Donnerstag, 4. Dezember 2008

Wie es der Ausrichter gern hätte

Es kommt immer noch besser. War in Dresden in Iljumschinows Pressekonferenz die Rede von einem doppelrundigen Achterturnier, in dem der übernächste WM-Herausforderer ermittelt wird (eine Änderung gegenüber dem Beginn des Grandprixzyklus, mit dem dieser WM-Zyklus begonnen hat), hat der präferierte Ausrichter offenbar inzwischen seine Ideen deponiert. Nun soll es sich der Ausrichter aussuchen dürfen, ob er ein Rundenturnier oder aber kurze Zweikämpfe spielen lässt, wie der heute veröffentlichten Ausschreibung zu entnehmen ist.

Statt einer Million Dollar ist nun auf einmal nur noch ein Mindestpreisfonds von 400 000 Euro gefordert. Verständlich, woher soll man in der Finanzkrise auch so schnell so viel Geld nehmen. Will der Ausrichter auch das praktischerweise gleich mit ausgeschriebene folgende WM-Match mit einem Mindestpreisfonds von einer Million Euro organisieren, will ihm die FIDE Vorrang einräumen.

Die Bewerbung soll auch einige interessante Punkte enthalten wie, wie viel der Veranstalter der FIDE abdrücken will (mindestens 20 Prozent auf Basis des Preisfonds ist eh klar, aber nun ist es nach oben offen gehalten) und an Global Chess (mindestens fünf Prozent des Preisfonds, ebenfalls nach oben offen) bezahlt wird. 100 000 Euro sind zu hinterlegen, weitere 5000 Euro sind zu zahlen, damit die FIDE die Bewerbung prüft.

Beeilen müssen sich Bewerber auch noch. Statt bis 31.Januar, wie hier zunächst gemeldet, gibt es Aufschub bis 4.Februar. Die Bewerbung soll nicht etwa an einen Notar gehen, der bis zur Öffnung der Bewerbungen Stillschweigen wahrt, sondern direkt ans Athener FIDE-Büro. Nur für den Fall, dass der vermutlich fest stehende Liebling einen Mitbewerber hat und eventuell nachlegen müsste. Alles in allem ein sehr vertrauenswürdiger Prozess.

Regeln mit Augenmaß bitte!

Vor ein paar Jahren sorgten einzelne Spieler für Aufmerksamkeit, die auf Turnieren weit über ihren Elozahlen abschnitten. Einige von ihnen wurden beim Einsatz von Taschencomputern oder mit Empfänger im Ohr erwischt. Weil damals auch erste Maßnahmen gegen Doping gesetzt wurden, redete man von Elektrodoping, dessen Unterbindung viel wichtiger wäre. Der Weltschachbund setzte damals eine hilflose, in Wahrheit aber absurde Maßnahme: Wessen Handy im Turniersaal auch nur den leisesten Mucks machte, wurde fortan mit dem Partieverlust bestraft.

Obwohl allgemein klar ist, dass kein Betrüger ein Mobiltelefon (und erst recht kein nicht auf lautlos geschaltetes) einsetzen würde, andererseits aber Erreichbarkeit vor der Partie eine Voraussetzung zur Teilnahme am modernen Leben darstellt, wurde die FIDE-Regelung nicht etwa belächelt und ignoriert sondern von Funktionären beflissentlich nahezu überall umgesetzt. Damals habe ich einer bekannten, viel gelesenen Website angeboten, unentgeltlich ein Plädoyer gegen diesen Unsinn zu verfassen. Darauf wurde mir mitgeteilt, das ständige Handyklingeln beim Schach sei eine Plage, die nur auf diese Weise in den Griff zu kriegen sei.

Wie viele Spieler sind seitdem um ihre gerade begonnene, vielleicht interessant stehende Partie gebracht worden, um kampflos einen Punkt zu verlieren oder einen zu kassieren, den sie zumindest auf diese Weise nicht wollten. Nun droht sich die Zahl der umsonst zum Schach zurück gelegten Wege und entsprechenden Frusterlebnisse zu vervielfachen.

Die FIDE hat in Dresden beschlossen, dass Zuspätkommen von nun an überall, wo eine Turnierpartie gespielt wird, zum Verlust führen soll. Richtig muss es heißen, der FIDE-Vorstand hat es in der Generalversammlung ohne weitere Aussprache diktiert, denn in der Regelkommission ist mehrheitlich gegen die allgemeine Verbindlichkeit der Regel argumentiert worden.

Nationale Verbände aufgepasst: Macht nicht den gleichen Fehler wie beim Klingelverbot! Folgt nicht den Funktionären des Weltverbands, die die Folgen ihrer Züge nicht voraussehen können! Macht Turnierregeln mit Augenmaß!

Nationale Abweichungen von den Laws of Chess sind durchaus erlaubt. Wenn Euch eine Stunde Karenz zu lang ist, was ich verstehe, setzt eine Viertelstunde. Wenn Zuschauer und Fotografen warten, fordert Geldstrafen zugunsten des Jugendschachs. So halten es fast alle niederländischen Turniere übrigens mit dem Handy. Erst Klingelsünder, die eine kleine Geldbuße verweigern, oder Wiederholungssünder verlieren den Punkt.

Was ich tun werde, wenn man ohne wenn und aber bei Partiebeginn am Brett sitzen muss? Ich werde nicht wie das Kaninchen vor der Schlange dasitzen sondern mit Buch oder Zeitung, vielleicht auch mit Kopfhörern oder meinem Essen. Wie das aussieht, wird mir dann egal sein. Ich bin kein Profi, der für Schach lebt, sondern spiele zum Spaß. Die Zeit vor der Partie gehört nicht zum Spiel sondern mir allein.

Anhörung in Wijk aan Zee

Iwantschuk soll im Januar während des Turniers in Wijk aan Zee zu seinem in Dresden verweigerten Dopingtest angehört werden, berichtet Chess Today unter Berufung auf den Ukrainischen Schachverband und zitiert, was Iwantschuk dem russischen Blog sport.ru sagte: "Das scheint alles purer Wahnsinn, aber solche Spektakel passieren in unserer Welt. Ich bin einfach aus Enttäuschung über meine Niederlage gegangen und habe nicht auf einen Mann gehört, den ich das erste Mal in meinem Leben sah und dessen Namen ich bis heute nicht kenne. Sie sehen, was für eine Komödie das war."

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Nicht mit uns

Die Abwertung des laufenden Grandprix durch das neue Kandidatenturnier wollen nicht alle einfach so hinnehmen. Henrik Carlsen, Vater von Magnus, droht mit rechtlichen Schritten und dem Rückzug aus dem Grandprix, deutet aber auch an, dass die FIDE ihre Bedenken ernstzunehmen signalisiert habe.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Jetzt bewerben

Dass die FIDE den durch die Grandprixturniere bereits laufenden WM-Zyklus bis 2011 am Ende der Schacholympiade ohne lange Debatte geändert hat war hier schon Thema. Sportlich gesehen ist es nicht zum Schlechteren, einen Zweikampf zwischen Grandprix- und Weltcupsieger durch ein doppelrundiges Achter-Kandidatenturnier zu ersetzen, auch wenn nicht alle acht Plätze gleich legitim sind, wie Alexei Schirow in einem Offenen Brief beklagt.

Auf der FIDE-Seite lese ich in der Zusammenfassung des Kongresses, dass die Ausschreibungsfrist für potenzielle Bewerber um dieses im Herbst 2010 geplante Turnier bereits am 1.Dezember begonnen hat und Ende Januar bereits endet, obwohl es dann noch mehr als eineinhalb Jahre hin sind. Das klingt nicht nur nach übertriebener Eile sondern verdammt danach, als wüsste der FIDE-Vorstand bereits, wer das Turnier will und es auch kriegen soll.

Mangels besserer Ideen tippe ich auf einen Ort, der hier auch schon ein Thema war, Naltschik. (Nachtrag:) Der Chessninja nennt unter Hinweis auf Chessdom als möglichen Ausrichter von Kandidatenturnier 2010 und WM 2011 UEP, die Firma von Kramnik-Freund Josef Resch, der ja angekündigt hat, im Schach bleiben zu wollen. Auch plausibel.

Sportförderwürdigkeit

Vor ein paar Tagen habe ich hier erwähnt, dass die Anerkennung des Schachs als Sport in Deutschland wackelt. Tatsächlich geht es nicht um die grundsätzliche Anerkennung auf allen Ebenen wohl aber um die Förderfähigkeit aus Bundesmitteln.

Der Hintergrund: Für nichtolympische Sportfachverbände wird in Deutschland alle vier Jahre das Leistungssportförderkonzept erneuert. Im Entwurf für den Zyklus 2010-2013 ist als Bedingung für die Förderung unter anderem die Motorik der Sportart festgeschrieben und dabei schon ausdrücklich festgestellt, dass dies für die Denksportarten nicht zutrifft. Einige Referenten im Bundesinnenministerium leiten daraus ab, dass Schach keine Leistungssportförderung ab 2010 mehr erhalten kann.

Der DSB hofft, dass es, zumal Schach die anderen sechs Kriterien erfüllt, nicht zum Schlimmsten kommt. (Ergänzung:) Auf dem Spiel stehen beide vom Innenministerium bezahlten Trainerstellen von Uwe Bönsch und Nachwuchschef Bernd Vökler, jährlich etwa 25 000 Euro für Fördermaßnahmen sowie die Aufwandsentschädigung für den Sportdirektor, mit der der DSB einen Teil des Gehalts seines Geschäftsführers Horst Metzing bestreitet.

Montag, 1. Dezember 2008

Was Doping dem Schach bringt

"Um nicht mehr nur immer mitleidig belächelt, sondern endlich auch als richtige Sportart anerkannt zu werden, ist im Schach Doping nicht etwa verboten sondern ausdrücklich erwünscht. In Speziallaboren werden leistungsfördernde Mixturen kreiert und an experimentierfreudige Spieler weitergereicht. Besonderer Beliebtheit erfreut sich derzeit ein Cocktail aus Red Bull, Ziegenmilch, verquirltem Eigelb und Jamaika-Rum garniert mit Kaffebohnen. Russische Großmeister verwenden allerdings traditionell ausschließlich Wodka pur. Spezialisten erforschen derzeit auch die Möglichkeit der Injektion zusätzlicher Gehirnmasse zur Steigerung des Denkvermögens."

Soweit aus aktuellem Anlass, was die Uncyclopedia zum Thema Doping im Schach (der Rest des Artikels ist übrigens lustiger) weiß. Eine mögliche Folge von Iwantschuks Flucht hat aber Olaf Teschke als erster online beschrieben: Bronze ginge von den USA (deren Kamsky Iwantschuk schlug) an Ungarn, das mit Ausnahme Lekos (der Iwantschuk unterlag, was sich aber nun als goldwert herausstellen könnte) blass blieb, in Dresden außer der Ukraine nur einem weiteren Top-Ten-Team begegnete und knapp unter der Eloerwartung abschnitt. Ich denke, Leko, Polgar, Almasi, Balogh und Berkes wäre es peinlich, auf diese Weise zu einer Medaille zu kommen. Aber sie werden sich nicht wehren können, wenn die FIDE mit ihrer Antidopingpolitik radikal ernst macht.

(Nachtrag) Shaun Press, einer der 2004 in Calvia für die Testverweigerung bestraften Spieler, hat Iwantschuk in Dresden nach Runde elf beobachtet, wie er außer sich auf einen Betonpfeiler eintrat, und meint, es sei fast ein Wunder, dass er sich dabei nicht die Zehen brach.

(Nachtrag) Während die deutsche Chessbase-Seite noch immer unter der Titelzeile "Sportbürokraten zerstören das Schach" den Anschein zu erwecken versucht hat, als wäre mein Artikel in der FAZ sensationsheischend (für dpa kann ich nichts, auch nicht dass dort behauptet wird, die FIDE habe Dopingproben 2003 eingeführt), hat die englischsprachige Seite nun ihre Hausaufgaben gemacht und den Sachverhalt genauso dargestellt.

Akopjan oder Sargissjan?

Dass die Absage des Grandprixturniers in Katar den Rauswurf von Al-Modiakhi aus der Serie nach sich zieht, war abzusehen. Wer seinen Platz in immerhin noch drei von vier Turnieren einnimmt, ist nicht so deutlich, wurde von Iljumschinow in Dresden aber zumindest angedeutet: Wenn Jerewan das ursprünglich für Elista vorgesehene Turnier im August 2009 übernimmt, werde der armenische Schachverband auch einen Spieler nominieren können. Lewon Aronjan ist bereits im Grandprix. Am ehesten wird es Wladimir Akopjan sein, der ab der Januarliste wieder über 2700 steht. Oder, falls der zuletzt fast nur noch Mannschaftsturniere spielende Akopjan keinen Ehrgeiz hat, Gabriel Sargissjan. Wenn die anderen Spieler nicht protestieren, sollte der armenische Nachrücker, wenn auch ohne Streichresultat, um die Grandprixendwertung und einen der beiden ausgelobten Plätze im Kandidatenturnier 2010 mitspielen dürfen.

Bis zum Erbrechen

"Jedes Kind ist ein Genie. Jedes Genie ist ein Kind." So stand es über dem meisteingesetzten Imageplakat der Schacholympiade zu lesen. Als Imagebringer waren Kinder in Dresden willkommen. Gut behandelt wurden sie deshalb noch lange nicht.

Bei der Eröffnungsfeier in der Eishalle "Freiberger Arena" trugen Kinder die Fahnen der FIDE und der teilnehmenden Staaten. Das wurde vorher ausführlich geprobt. Bis zu ihrem Auftritt wurden die Kinder zusammengepfercht und nicht nur mal eben ein Viertelstündchen lang. Während der Willkommensrede der Oberbürgermeisterin wurden Rufe laut, "lasst endlich die Kinder frei!" Als es dann endlich so weit war, kotzten einige von ihnen vor Übelkeit aufs Eis, was in den Fotos bei Chessbase nicht so genau dokumentiert ist. Aber was das Komischste ist: Obwohl die unwürdige Behandlung einigermaßen die Runde machte, fand der Schachblogger nirgends eine verlinkbare Quelle - und hat es darum selbst mal aufgeschrieben.

Sonntag, 30. November 2008

Achtzehn Jahr, blondes Haar

Magnus Carlsen wurde heute volljährig. Die englische Seite von Chessbase hat eine feine Reverenz an den künftigen Weltmeister mit zahlreichen Kinder- und selbst Babyfotos.

Wieviel Antidoping braucht das Schach?

Vor ein paar Wochen erhielten die Teilnahmeberechtigten der nächsten Deutschen Meisterschaft verstörende Post. Eine vierseitige Antidopingvereinbarung sei zu unterschreiben. Darin verpflichten sich die Spieler, sich jährlich über die aktuelle Dopingliste (hier als PDF-Download) zu informieren sowie zur Teilnahme an der Dopingkontrolle, falls sie dafür bestimmt werden. Thomas Luther passt das nicht. Er fühlt sich überfordert und vermisst eine Debatte über Sinn und Unsinn der Kontrollen. Außerdem verweist der dreimalige Deutsche Meister darauf, dass dem Schach in Deutschland derzeit aus dem Innenministerium ein scharfer Wind entgegenweht: Die Anerkennung als Sport wackelt.

Da kommt dem Deutschen Schachbund sicher ungelegen, dass das Dopingthema im Schach aufgrund des bisher prominentesten Falls auf internationaler Ebene (Iwantschuk hat nach der letzten Runde in Dresden die Urinprobe verweigert, dazu mein Bericht in der Berliner Zeitung und in der FAZ) hochschwappen wird. Ich weiß von keinem einzigen positiven Dopingfall im Schach, aber es gab schon eine Reihe von Strafen für Testverweigerer.

Das Argument, wir brauchen Antidoping, damit Schach olympisch wird, hat sich völlig abgenutzt. Die Chancen dafür stehen mittelfristig bei null. Aufklärung und Debatte sind überfällig. Von der FIDE ist da nichts zu erwarten, da müssen der DSB, die Spieler, die sich noch eine fundierte Meinung machen, und die Schachjournalisten, die diesen Namen verdienen, schon selber ran.

Geflederter Pokal

In der Ukraine herrscht nach der Schacholympiade Aufregung. Nicht etwa wegen Iwantschuks verweigertem Dopingtest. Dass da noch etwas nachkommen kann, hat man dort noch nicht realisiert. Sondern weil der Gaprindaschwili-Cup für das beste Kombiresultate Frauen und Männer, den die Ukraine in Dresden knapp gewonnen hat, auf der Reise beschädigt und um einen Edelstein erleichtert wurde - und zwar mutmaßlich am Frankfurter Flughafen. Hier sind Fotos des geflederten Pokals, Chessvibes schildert Details (und bringt im gleichen Artikel auch Bilder vom Empfang der Siegerteams in Georgien und Armenien).

Nach sechs Spieltagen ist die Luft bereits draußen

Werder Bremen hat das von Teamchef Till Schelz-Brandenburg gesteckte Ziel, die Meisterschaft in dieser Saison spannend zu machen, grandios verfehlt. In den ersten zwei Doppelrunden der deutschen Bundesliga durch eigene, nicht eingeplante Punktverluste gegen nominell schwächere Mannschaften. Am Samstag dann durch das eigenen 5:3 gegen die einzige Mannschaft, die Baden-Baden vielleicht noch gefährlich hätte werden können, Mülheim-Nord. Am anderen Ende der Tabelle ist auch wenig Aufregung zu erwarten. Dresden und Bayern München haben keine Chance. Tegernsee hat den Rückzug zum Saisonende angekündigt. Und mit 0 Punkten aus 6 Runden und bereits vier Punkten Rückstand auf den rettenden Platz 13 hat sich die SG Trier bestens für den dritten Abstiegsplatz in Stellung gebracht. Gesprächsstoff bieten derzeit allenfalls die vor der Saison erfolgten Regeländerungen, die laut Christian Seels Offenem Brief in die falsche Richtung gehen. Schade, dass die erste Saison, die fast komplett im Internet zu verfolgen ist, nach sechs von fünfzehn Spieltag schon gelaufen scheint.

Donnerstag, 27. November 2008

Organisation zwei plus, Kommunikation vier minus

Die FIDE-Offiziellen loben jedes Turnier, bei dem sie nicht gerade behandelt werden wie 2004 in Calvia, über den grünen Klee. Davor muss man die Organisatoren in Dresden in Schutz nehmen. Sie haben die Olympiade wirklich sehr ordentlich hingekriegt. Die Hotels waren prima, die Akkreditierung verlief ohne Chaos. Alles begann pünktlich bis auf eine Runde, deren Verschiebung aber frühzeitig angekündigt wurde. Natürlich stehen nicht überall so riesige Hallen zur Verfügung stehen wie in Turin, was so ziemlich das einzige ist, was die vorige Olympiade der in Dresden voraus hatte. Dass die Organisatoren aber auch glaubten, sich ständig selbst preisen zu müssen, war etwas fahrlässig, wies es doch die Aufmerksamkeit auf einige lässliche Mängel.

Nachdem bei der Bewerbung und in der Konzeption noch geklotzt worden war, wurde nämlich gespart und zwar am Essen, das den Spielern satzungsgemäß vorgesetzt werden muss: Der Schachblogger hat es in der "World of Chess" getestet. Es war nicht nur an diesem Abend erbärmlich, wie Gaumenzeugen bestätigten. Viele Spieler konnten nicht zu dem Einheitsbrei greifen, weil er das falsche Fleisch enthielt oder unzureichend gewürzt war. Von all den Klagen wusste der verantwortliche Bürgermeister bei seinem Auftritt freilich nichts, und die Journalisten waren zu höflich, um deutlich nachzufragen. Nun ja, der Schachblogger hat sich sagen lassen, dass die Italiener, wirklich die Italiener noch schlechter gekocht haben.

Die Veranstalter haben mit allerlei Zahlen um sich geworfen, die von Mal zu Mal nicht übereinstimmen mussten, was diejenigen zur Vorsicht rief, die numerische Angaben nicht für flexible Fakten halten. Dem ZEIT-Reporter lieferten die Zahlenspiele die Basis für ein schönes Feuilleton über das welthaltige Ereignis . Und Jürgen Daniel hat die vermeintliche Rekordaufmerksamkeit im Netz annotiert.

Im Foyer versuchte Klaus Bischoff als Einzelkämpfer die Highlights aus den über 500 Partien täglich vor meist weit über Hundert Zuhörern herauszupicken, wobei er sich sehr achtbar schlug. Welch ein Kontrast aber zu Bonn, wo sich drei deutsche Kommentatoren für die Zuschauer am Ort und noch einmal vier Internetkommentatoren jeweils ganz einer einzigen laufenden Partie widmeten. Aber Schach verständlich zu machen und das Beste aus dem Gebotenen herauszuholen, war Dresden offenbar nur Peanuts wert. Ein Skandal eigentlich.

Als relativer Fehlgriff erwies sich das Engagement von Zsuzsa Polgar als Moderatorin der so genannten Pressekonferenzen. Die ungarisch-amerikanische Exweltmeisterin hackelte zwar alles in allem fleißig, wobei sie auch ihren Zweitgatten Paul Truong einspannte. Als Moderatorin nutzte sie aber jede Gelegenheit, über sich selbst zu reden. Polgar stellte Fragen, die kein ernsthafter Journalist stellen würde, bis die Geduld dieser Spezies so erschöpft war, dass keiner mehr da war, eine ernste Frage zu stellen, sondern überwiegend Fans vor dem Podium saßen, die sich wegen des freien Eintritts als "Media" akkreditiert hatten (und damit eine von den Organisatoren gerne zitierte Zahl nach oben trieben). Dass die Goldmedaillengewinner aus Armenien in der letzten Presserunde bereits nach sechs Minuten Fragen der Reporter beantworten durften, war eine in diesem Zusammenhang schon lobenswerte Ausnahme (siehe Film bei Chessvibes).

Eine Pressekonferenz mit drei Vertretern der Organisation und dem FIDE-Präsidenten drohte nach bereits über einer Stunde Dauer vollends zur Farce zu werden. Nach drei Fragen an Iljumschinow wurde ein Zettel an Polgar gereicht, den Ball zum OK zurück zu spielen, obwohl einige Journalisten (darunter auch der Schachblogger) Illu grillen wollten. Dass Polgar wiederholt nach diesen Runden um Applaus bat und von den statistisch willkommenen Medianern auch erhielt, erinnerte daran, wo Presserunden regelmäßig mit verordnetem Beifall endeten, nämlich im Sozialismus.

Es hätte sich bezahlt gemacht, wenn die Organisatoren einen seriösen Journalisten mit Olympiadeerfahrung als Berater engagiert hätten. Als jemand, der im Presseraum arbeitete, hätte ich mir gegen Ende der Runden einen verlässlichen Überblick über vorliegende Resultate gewünscht. Stattdessen bastelten wir immer wieder einzeln Tabellen zusammen, wobei nicht gerade half, dass die Übertragung des öfteren nicht nur falsche Züge sondern auch falsche Ergebnisse zeigte, die auch nach Tagen nicht unbedingt korrigiert wurden.

Die Olympiadezeitung enthielt eine englische Seite, die immerhin aus beiden Wettbewerben je eine Partie des Tages präsentierte. Ansonsten ging sie an ihrer Zielgruppe, den ausländischen Spielern, Delegierten und Besuchern, aber weitgehend vorbei. Auf den deutschen Seiten herrschte viel eitel Sonnenschein von Uhlmanns Tagebuch bis zur Porträtserie der unbezahlten Helfer. Sebi Siebrechts Artikel waren der einzige Lichtblick, insofern sie hier und da interessante Informationen und Zitate enthielten.

Seit Monaten wurden Journalisten, die den Fehler begingen, sich frühzeitig für diese Veranstaltung zu interessieren, mit als Presseinformation deklariertem Marketing zugeschüttet. Jeder Promi, der als Olympiadebotschafter vom Aufmerksamkeitskuchen mitnaschen wollte, war eine Aussendung wert ebenso wie jedes geplante Seitenevent, von denen es unzählige gab. Meine Anregung, unterschiedliche Verteiler aufzubauen, wurde ignoriert.

Eine Aufstellung der Finanzierung, also was von echten Sponsoren, was von eigentlich städtischen Firmen und was direkt aus öffentlichen Kassen kam, habe ich in all der Masse so genannter Informationen nirgends gesehen. Vielleicht lag ich mit meiner Schätzung, drei Millionen direkt und indirekt vom Steuerzahler zu hoch. Besser wissen konnte ich es zumindest aufgrund der so genannten Presseinformationen nicht.

(Ergänzung:) Bis zur Mitte des Turniers wurden die Stellungen aller vier Kämpfe, die auf der Bühne stattfanden, auf der Leinwand übertragen (so sah das aus). Ab dann nur noch jeweils ein Kampf abwechselnd, das heißt der Spitzenkampf des Tages und der der deutschen Herren war jeweils nur ein Viertel der Zeit für die Zuschauer zu sehen. Oberpeinlich.

(Ergänzung:) Ich finde ja, eine sportlich so spannende Schacholympiade hätte aufgrund der Vielzahl der Akteure und Themen erheblich mehr mediale Aufmerksamkeit gehabt als ein frühzeitig entschiedener WM-Zweikampf zwischen den nicht unbedingt zwei Besten. Meinem Eindruck nach hat die Bonner WM die Dresdner Olympiade in dieser Beziehung klar hinter sich gelassen.

Übervermarktet und unterverkauft, das war die Schacholympiade 2008.

Mittwoch, 26. November 2008

Kleine Eloteambilanz

Das Goldteam Armeniens legt 63 Elopunkte zu. Vietnam, das erfolgreichste Team außerhalb der ersten zwanzig der Setzliste in Dresden, kommt immerhin auf ein Eloplus von 62. Was übrigens bedeutet, dass beide Mannschaften in nur 44 Partien jeweils mehr als sechs Punkte über ihrer Erwartung spielten. Deutschlands A-Team legt kollektiv immerhin 31 Punkte zu (spielt also drei Punkte über Erwartung). Elochampion ist allerdings mit mehr als hundert Punkten Zugewinn Pakistan, was freilich dem höheren Elokoeffizienten (15 und 25 statt 10) geschuldet ist. Am weitesten hinter den Eloerwartungen blieb in Dresden nicht Russland (minus 20) sondern Argentinien (minus 53). Bemerkenswert auch, dass zwei Teams, die in der letzten Runde noch Gold hätten holen können, nämlich die Ukraine (minus 16) und China (minus 9) elomäßig verloren haben.

Meine Olympiadehelden

Gabriel Sargissjan, neun Punkte, höchste Eloperformance aller Teilnehmer, Gold für Armenien, und das nachdem er schon beim Sieg 2006 in Turin wertvollster Spieler im Team war. Mehr muss man nicht sagen.

Gata Kamsky, der am Anfang der Olympiade während der Verhandlungen über sein Kandidatenfinalmatch gegen Topalow nicht recht in Tritt kam, nach deren Abschluss aber voll aufdrehte und insbesondere mit Siegen gegen Swidler und Iwantschuk wesentlich zum Bronzegewinn der Amerikaner beitrug.

Georg Meier, der mit einer Performance von fast 2800 zeigte, dass der von mir früher noch liebevoll "Bundesuwe" genannte Bönsch nicht das bestmögliche A-Team aufgeboten hat (als er einen gewissen Vereinskameraden nominierte trotz dessen fortgeschrittenen Alters und bekannter Mannschaftsundienlichkeit). Immerhin hat Bönsch angekündigt, vorausgesetzt wohl er trägt in zwei Jahren noch diese Verantwortung, Meier nach Chanti-Mansisk mitnehmen.

Abdel Razik Khaled weil er für Ägypten mit 7 aus 7 in Runde zehn gegen Aserbaidschan antrat trotz der wahrscheinlichen und auch eingetretenen Niederlage, die ihn letztlich eine Medaille kostete.

Schiedsrichter Detlef Wickert, der FIDE-Vize Makropoulos und den türkischen Verbandspräsidenten und Olympiade 2012-Organisator Ali Nihat Yacizi wegen zu lauten Redens nach wiederholter Ermahnung des Saales verwies und dafür auf Betreiben der Funktionarios seinen Posten verlor (Schilderung des Vorfalls bei Chessbase).

Posten Sie Ihre Olympiadehelden!

Meine verhinderten Olympiadehelden

Wesselin Topalow hat es in der letzten Runde vorgezogen, durch Pausieren den ersten Platz in der nächsten Eloliste festzunageln, statt sich für Bulgariens Abschneiden aufzuopfern und einen letzten Anlauf auf die beste Performance der Olympiade zu unternehmen.

Nigel Short hat weitgehend wie in seinem dritten Frühling gespielt, aber die Olympiade vor allem als Gelegenheit gesehen, seinem jungen Mannschaftskameraden David Howell zu zeigen, wie man jungem Gemüse nachstellt und andere humoristische Einlagen auf wessen Kosten auch immer aufführt.

Pablo San Segundo und Paco Vallejo, die Jakowenko bzw. Swidler in der Schlussrunde ins Remis entwischen ließen oder auch begnadigten, ohne alles versucht zu haben, um Russland noch tiefer als Platz fünf stürzen zu lassen.

Robert von Weizsäcker, der sich auf dem ungewohnten FIDE-Parkett dann doch nicht traute, obwohl er als Präsident des Gastgeberverbands DSB Gelegenheit gehabt hätte, eine mutige Rede für Transparenz und gegen Korruption in der FIDE zu halten, sondern sich auf einige im übrigen auch nicht ganz harmlose Einwürfe beschränkte.

Makros Kosmos

Wo Iljumschinow in Dresden auftauchte, waren die Claqueure nicht weit. Applaus dem Präsidenten, selbst wenn er nur mal die Presse trifft oder in der Vollversammlung ein paar Worte einwirft. Das große Wort zu führen überlässt der Kalmücke allerdings Makropoulos, dem wahren Chef der FIDE. Der fuhr etwa Geurt Gijssen über den Mund, als sich der lang gediente WM-Schiri und Turnierdirektor unzähliger Spitzenwettbewerbe anschickte zu erklären, warum Zero Tolerance für Zuspätkommer vielleicht doch keine gute Idee für die Laws of Chess ist (ein Thema, auf das der Schachblogger noch zurück kommen muss). Diskussionen in der Vollversammlung - wo kommen wir denn da hin? Seit wann ist die FIDE ein demokratischer Verein?

Auch von der neuesten Reform der WM im eigentlich schon laufenden übernächsten Zyklus wusste kaum jemand, bevor sie den Delegierten am Dienstag auf den Tisch geknallt und nahezu ohne Aussprache beschlossen wurde, schließlich sind die Claqueure unter den FIDE-Delegierten in der Mehrheit. Zu kritisieren ist an der neuerlichen Änderung vor allem, dass die bereits laufende Grandprixserie entwertet und damit ein Versprechen an deren Teilnehmer zum Teil gebrochen wird.

Ursprünglich sollte der Herausforderer des nächsten Weltmeisters für 2010 oder 2011 in einem Zweikampf zwischen den Siegern des Grandprix und des nächsten Weltcups, der Ende 2009 stattfinden wird, ermittelt werden. Nun also in einem doppelrundigen Kandidatenturnier mit acht Teilnehmern und einem Mindestpreisfonds von 833 333 Dollar zuzüglich 166 667 Dollar an die FIDE (oder vielleicht auch eine Million zuzüglich 200 000, man kommt ja nicht zum Nachfragen und auf Papier oder der FIDE-Website gibt es dazu nichts). Die acht Plätze verteilen sich auf
- zwei Punktbeste des Grandprix
- zwei Finalisten des Weltcups
-Verlierer des Kandidatenfinals Kamsky-Topalow
-Verlierer des nächsten WM-Kampfes mit Anand
-Elobester, der nicht anderweitig qualifiziert ist
-Spieler nach Wahl des Ausrichters mit Mindestelo 2700

Aber noch einmal zurück zu Makropoulos: Als sich der Grieche mitten im Turniersaal mal wieder sehr hörbar unterhielt, wurde er von einem deutschen Schiedsrichter zurechtgewiesen. Was der sich erlaubte? Wusste er nicht, wen er vor sich hatte? Jedenfalls sorgte Makro postwendend dafür, dass der Mann von seinem Posten entbunden wurde.

Montag, 24. November 2008

Pähtz will Frauenförderung debattieren, gerne!

Mit dem Nachdruck des Elisabeth Pähtz-Interviews für die Olympiadezeitung der Dresdner Neuesten Nachrichten hat Chessbase Gespür bewiesen. Dort beklagt die deutsche Spitzenspielerin, dass die Frauen gegenüber den Männern benachteiligt würden.

Die Debatte findet auch der Schachblogger überfällig. Der wundert sich nämlich seit Tagen, was die deutschen Damen, die gemittelt auf Zweitliganiveau spielen, auf der Bühne der Schacholympiade verloren haben, während Teams voller Weltklassespieler auf engstem Raum antreten müssen. Warum die Frauenolympiade fast auf die Größe des Männerturniers aufgeblasen und damit das Millionenbudget einer Olympiade (in Dresden auf Kosten des Steuerzahlers) gedehnt worden ist. Oder warum geschätzt ein Drittel der Nachwuchsmittel für Mädchen draufgeht, die an die an Jungen gesetzten Förderkriterien nicht einmal annähernd heranreichen.

Wenige Mädchen und junge Frauen arbeiten selbst ernsthaft an ihrem Spiel, weil sie frühzeitig an Trainer gewöhnt werden. Pähtz sagt selbst von sich, dass sie alleine kaum etwas tut, weil sie zu sehr abgelenkt wird. Kein deutscher Spieler hat wohl so viel Förderung aus Verbandsmitteln und öffentlichen Mitteln (Pähtz hat ein Bundeswehrgehalt, ohne viel Dienst zu leisten) erhalten wie die aus Erfurt stammende Wahlberlinerin. Förderung führt also dazu, immer mehr zu fordern. Am Rand der Olympiade droht sie sogar schon mit ihrem möglichen Rücktritt aus dem Frauennationalteam, wenn sie kommendes Frühjahr bei der Bundeswehr entlassen wird, womit auch ein mittelbares Dienstverhältnis gegenüber dem DSB und Bundestrainer Bönsch endet.

Wie aber rechtfertigt sich eigentlich, dass Frauen und Mädchen im Schach gefördert werden, auch wenn sie weit geringere Leistungen (nämlich in Elo um 200 bis 400 Punkte) als Männer und Buben bringen? Wenn niemand ausspricht, dass es ja nicht damit begründet werden kann, dass Frauen und Mädchen intellektuell gehandicapt oder auf gut deutsch dümmer als Männer und Buben sind, wird das fahrlässig offen gelassen. Der Unterschied ist meinem Eindruck nach vielmehr in der Motivation. Buben entwickeln mehr Ehrgeiz im Schach und sind eher bereit, ihr kommunikatives und soziales Potenzial zu vernachlässigen (was eine Konzentration auf Schach in der Regel nach sich zieht). Für Mädchen und Frauen wird durch eigene Wettbewerbe eine Ersatzmotivation geschaffen. Es kommt nicht auf absolute Stärke und das Ausreizen des eigenen Potenzials an, sondern wie frau sich gegen andere ihres Geschlechts schlägt. Im Schach wird aber nur richtig gut, wer sich den stärksten Gegnern stellt.

Ich bin unbedingt dafür, Schach spielende Frauen- und Mädchen zu fördern. Es muss aber wie in der Wissenschaft oder im öffentlichen Dienst als Voraussetzung gelten: bei gleicher Qualifikation, Leistung und Motivation. Sonst hat man Mittel verschenkt, die anderswo fehlen.

Für die Frauenolympiade gibt es freilich eine Umwegrentabilität. Viele Großmeister würden in Dresden nicht für wenig oder gar kein Honorar für ihre Verbände antreten, könnten sie dort nicht Frauen gucken und anbandeln versuchen.

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