Karpows Freunde

Demnächst wird er 59, unser Exweltmeister. Aber von wegen Altenteil. Unausgelastet fühlt er sich. FIDE-Präsi will er werden. Und hört, hört. Karpow ist auf Facebook http://www.facebook.com/group.php?v=wall&ref=ts&gid=105930049441471, wo sich schon seine Anhänger scharen. Einige große Verbände (u.a. der deutsche, französische, US-amerikanische und Schweizer Verband) haben ihm gut ein halbes Jahr vor der Wahl bereits ihre Unterstützung versprochen.

Wie wir wissen, wird von Schachfunktionären in aller Welt die Großzügigkeit von Amtsinhaber Iljumschinow geschätzt. Ganze Kontinente stellen sich hinter ihn, wie Chessvibes berichtet http://www.chessvibes.com/reports/fide-elections-meaningful-and-meaningless-support (in dem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass Karpow seine Facebook-Seite nicht selbst verwaltet, sondern Chessvibes-Autor Arne Moll dafür verantwortlich ist).

Ich habe hier schon früher darauf hingewiesen http://schach.twoday.net/stories/6262523/, dass wir nicht Zeuge eines Wahlkampf sind sondern die Entscheidung im Kreml fällt. Wer FIDE-Präsident bleibt oder wird, hängt davon ab, ob der Russische Verband den russischen Amtsinhaber oder den russischen Exchamp nominiert.

Wer aber hat eigentlich Iljumschinow ins Spiel gebracht, als der Kalmücke 1995 den wegen Selbstbedienung aus den knappen FIDE-Kassen geschassten Campomanes kurzfristig ablöste? Kein anderer als Karpow.

Der war damals eigens zum FIDE-Kongress nach Paris gereist, um den in Schachkreisen noch nahezu unbekannten Iljumschinow zu unterstützen. Karpows Wort bedeutete damals viel für die Delegierten. Iljumschinow vergalt es ihm großzügig. Er finanzierte in seinem Steppenstaat Karpows nächstes WM-Match. Und als er den K.o.-Modus für die nachfolgende FIDE-WM einführte, kam Karpow geradewegs ins Finale.

Der Gouverneur von Kalmückien brüstet sich gerne der vielen Millionen, die er persönlich dem Schach hat zukommen lassen. Wie Iljumschinow zu seinem Vermögen gekommen ist, während sein Volk darbt, ist hier nicht der Punkt. Keiner ist bekannt, der von den ominösen Schachmillionen mehr abbekommen hat, als, Sie können es sich denken: Karpow. Wo bleibt in seiner heute veröffentlichten Mission http://www.chessvibes.com/reports/karpov-a-champion-of-change die Dankbarkeit?

PS: Laut einem Agenturbericht der russischen Presseagentur RIA Novosti nominiert der Russische Verband Iljumschinow. Der Schachblogger prognostiziert, dass der Kandidat des Deutschen Schachbundes (Karpow) vor der Wahl Anfang Oktober einen Rückzieher macht.
MiBu - 15. Apr, 14:33

So ist halt Politik

Bündnisse und Koalitionen bestehen eben nur zeitweise. Haben sich die Voraussetzungen geändert (Karpow ist sicher noch stark, aber ebenso sicher kein WM-Kandidat mehr), dann kündigt man das Bündnis eben auf. Blöd ist nur, dass es nicht so trivial ist, allen Leuten begreiflich zu machen, dass man eigentlich schon immer anderer Auffassung war, das erfordert Orwellsches "Doppeldenk". ("Eurasien befindet sich im Krieg mit Ozenanien, hat schon immer mit Ozenanien Krieg geführt" oder so ähnlich)

rapanui - 15. Apr, 22:50

If you read the description on the Facebook page, you'll see that its not idealism but realism that drives the Karpov supporters. This fragment should suffice:

"In the past, he may have been no stranger to political games himself, but at least he doesn't believe he was abducted by aliens, nor does he think Saddam Hussein was 'a great personality'."

In other words, nobody is claiming Karpov is saint. But he very likely is the lesser evil. Which do you choose?

Best regards, Arne

schachblogger - 19. Apr, 10:46

As a Journalist...

...I do not choose, at least not necessarily. I report, and I use may background knowledge to analyse. My current analysis says that we are not likely to see a real competition between two evils one of which is the lesser one (I´d have little doubt as to which), but we are about to see the much neglected superpower in international chess at work: I am talking about the Russian Federation which is taking its orders from the Kremlin.

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