Samstag, 27. Dezember 2008

Gab es je ein ereignisreicheres Schachjahr?

In den medialen Jahresrückblicken dieser Wochen kommt Schach meist nur an einer Stelle vor. Vermerkt wurde allenfalls der Tod von Bobby Fischer (hier der Take des New York Times Magazine). Dabei war 2008 ein Jahr, das die Schachwelt so schnell nicht vergessen wird, meinem oberflächlichen Eindruck nach das ereignisreichste in der bisherigen Geschichte des Schachs.

2008 war das Jahr des ersten Grand Slam und des ersten (freilich gerade um sein Überleben kämpfenden) Grandprix, das wohl endgültige Ende der Ära Kramnik, des Aufstiegs von Magnus Carlsen in die absolute Spitze, des Karrierehöhepunkts Anands und der persönlichen Elobestleistung Topalows, das Jahr, in dem Schach-WM und Schacholympiade in Deutschland zusammenfielen, und auch das Jahr, in dem einige weitreichende Regeländerungen greifen wie die Ächtung des kampflosen Remis, des Zuspätkommens oder der Brettpunkte als Hauptkriterium in Teamwettbewerben und ja, natürlich auch das Todesjahr Bobby Fischers, der dem Schach im Westen einen kurzzeitigen Boom und zwei wichtige Reformideen hinterlassen hat.

Letzte Schachrätsel

Die Wissenschaft hat geklärt, warum Männer besser Schach spielen. Nämlich weil sie es mehr tun als Frauen. Auf den ersten Blick ist schwer nachzuvollziehen, auf was man mithilfe von Statistik mitunter so kommen kann. In diesem Fall FIDE-Meister Merim Bilalic, der in Oxford und Tübingen als Psychologe forscht und Schach spielt (Bebenhausen), in Zusammenarbeit mit dem Schweizer IM und seit langem in England forschenden Fernand Gobet aufgrund von Daten und Resultaten des Deutschen Schachbundes und veröffentlicht hier: Proc Roy Soc B 10.1098/rspb.2008.1576. Dass mehr Männer spielen, soll 96 Prozent des Spielstärkeunterschieds erklären. Wissenschaft.de weiss etwas mehr.

Leider fehlt mir der Zugang zur Originalveröffentlichung, in der hoffentlich erklärt ist, warum nur 1,4 Prozent der Großmeister Frauen sind und nur ein Prozent der Top 100 weiblich, obwohl der Anteil spielender Frauen nicht ganz so unterirdisch ist. Meine Erklärung dafür (hier mein Artikel in der Berliner Zeitung) ist, dass Mädchen und Frauen in (mit übrigens nicht wenig Mitteln gepäppelten) Mädchen- und Frauenwettbewerbe gesteckt werden, um dort Erfolge zu sammeln, statt ihr Potenzial gegen stärkstmögliche Gegnerschaft auszureizen.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Hamburg, übernehmen Sie

Regelmäßige Leser ahnten es: Der Schachblogger ist nicht nur schachfern unterwegs sondern auch fernab von Breitbandverbindungen im auch nicht immer, aber wenigstens gelegentlich sonnigen Süden, wo er am Tag vor Heiligabend auch ins immer noch 18 Grad, ähem warme Mittelmeer eingetunkt ist. Daher keine aktuellen Postings.

Aber das ist ja auch nicht nötig, da andere die Dopingdebatte organisieren, freilich nachdem sie erst klargemacht haben, was man zu meinen hat (hier bis 1.Dezember scrollen), und endlich (und immer noch verdienstvollerweise) den im Schachblog schon kurz skizzierten unwürdigen Umgang mit den Schülern bei der Schacholympiade aufgegriffen haben. Dass Carsten Hensel nicht länger Wladimir Kramnik vertritt, liest man im Moment anscheinend auch nur bei Chessbase. Hensel will aber durchaus in der Schachorganisation bleiben, vermutlich mit Josef Resch bei UEP, und Leko weiterhin vertreten. Mig, der nicht in Hamburg sondern New York bloggt, hat darauf hingewiesen, dass Toppys virtuelle Elo von 2809 nach seinem Sieg in Nanking bisher nur von Kasparow (aber weder Kramnik noch Anand, den beiden anderen schon mal über 2800 geführten Spielern) in einer veröffentlichten Liste übertroffen wurde.

Und damit frohes Fest und guten Rutsch!

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Interne Klärung a la Chessbase

Alles Schmierfinken, außer beim Spiegel, so liest sich das amüsante Update zu Iwantschuks Testverweigerung bei Chessbase.de am 10.Dezember: "...Der Vorfall hätte vermutlich intern geklärt werden können, wenn er nicht sensationsgierig nach außen getragen worden wäre. So stürzte sich der Boulevard auf das Thema und macht den sensiblen Schachgroßmeister zum "Dopingflüchtling", dem nun eine Zweijahressperre droht. Bei mildernden Umständen wird es vielleicht nur ein Jahr, weiß der Bonner General-Anzeiger zu berichten. Immerhin gibt es aber auch ein paar Journalisten, die das Thema als das sehen, was es ist - eine Lachnummer. Auch der Spiegel beschäftigte sich mit der Geschichte und erläutert in einem ordentlichen Artikel im aktuellen Heft, wie der "Planet Ivanchuk" (Anand) zum fraglichen Zeitpunkt eben auf einer ganz anderen Umlaufbahn unterwegs war."

Am 1.Dezember hieß es noch unter der vielsagenden Titelzeile:
"Sportbürokraten zerstören das Schach
"Dopingskandal erschüttert Schach-Welt" titelte heute Stern-online und griff damit ein Geschichte auf, die als "Dopingverdacht beim Schach" zuvor schon in der FAZ um Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit heischte...."

Dann braucht man eigentlich nur noch zu wissen, dass der Spiegel-Artikel von dieser Woche eigentlich alles aus dem genau eine Woche zuvor erschienenenFAZ-Artikel wiederholte (ohne diesen zu nennen) und nur in einem Punkt weiterdrehte, nämlich dass die Quellen des Autors eine Begnadigung Iwantschuks für wahrscheinlich halten.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Bob wer?

Warum auf vielen Schachseiten so viel Aufleben um einen verstorbenen alten IM, den außerhalb der englischsprachigen Welt kaum jemand kannte, gemacht wurde, ist diesem feinen, sechseinhalb Minuten langen Audiowebcast von Macauley Peterson zu entnehmen. Er sprach mit Jon Speelman und Malcolm Pein über Bob Wade, der die englische Schachexplosion der Siebzigerjahre maßgeblich vorbereitet hatte und eine Schachbibliothek besaß, die Bobby Fischer vor seinem Match gegen Spasski nach London lockte. Übrigens auch ein schönes Beispiel, das Audiobeiträge im Schachjournalismus eine Berechtigung haben.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Ab nach Texas

Auch in den USA gibt es eine Schachliga. Ihr Hauptsponsor ist eine Pokerwebsite. Gespielt werden die Kämpfe per Internet. Was die Übertragungen schon mal vereinfacht. Dafür gibt es ein richtiges Finale, wie es sich auch in den Major Leagues gehört. Das entscheidende Match fand vor wenigen Tagen statt. Dallas schlug Boston, wobei ein hier unbekannter Davorin Kuljasevic einen wichtigen Sieg beisteuerte und die beste Eloleistung der Liga erzielte.

Der texanische Erfolg kommt nicht ganz von ungefähr. Dallas hat ein großzügig ausgestattetes Stipendienprogramm, es lockt U16-Europameister mit der Vollfinanzierung eines Studiums.

Auch Zsuzsa Polgar ist vor nicht langer Zeit in die Heimat von George W. gezogen, allerdings nicht nach Dallas sondern Lubbock, wo sie kürzlich ein für US-Verhältnisse selten stark besetztes GM-Turnier organisiert hat. Die dortige Texas Tech University ist übrigens die Lösung, wo der von Bönsch zugunsten Chenkins aus dem Nationalteam verbannte Leonid Kritz abgeblieben ist, wie am Ende dieses Blogeintrags zu lesen ist.

Hou hatte es nicht eilig

Oh, Hou Yifan hat den GM-Titel erhalten (übrigens auch zwei weitere Frauen, Monika Socko und Nana Dzagnidze, so dass es jetzt 19 Frauen mit GM-Titel gibt). Erst jetzt? Mig hat natürlich recht, dass die 14jährige Chinesin (der Chessbase übrigens eine nette Bildstrecke gewidmet hat) den Titel längst hätte, wäre sie nicht so oft in Frauenturnieren ohne Normchancen angetreten.

Schön zwar, wenn mal jemand nicht so jung wie möglich den Titel kriegen soll, um Funktionäre glücklich zu machen, doch im Falle von Hou hakte es meinem Eindruck nach daran, dass sie die Funktionäre durch Erfolge im Frauenschach zufrieden stellen sollte. Ich habe Hou selbst in Dresden gefragt, ob sie vor hat, eines Tages für das chinesische Männerteam zu spielen (z.B. um 2012 in Istanbul Gold zu gewinnen). Sie machte klar, dass sie das wohl nicht selbst entscheiden wird.

Hou ist exemplarisch, für die von mir kürzlich in der FASZ vertretene These, wie separate Frauenturniere das Frauenschach zunächst fördern, dann aber Talenten im Weg stehen, ihr Potenzial ganz auszureizen. Leider ist das Stück nicht online und damit nicht verlinkbar, sondern nur mein Beitrag zur Pähtzschen Debatte hierselbst.

Montag, 8. Dezember 2008

Ein Blick in die FIDE-Finanzen

Nicht alles ist intransparent in der FIDE. Ein paar Anhaltspunkte, wie der Hase läuft, enthalten die Unterlagen des FIDE-Kongresses kürzlich in Dresden. Fünf Fragen und was die Unterlagen dazu hergeben:

Ist die FIDE finanziell gesund?
Sieht zumindest für den Moment danach aus, wenn man diese Aufstellung sieht. Die FIDE gibt etwa so viel aus wie sie einnimmt. Wobei die Einnahmen von 2006 auf 2007 um 15 Prozent auf 1,43 Millionen Euro gestiegen sind, die Ausgaben allerdings noch stärker um fast dreißig Prozent auf 1,44 Millionen Euro.

Womit füllt die FIDE eigentlich ihr Budget?
Dafür muss man auch in die Erläuterungen zum FIDE-Rechnungsbericht schauen. Zunächst einmal mit Beiträgen der Verbände, die sich an deren Größe richten, sowie Gebühren für die Auswertung von Turnieren. Dann mit einer zwanzigprozentigen Beteiligung am nominellen Preisgeld der WM und des Weltcups, was jährlich 200 000 Euro abwirft. Mehr als 1000 Titel (darunter 95 Großmeister, weiters IM, FM, Frauentitel, Schirititel, Trainertitel, Organisatortitel) hat die FIDE 2007 vergeben, was mehr als 130 000 Euro in die Kassen spülte. Wenn Spieler den Verband wechseln, bittet die FIDE inzwischen ebenfalls zur Kasse, nahm damit im letzten Jahr aber nur 10 000 Euro ein. Auch Startgelder nimmt die FIDE ein, wobei zwei Drittel aus den diversen Jugendweltmeisterschaften kommen. Für mich neu war, dass die FIDE tatsächlich einen Zuschuss vom IOC erhält und zwar in Höhe von 15 000 Euro.

Wofür wird das Geld ausgegeben?
Kommen wir von den Ausgaben für die mittlerweile vier Büros in Athen, Elista, Lausanne und Moskau (in Kürze kommt in Abu Dhabi ein fünftes dazu) und die Angestellten gleich zu den auffälligen Punkten: Fast 50 000 Euro gehen drauf, um Vorstand und einen Teil der Delegierten auf ihren Reisen für die FIDE zu versichern. Einen Unfall von Campo in der Türkei hat die Versicherung aber anscheinend nicht abgedeckt. 43 000 Euro für seine Behandlung hat die FIDE bezahlt. Das WM-Komitee der FIDE hat 2007 anscheinend 92 000 Euro ausgeben dürfen. Für Rechtsstreitigkeiten gingen fast 60 000 Euro drauf. Die Ausgaben für PR und Marketing haben sich versechsfacht auf ebenfalls etwa 60 000 Euro. Die Reisekosten haben sich gegenüber dem Vorjahr fast verfünffacht. Als Einsparung fallen fast 55 000 Euro auf, die noch 2006 für "Triumvirate Stipends bzw. Travel" ausgegeben wurden, wer auch immer diese drei Männer gewesen sind.

Hat die FIDE Reserven?
Fast 1,5 Millionen Euro hat die FIDE per Saldo (also nach Abzug der Verbindlichkeiten) in Reserve, wäre also notfalls in der Lage, ein ausfallendes Grandprixturnier zur Rettung der Serie und damit der Glaubwürdigkeit vor den Spielern und den übrigen Sponsoren zu schultern.

Wer managt die Rücklagen?
Das macht nicht etwa Nigel Freeman, ein Finanzexperte von den Bermuda-Inseln, der im FIDE-Vorstand sitzt, sondern ein alter Bekannter aus der Berliner bzw. Schweizer Schachszene, nämlich Lucas Brunner. Hier sein letzter Bericht, dem zufolge die Finanzkrise die FIDE-Rücklagen etwas, aber relativ wenig getroffen hat. Nur ist das der Stand von August.

Was fehlt im Bild?
Die Geschäfte von Global Chess, dem kommerziellen Ableger, werden nicht offengelegt. Man weiß nur, dass diese Firma zur Hälfte FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow gehört und zur Hälfte dem israelisch-russischen Geschäftsmann David Kaplan. Laut Iljumschinow sollte Kaplan beim Kongress in Dresden auftreten und etwas präsentieren, sein Vortrag wurde aber ohne neuen Termin verschoben. Bessel Kok, der nach seiner Niederlage bei der FIDE-Wahl 2006 von Iljumschinow damit beauftragt wurde, Global Chess anzuschieben, ist nicht mehr involviert.

Samstag, 6. Dezember 2008

Wijk 2009

Frank Holzke, der sich voriges Jahr als überlegener Sieger des Opens qualifiziert hat, ist der einzige Deutsche in Wijk aan Zee 2009 (alle Gruppen sind nun komplett). Zu einer Einladung an Gustafsson hat man sich offenbar nicht durchringen können (vielleicht bringen sie den Hamburger ja als Kommentator. Falls er wieder Van Wely sekundiert, wäre er eh am Ort).
Freilich muss man, um ins A-Turnier eingeladen zu werden, ca. 2720 mitbringen, ca. 2640 fürs B-Turnier und auch schon ca. 2540. für die C-Gruppe. Berechtigte Ausnahmen werden nur für Niederländer und für Jungstars wie Hou Yifan gemacht. Außerdem spielt ein Engländer in jeder Gruppe, schließlich ist Corus halb englisch, halb niederländisch, aber der Eigentümer mittlerweile indisch, weshalb es verwundert, dass nach der Absage Anands, der erst Ende Februar in Linares wieder ans Brett geht, Sasikiran nicht in die A-Gruppe geladen wurde und dass Negi, den die Tata-Gruppe, zu der Corus inzwischen gehört, persönlich sponsert, nicht am Start sein wird.

Freitag, 5. Dezember 2008

Grandprix geht den Bach runter

Montreux hat die Bemühungen, im April ein Grandprixturnier auszurichten, am Mittwoch eingestellt. Magnus Carlsen, der beim Auftakt in Baku Platz eins teilte und damit gute Chancen auf einen der ersten zwei Plätze hatte, die zum Kandidatenturnier qualifizieren, ist aus Protest gegen die Eingriffe in die laufende Serie ausgestiegen.

(Nachtrag) Immerhin ist für das bereits zuvor abgesagte Turnier in Doha / Katar bereits in Jerewan Ersatz gefunden. In der Entwertung des Grandprix kriegen die Armenier allerdings einen Grund, einen Rückzieher machen. Ihr Spitzenmann Lewon Aronjan hat die FIDE in einem Offenen Brief aufgefordert, die Änderung des Zyklus rückgängig zu machen.

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