haben.

7) Ein Blick in die Zukunft: Wie soll sich Ihr Blog in den nächsten fünf Jahren entwickeln?
Das hängt ganz davon ab, ob ich ein anderes Schachprojekt (dem ein Blog vielleicht eher nützt) realisiere.

8) Wie heißt Ihr aktuelles Lieblingsblog?
Da ich nur einen Nichtschachblog regelmäßig verfolge, bleibt mir keine Wahl: Sciblog.at

Liebe Grüße, Ihr Schachblogger

Sonntag, 18. März 2007

Spreek je Nederlands?

Das Magazin „New in Chess“ entstand 1984 auf den Fundamenten einer anderen Zeitschrift namens „Schaakbulletin“. Wim Andriessen hatte es herausgegeben, und Großmeister des Schachfeuilletons wie Jan Hein Donner, Hans Ree, Tim Krabbé und Max Pam hatten es gefüllt. Andriessen sah eine Gelegenheit für ein internationales Magazin und tat sich zu diesem Zweck mit Jan Timman zusammen, der damals nicht nur zur Weltspitze zählte sondern auch als Schachautor und -kolumnist einige Erfolge gebucht hatte. „New in Chess“ erschien zunächst sowohl in einer niederländischen als auch einer englischen Ausgabe. Nach gut einem Jahr war nicht mehr zu übersehen, dass sich zwei Ausgaben nicht rechneten. Die Niederländer sprachen gut englisch, sollten sie doch die internationale Ausgabe kaufen. In den nächsten Jahren wichen die Schachfeuilletons in „New in Chess“ immer mehr an den Rand. Und so mancher trauerte dem „Schaakbulletin“ nach.

Nun liegt „Matten“ vor, eine schachliterarische Zeitschrift aus dem Hause „New in Chess“ (für das ich zwei Übersetzungen gemacht habe, also nicht unabhängig bin). Dem alten „Schaakbulletin“ eifert „Matten“ nicht nach sondern eher literarischen Sportzeitschriften wie „Hard Gras“ (Fußball), "Zwart Ijs" (Eislaufen) oder "De Muur" (Radrennen), die in der Niederlande wunderbar gedeihen. Zweimal jährlich soll der 128 Seiten starke Band mit dem programmatischen Untertitel „Schaakverhalen“, Schachgeschichten, erscheinen. Sicher keine Goldmine, eher ein Liebhaberobjekt für den kleinen Markt derer, die Nederlands spreken. Und man kann Andriessens Nachfolger als Verleger, Allard Hoogland, nur wünschen, dass es sich halbwegs rechnet.

In der ersten Ausgabe gräbt „New in Chess“-Redakteur Dirk Jan ten Geuzendam Erinnerungen an das Weltcupturnier 1991 in Reykjavik aus, wie leicht es war, ein Date mit Björk zu kriegen, wie Isländer mit Alkohol umgehen und dergleichen mehr, was es damals nicht in das Magazin brachte. Jen Shahade berichtet von der emotionalen Achterbahnfahrt, die auf die Veröffentlichung ihres Buches über Frauenschach „Chess Bitch“ folgte. Genna Sosonko hat Arnfried Pagel in Berlin besucht, den früher in der Niederlande lebenden deutschen Betonunternehmer, der, um es den Kleingeistern in seinem örtlichen Schachverein zu zeigen, selbst einen Klub gründete, der der Beste des Landes werden sollte und zu diesem Behufe von der untersten Klasse an Großmeister aus den USA einfliegen ließ und just in dem Moment bankrott ging, als seine Truppe soweit war, um den Titel zu spielen. Auch eine Ehrenrettung des von Donner publizistisch beerdigten Lodewijk Prins wird versucht. Alles lesenswert, wenn auch hier und da zu lang und leider auch etwas zu anekdotenhaft geraten.

Richtig ärgerlich ist nur ein Stück. Das hat Claus Spahn beigetragen, der pensionierte Kulturredakteur des WDR, der die offiziell routiniert gelobten, aber in Wahrheit peinlichen und entsetzlich altmodischen Schachsendungen mit Helmut Pfleger verantwortet hat. Der Selbstdarsteller macht sich einmal mehr selbst größer, als er war. Spahns Stück handelt vordergründig von seinen Erlebnissen mit Kasparow, aber eigentlich geht es Spahn darum, herauszustreichen, dass es seiner eigenen Initiative und Ideen zu verdanken sei, dass die PCA-WM 1995 in Köln stattfinden sollte. Die kurzfristige Verlegung des Matches nach New York schreibt er allein dem Egoismus von Kasparow zu. Bob Rice, den Direktor der PCA und sicher keine Marionette Kasparows, erwähnt Spahn mit keiner Silbe. Dabei war es Rice, der die Verlegung durchdrückte, um seinen persönlichen finanziellen Schnitt machen zu können.

Spahn behauptet, Kasparow habe mit der Verlegung Intel letztlich so vergrault, dass sich der Chiphersteller vom Schachsponsoring zurückzog. Einen Beleg für diese gewagte These liefert er nicht, sondern verweist auf ein vertrauliches Gespräch, das er mit dem Europachef von Intel geführt habe und von dem er genau einen Satz wiedergibt: „Wir konnten Herrn Kasparow doch nicht zwingen, nach Köln zu kommen.“ Dieses Erlebnis mit Kasparow sei aber die einzige Enttäuschung gewesen, die er „in meiner journalistischen Arbeit mit Schachspielern aus der ganzen Welt“ erlebt habe. Von der Enttäuschung derer, die sich das über Jahre ansahen oder auch nicht mehr ansehen konnten, schweigt Spahn natürlich. Ich habe das Konzept von „Matten“ anders verstanden, nämlich dass seine Autoren keine Märchen erzählen (sollen).

Samstag, 17. März 2007

Partie des Tages

Der erste Bundesligaspieltag, den ich diese Saison zuhause verbringe. Und ausgerechnet aus Solingen, wo meine Kreuzberger spielen, gibt es keinen Liveticker (an dem es, oh je, auch sonst noch jede Menge zu verbessern gibt). Immerhin sind die übertragenen Kämpfe alle recht spannend und auch der Liveticker aus Hamburg tönt so: HSK steht vor dem Sieg gegen Porz!

Eine Partie ist dabei, die ich sofort meiner Shortlist für die Wahl der besten Partie der Saison beigefügt habe, nämlich Stephan Berndts spektakulärer Sieg gegen Stocek. Wenn es das auf der Bundesliga-Seite schon gäbe, geplant ist es seit längerem, wäre das die Partie des Tages, des zwölften Spieltags. Voriges Jahr hat der Berliner den Preis für die beste Partie der Saison mit einem 6.Lc4-Sizilianer gewonnen.

Die übrigen Partien auf meiner bisherigen Shortlist (aus der nach Saisonende am 1.April zehn übrig bleiben, aus denen die Leser der Schachbundesliga-Website dann in einem Preisausschreiben die Beste wählen sollen):

Anand – Macieja 1-0
Navara – Erenburg 1-0
Bischoff – Löffler 0-1
Nisipeanu – Braun 0-1
Motyljew – Lutz 1-0
Lutz – Navara 1-0
Schirow – Postny 1-0
Hansen – Hertneck 1-0
Laznicka – Sargissjan 0-1
Wolokitin – Bacrot 1-0
Berndt – Stocek 1-0

Über weitere Vorschläge würde ich mich freuen. Immer her damit (auch per Mail: messelwitz2000@yahoo.de)!

PS:
Vorgeschlagen wurden inzwischen
Sebastian - Sträter 1-0
Czarnota - Ribli 1-0
Bartel - Fridman 1-0
Handke - Souleidis 1-0

Eigene Ergänzungen
Areshchenko-Chenkin 1-0
Areshchenko - Socko 1-0

Freitag, 16. März 2007

Kasparow kommt

Oder ist sogar schon da. Anlässlich des Erscheinens seines Buches "Strategie und die Kunst zu leben" verbringt unser alter Champ nämlich eine gute Woche in Deutschland (mit einem Abstecher in die Schweiz, ein geplanter Hakenschlag nach Wien, wo der Geburtstag seiner Mutter Klara gefeiert werden sollte, hat sich allerdings mangels Veranstalter zerschlagen).

Los geht es an diesem Sonntag, den 18.März. Bei den Kölner Literaturtagen, Litcologne, spricht er um 21 Uhr auf der MS RheinEnergie "Literaturschiff" am KD-Anleger, Frankenwerft mit dem Fernsehjournalisten und Russland-Kenner Klaus Bednarz (Karten 15 Euro). Sein Gastspiel bei "Beckmann" wird am Montag, 19.März um 22.45 Uhr ausgestrahlt (ARD).

Am Dienstag, den 20.März um 20.30 Uhr liest Kasparow bei Orell Füssli in Zürich (30 Franken Eintritt). Nächsten Donnerstag, den 22.März, ist er dann bei der Leipziger Buchmesse. Dort nimmt er gleich drei Termine wahr: Eine Diskussion und zwei Lesungen (in englischer Sprache). Am Samstag, den 24.März um 16 Uhr signiert er in Berlin bei Dussmann (Bahnhof Friedrichstraße). Und am Sonntag, den 25.März wird er doch noch bei Sabine Christiansen auftreten. Dass seine Zuschaltung aus Moskau zu einer früheren Ausgabe der Plauderstunde abgeblasen wurde, hatte damals für reichlich Wirbel gesorgt.

In den letzten Wochen war er aber auch in Zusammenhang mit Anti-Kreml-Demonstrationen in St.Petersburg und Moskau in den Schlagzeilen. Das Schweizer "Facts" hatte ein Interview, der Spiegel hat diese Woche (11/2007) eines mit ihm. Das neue deutsche People-Magazin "Vanity Fair" und das deutsche "GQ" (soll im April erscheinen) haben ihn in New York interviewt. Im Zürcher Tages-Anzeiger und der Süddeutschen Zeitung, die ihn am Sonntag in Köln treffen, erscheinen Interviews im Laufe der Woche.

Die ganze Publicity wird den Piper Verlag freuen. Kasparows Lektionen aus dem Schachspiel für das Leben, vor allem den geschäftlichen Teil davon, erscheinen sogar zuerst in der deutschen Fassung. Die englische Ausgabe folgt im April, in den USA und Russland soll das Buch erst im Herbst in den Handel kommen. Die Ausgaben werden den jeweiligen Märkten angepasst, so Mig Greenguard, der Kasparow bei diesem Projekt einen guten Teil der harten Schreibarbeit abgenommen hat.

Ich habe das Buch für die April-Ausgabe von "Schach" und die Frühjahrsbuchbeilage der Wiener Stadtzeitung "Falter" besprochen. Nur so viel: Begeistert war ich nicht. Man muss wohl ein Kasparow-Fan sein oder ein gesteigertes Interesse haben, in Schachtermen über Wirtschaft nachzudenken, um dieses Buch zu lieben. Man erfährt kaum Neues über ihn aber kriegt immerhin eine Vorstellung, was er als Businessredner zum Besten gibt. Die Lektüre verfestigt den Eindruck, den ich aus zahllosen Pressekonferenzen und einer Reihe von Interviews mit ihm habe: Live wirkt er stärker.

Dienstag, 13. März 2007

Handicap

Warum wird eigentlich nirgends über das vielleicht spannendste Schachereignis der letzten Woche berichtet, geschweige denn kommentiert? Kriegen wir nur noch mit, was Chessbase in den Kram passt, oder war einfach zu viel los? Etwa in Linares, wo sich die Spannung gewissermaßen darin reduzierte, wie oft sich Topalow umbringt und ob sich der Bulgare von Morosewitsch vom ersten Platz in der Weltkampfliste verdrängen lässt. Daneben lief in Capelle-la-Grande eines der bestbesetzten Opens und der einmal mehr spannende Titelkampf in der Österreichischen Liga (darauf kann die deutsche Bundesliga nur neidisch sein). Aber all das hat auch einen gewissen Wiederholungscharakter. Das Ereignis, von dem ich spreche, ist bislang ziemlich einmalig.

In New Jersey wurde vorige Woche versucht, die Kräfteverhältnisse zwischen einem starken Großmeister und einem Computer gerade zu rücken, indem ein Handicap eingeführt wurde. Der Computer gab einen Bauern vor, in jeder der acht Partien einen anderen, dafür spielt der Großmeister stets mit Schwarz. Es erinnerte an ein Handicapmatch, in dem Kasparow 2001 in London Terrence Chapman, einem starken Amateur, zwei Bauern vorgab und 2,5:1,5 gewann. Das aktuelle Match ging zwischen Rybka, dem derzeit stärksten PC-Schachprogramm, und Jan Ehlvest, der seit einigen Jahren in Baltimore lebt. Die Bedenkzeit betrug 45 Minuten plus zehn Sekunden pro Partie bei acht Partien (zum Download) in drei Tagen.

Ehlvest unterlag 2,5:5,5, wobei er in den ersten Partien früh in taktisches Fahrwasser geriet und chancenlos blieb, die späteren Spiele aber ausgeglichen hielt. Bei Vorgabe des h-, g-, f- und d-Bauern machte Rybka kurzen Prozess, ohne e-, b- und a-Bauer gab es remis, und mit dem c-Bauern mehr kam Ehlvest zu seinem einzigen Sieg, den er auf seinem Blog blog.ehlvest.org entsprechend feiert. Der tschechische IM Vas Rajlich, Autor von Rybka, hat seine Gedanken über das Match hier festgehalten. Der Shogimeister und Schachlehrer Larry Kaufman hat das Match organisiert. Kaufman glaubt an eine Zukunft solcher Vergleiche, und ich tue es auch, und das nicht nur zwischen Großmeistern und Computern.

Sonntag, 11. März 2007

Neid

Warum ich nicht mehr blogge, wurde ich bei der Schlussrunde der Österreichischen Liga gefragt. Mein Fan wusste sogar das Datum meines letzten Eintrags. Den praktischen Grund für mein Aussetzen, dass ich seit Wochen reichlich mit Arbeit eingedeckt bin und im Februar (rein beruflich) in den USA war, übersprang ich und kam gleich auf meine Frustration als Schachjournalist zu sprechen.

Ich habe selbst einige Zeit investiert, um zu recherchieren, was in Elista vor sich gegangen ist. Ich habe dann praktisch nichts darüber geschrieben. Es war der falsche Zeitpunkt, das Bild unvollständig. Solche Skrupel sind dumm, denn Schreibhonorare sind praktisch mein einziges Einkommen.

Ein Kollege von mir hat es besser gemacht: Wenig recherchiert, nichts Greifbares herausgefunden, aber darüber schon mehrere Artikel verfasst und das in einer großen deutschen Tageszeitung. Es hat ihn berühmt gemacht. Ausländische Zeitungen haben ihn zitiert. Sein Name steht inzwischen als Synonym für eine bestimmte Art Schachjournalismus. Wäre ich weniger von Neid zerfressen, hätte ich ihm längst eine Glückwunschmail geschickt.

Ich bin also von der Österreichischen Liga zurück. Ich habe dort mein Bestes getan, den Titelkampf nicht zu verzerren. Nachdem ich bei der letzten Runde gegen Wulkaprodersdorfs Rainer Polzin (der seine letzte GM-Norm sicherstellte) eine Gewinnstellung weggeworfen hatte, tat ich das nun auch gegen Vlastimil Babula von Ansfelden (das einen Punkt vor Wulkaprodersdorf Meister wurde).

Finde nur ich, dass die Ausrichtung von Mal zu Mal schlechter geworden ist? Die erste Runde in Graz war wie immer dort sehr okay, die zweite in Leoben schon schwach, die letzte im burgenländischen Marz grenzwertig: Ein hässlicher und zu hellhöriger Spielsaal. Ein abgelegener, unansehnlicher Ort. Zuschauer nahezu Fehlanzeige. Essen auf Busgesellschaftenniveau. Nächtliche Beschallung aus der Hoteldisko. Keiner braucht das.

Am 21.April soll bei einer Sitzung in Salzburg besprochen werden, wo die Runden in der nächsten Saison stattfinden. Es ist überfällig, dass Auflagen beschlossen werden, unter die ein Ausrichter nicht zurückfallen darf. Und dass die Runden nicht mit dem Hauptargument der Zimmerpreise vergeben werden. In Wien werden sie sicher höher liegen, doch dafür braucht da mindestens ein Drittel der Spieler kein Hotel.

Wenn ich schon bei der Tagesordnung für Salzburg bin: Wie wäre es mit einer Regelung, die Remisabsprachen vor dem 40.Zug verbietet? Die Remisquote am ersten Brett ohne die Kämpfe des schwächsten Teams Tschaturanga beträgt 85 Prozent, und dass mein Team in der letzten Runde nach 20 Minuten an allen Brettern remis gemacht hatte, macht mir auch Bauchschmerzen. Und wie wäre es mit einer freiwilligen Übereinkunft der Bundesligavereine, dass sich nach der Ausländerfreigabe nur der Österreichischer Meister nennen darf, der in jedem Kampf mindestens drei österreichische Spieler eingesetzt hat? Wenn dem ÖSB die Muffe vor einer Klage geht, wäre das ein starkes Statement von den Vereinen.

Sonntag, 28. Januar 2007

Lektionen aus Wijk aan Zee

Wenn zwei sich streiten, ja, ja, alter Kinderspruch, aber so kam´s: Der dritte, der sich freuen darf, dass Topalow seine zehnte WM-Partie öffentlich gegen Radschabow reparieren konnte, ist Wertungssieger Aronjan.

Wer nur auf Anti-Marshall, Russisch und Slawisch setzt, braucht nicht mehr eingeladen werden. Es gibt genügend andere auf höchstem Niveau spielbare Eröffnungen.

Zum Beispiel Königsindisch. Ein Hoch auf Radschabow, so lange er mit Schwarz spielt!

Katalanisch ist mehr denn je eine harte Nuss für Schwarz.

Nichts dagegen einzuwenden, wenn wir von Jahr zu Jahr verfolgen dürfen, wie sich Carlsen beim Corus-Turnier nach vorne arbeitet. Auf seinem Brett war immer was los. Das Winselschach von Motyljew und Tivjakow gefiel weniger.

Navaras Sprung über die 2700 kam nicht zu früh. Und frischen Wind bringt er auch!

Durchschnittlich jede vierte bis fünfte Partie gewinnen und den Rest remis machen reicht in Wijk aan Zee nicht (und wird auch in Mexiko City nicht reichen). Wolodja, so schaffst Du´s auch beim Schachoscar 2007 nicht in meine Top drei!

Dank des Kossinzewa-Experiments in der Schlussrunde wissen wir nun: Mit 23 (B-Gruppen-Sieger Eljanow) hat man seine Hormone schon besser im Griff als mit 16 (der abgefangene C-Gruppenzweite Nepomniaschtschi).

(Zum Schluss ein ganz spezieller Punkt für alle, die unsere Nummer eins nicht mehr mögen:) Wer unsern Toppy haut, wird bestraft: Kramnik verlor gegen Fritz, Swidler die letzten zwei Runden.

Seuche

Was habe ich an diesem blöden Brett noch verloren? Kann ich überhaupt Schach spielen? Letzter Bundesligaeinsatz: null aus zwei. Letzte österreichische Liga: ein halber aus vier. Wenigstens in der Wiener Landesliga sollte es mal wieder etwas werden, aber nein: Gestern wieder eine null. Ich hasse dieses Spiel. Ich habe meinen Rücktritt angekündigt. Noch war es im Spaß, aber die Erinnerung an das letzte Mal, als mir die Figuren gehorchten, ist viel zu schnell verblasst.

Christoph Karner – Stefan Löffler
Landesliga Wien

1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 g6 4.Sc3 Lg7 5.e4 0–0 6.Sf3 d6 7.h3 e6 8.Ld3 exd5 9.cxd5 b5 10.0–0!?
Kritischer ist sicher 10.Sxb5 Te8 11.0-0 (erst auf 11.Sc3 spielt man 11...Sxe4) 11...Sxe4 12.Te1. Ich hatte mich mit 10.0-0 nie beschäftigt und entschied mich am Brett für die schärfste Erwiderung.
10…c4 11.Lc2 b4 12.Sb5
Nach 12.Se2?! Te8 13.Sg3 Sa6 steht der weiße Springer falsch.
12…Te8 13.Te1 Sa6?
Zu riskant. Besser ist 13...a6 14.Sbd4 (nun geht auf 14.Sxd6? Dxd6 15.e5 Dxd5, weil der Turm nach 16.exf6 Dxd1 17.Lxd1 Txe1+ 18.Sxe1 Lxf6 19.Lf3 nach a7 kann) 14...Ta7 mit der Idee Tae7.
14.Lf4 Sh5 15.Le3?!
Zu schlapp. Viel stärker ist das Qualitätsopfer 15.Lh2 Lxb2 16.Sxd6 (16.Tb1 Le5) 16...Lxa1 17.Dxa1 Tf8 18.Sxc4. Selbst das ziemlich undeutliche 15.Lxd6!? Db6 16.e5 Sf4 sollte stärker sein.
15...Lxb2 16.Tb1 Lg7 17.Sxa7 Da5?
Um zu sehen, dass das bereits ein entscheidender Fehler ist, musste man freilich weit rechnen. Nach 17...Dc7 steht Schwarz okay, z.B. 18.Sb5 De7 19.Sfd4 Ld7 20.Sc6 Df8.
18.La4!
Eher günstig für Schwarz ist 18.Sc6 Dxa2 19.Sxb4 Sxb4 20.Txb4 Lc3 21.Lb1 Da5 22.Txc4 Lxe1 23.Sxe1.
18...Txe4?
Allerdings steht Schwarz auch nach 18...Tf8 19.Sc6 Dc7 20.e5 (droht u.. 21.g4) ziemlich geschissen.
19.Sc6 Dc7

karner1
Hier rechnete ich mit 20.Sd2 und sah erst jetzt, dass das geplante 20...Txe3 21.Txe3 Lf5 an 22.Se7+ scheitert. Ich legte mir dann 20...Sf6 zurecht, doch 21.Sxe4 Sxe4 22.Ld4! ist wieder ziemlich um für Schwarz. Bleibt nur die Wahl zwischen 20...Te8 21.Sxc4 Lc3 22.Tf1 Txe3 23.Sxe3 Sc5 und 20...Lf5!? mit etwas Kompensation für die Qualle. Karners folgenden Zug hatte ich zwar gesehen aber nicht weit genug berechnet:
20.Lb6!! Txe1+ 21.Dxe1 Dxb6 22.De8+
Hier hätte 22.Se7+ Kh8 23.Sxg6+ hxg6 24.De8+ Kh7 25.Sg5+ Kh6 26.Sxf7+ Kh7 27.Sg5+ Dauerschach erzwungen.
22...Lf8 23.Se7+
Eigentlich ein zweites Figurenopfer, um die siebte Reihe zu versperren, denn Zeit zum Wiedernehmen (nach 24...Lxe7) kriegt Weiß nicht.
23...Kg7 24.Sg5 Lxe7 25.Dxf7+ Kh6 26.Dxh7+!
Und noch eine dritte Figur hinterher. 26.Dxe7 Dc7 ist zu langsam.
26...Kxg5 27.h4+
Hier hätte 27.Le8 Lf5 28.Dxe7+ Kh6 29.g4 zu Dauerschach geführt, z.B. 29...Sf6 30.Dxf6 Lxb1 31.Df4+ Kg7 32.Df7+ Kh6. Als ich die Dame nach a5 stellte, hatte ich die Einsatzmöglichkeit des Läufers über e8 völlig übersehen (und nur das leicht abzuwehrende Lc2 beachtet), und vor allem erhält Weiß noch eine entscheidendere:
27...Kf6
In der Analyse dachten wir zuerst, dass 27...Kxh4 28.Dxe7+ g5 hält, doch dann entscheidet 29.Dh7! (droht 30.g3+ Kg4 31.Ld1#) 29...Lg4 30.g3+ Kh3 31.Ld7.
28.Le8!

karner2
Hier steht der Läufer fantastisch. Er greift nicht nur f7 und g6 an, sondern hindert den König an der Flucht über c6 oder b5. Kurioserweise dachte mein Gegner, dass er damit nur seine beste Schummelchance wahrnahm, nachdem er sich veropfert hatte. Ich selbst glaubte, auf Gewinn zu stehen. Darum habe ich ihn nicht gefragt, was er eigentlich übersehen hat. Aber ich weiß, was wir in der Analyse hinterher beide übersehen haben, nämlich dass Weiß nach der relativ besten Verteidigung 28...Lf5 29.Df7+ Ke5 30.Dxe7+ Kxd5 31.Td1+ Ld3 Besseres hat als 32.Lxg6?, nämlich 32.Dg5+ Kd4 (32...Ke6? 33.Te1+ und matt) 33.De3+ Kc3 34.Dxb6 mit Damengewinn. Schwarz kann noch fummeln, aber sollte letztlich verlieren. Nach 28...Dd8 wird er dagegen mattgesetzt: 29.Dxg6+ Ke5 30.Te1+ Kxd5 31.De4+ Kc5 32.De3+ Kd5 33.Td1#, und meine Antwort führt auf das gleiche hinaus:
28...Sg7? 29.Dxg6+ Ke5 30.Te1+
Am schnellsten geht´s mit 30.Dg3+ Kxd5 31.Df3+ Ke5 32.Te1+ Kd4 33.Td1+ Ke5 34.Td5+ Ke6 35.Df7#
30...Kd4
Oder 30...Kxd5 31.De4+ Kc5 32.De3+ Kd5 und nun ist 33.Dxb6 nicht so genau wie 33.Td1+ nebst Matt.
31.De4+ Kc3 32.Df3+ Kb2 33.Te2+ Ka1 34.Df4 Lf5 35.Dc1+ Lb1 36.Db2#

Möglicherweise, so hat mir mein Mannschaftsführer mitgeteilt, wird die Partie noch zugunsten meines Vereins (Husek) gewertet, weil die Nachmeldung meines Gegners vom Wiener Schachverband nicht akzeptiert oder rechtzeitig erhalten wurde. Damit will ich nichts zu schaffen haben. Auch wenn Karner seine Opfer aus irrtümlich brachte, hat er doch, wie die Analyse zeigt, brilliant gespielt und diesen Punkt mehr als verdient.

Dienstag, 9. Januar 2007

Lesestoff

Es passiert nicht oft, dass Schach auf dem Cover eines seriösen (Nichtschach-)Magazins aufscheint. Die Januar-Ausgabe des Spektrum der Wissenschaft hat eine Titelgeschichte über das Denken von Großmeistern und Amateuren. Für Kenner enthält er kaum Neues, doch es ist eine gut geschriebene Zusammenfassung. Die deutsche Version scheint nicht mehr online (der alte Link führte, wie dr. strangelove zurecht anmerkte, nur zum Titelblatt), doch die englische Originalfassung findet man.

Interessante Schachartikel werden gewöhnlich auf aktuelleren Seiten abgefeiert, bevor ich sie überhaupt bemerke. Aber auch Lars Bremers fünfteilige Abhandlung über den Beschiss im Onlineschach und die überwiegend halbherzigen bis zwecklosen Versuche, es zu entdecken und zu unterbinden, habe ich noch nirgends verlinkt gesehen (allerdings ohne intensiv gesucht zu haben).

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