Mittwoch, 21. November 2007

So rechnet der Russe

Zugegeben, als ich für meine Meldung von Kramniks Moskauer Sieg in der Frankfurter Allgemeinen überschlug, ob er damit die neue Nummer eins wird, hatte ich Anands Europacupergebnis nicht auf der Rechnung, und schloss: nein. In Juri Wassiljews patriotischem Interview heißt es im Gegenteil: ja. Irgendein Russe, dessen Namen ich nie zuvor gehört hatte, habe es errechnet.

Wie stehen die Dinge wirklich? Kramnik, derzeit 16 Punkte hinter Anand, legt meiner Rechnung nach mit seinen 6,5/9 gg einen Eloschnitt von 2736 knapp 14 Punkte zu. Und Anand hat beim Europacup 2 Punkte eingestellt. Ergo: Kramnik zieht gleich. Und zwar bei 2799, was irgendwie ein bisschen kurios klingt, aber vielleicht verdeutlicht, dass zwischen Anand, Kramnik und dem zwanzig Punkte zurückliegenden Topalow kein signifikanter Stärkeunterschied besteht.

Aber in Russland wird Kramnik natürlich die Nummer eins sein. Und der einzig wahre Matchweltmeister sowieso.

Kaum der Rede wert, dass es da noch einen indischen FIDE-Weltmeister gibt. Überhaupt: war FIDE-Weltmeister in Russland je eh etwas anderes als ein Schimpfwort? Aber schauen wir doch einfach, wie Anand dieser Tage in Moskau anlässlich der Blitz-WM (wo er nach dem ersten Tag als Vierter einen Punkte vor dem sechtsplatzierten Kramnik liegt) und eines Schaukampfes am Freitag mit Computerhilfe ("advanced chess") gegen Kramnik bezeichnet wird.

Rankzero hat übrigens ein weiteres Kramnik-Interview mit Ogonjok für alle des Russischen nicht Mächtigen zusammengefasst.

Montag, 19. November 2007

Team aufgelöst

Falls sich noch jemand, nun da die Ausrichtung der Schacholympiade in Deutschland im nächsten Jahr von den Steuerzahlern gesichert ist, für das deutsche Nationalteam interessiert, sei hiermit mitgeteilt: Das Team ist aufgelöst. Und zwar nicht jetzt als radikale Reaktion auf das miserable Abschneiden bei der EM, sondern man ging bereits auf Kreta getrennte Wege.

Die Namen der Spieler lasse ich jetzt mal weg: Den ersten zog es beständig in die Disko, den nächsten zum georgischen Team, einen zu Freunden aus Russland, einen zu den Dänen, bis nur noch einer übrig blieb.

Dabei sollte der Geist des gerade zusammen geführten jungen Haufens auf neue Art beschworen werden, nämlich durch Mitnahme vorbereitendes Coaching einer Psychologin. Der Bundesuwe hat dafür niemand andere als seine Stiefmutter Marion Kauke erkoren. Die frühere DDR-Bürgerin ist ungefähr vier Jahrzehnte älter als die Nationalspieler, was ein gewisses Unbehangen der selben und auch das Auseinanderstreben aus der Dynamik dieser Gruppentherapie erklären mag (Grund für die Streichungen siehe Kommentar von Gusti).

Sonntag, 18. November 2007

Stimmungsmacher

Einer ist wohl doch in Stimmung für ein WM-Match 2008, nämlich Wlad Kramnik. Den Sieg beim hochrangig besetzten Moskauer Tal-Memorial (Onlinepartien) hat er sich bereits eine Runde vor Schluss gesichert und damit seine gute Form von der WM in Mexiko, wo ihm etwas das Glück fehlte, bestätigt.

Das wäre doch eine gute Gelegenheit für die Firma von Josef Resch, Universal Event Promotion, die die Rechte an der WM behauptet, sich zu äußern, ob nun, wie hier angekündigt, 2008 mit einer WM zu rechnen ist. Im Gespräch waren oder sind Hamburg und Bonn.

Dienstag, 13. November 2007

Was sind schon drei, vier Milliönchen?

Vier Millionen, genauer gesagt 4,2 Millionen Euro wollte man für die in einem Jahr in Dresden beginnende Schacholympiade von der Wirtschaft locker machen. Inzwischen droht (und das trotz zwischenzeitlich um mehr als eine halbe Million Euro eingedampftem Budget), dass unterm Strich die Steuerzahler bis zu vier Millionen übernehmen.

Das magere Resultat von drei Jahren Sponsorensuche: In Größenordnung 100 000 Euro wurden von Firmen für die EM lukriert, Zusagen in Größenordnung von 200 000 Euro liegen für die eigentliche Olympiade vor.

Am Donnerstag, den 15.November hat der Dresdner Stadtrat eine Finanzierungslücke von 1,9 Millionen Euro durch Aufnahme ins städtische Sportstättenbudget geschlossen. Falls die Sponsoren doch noch kommen, gut. Sonst bröckeln eben die Schwimmbäder weiter.

Den größten Batzen der Kosten trägt die Stadt Dresden. Nach dem großen Immobilienverkauf scheint dort ohnehin jeder Euro gerne zweimal ausgegeben zu werden. Die Schuldenfreiheit währt jedenfalls nicht lange:

40 000 Euro für die Bewerbung waren der Anfang (50 000 Euro waren veranschlagt, eine Einsparung, der man sich heute noch rühmt, dabei hätten es 5000 Euro auch getan, denn es gab keinen ernsten Mitbewerber außer Fräulein Kass aus Tallinn) .

500 000 Euro wurden nachgeschoben, weil versprochen wurde: mehr soll es die Stadt nicht kosten. Das Geld ist verbraucht, zumal ja eine EM als Generalprobe als nötig beschlossen war. Die hat zwar Erkenntnisse gebracht (Baustelle Internet), aber dem Ruf eher geschadet, nicht nur wegen der schlechten Übertragungen sondern auch weil man von der Barauszahlung der Preise und Schirihonorare zu Überweisungen überging, die sich dann Monate streckte.

1,9 Millionen quasi als Ausfallgarantie kommen jetzt dazu.

Nicht gerechnet sind dabei die Gehälter einiger städtischer Mitarbeiter, die in ihrer Arbeitszeit für die Schacholympiade kurbeln oder es noch tun werden, wie Bürgermeister Winfried Lehmann, Sprecher Kai Schulz, Leute bei Stadtmarketing und Tourismus oder in den letzten Wochen die Juristen der Stadt, die sich mit der FIDE herumschlugen. Konservativ geschätzt:
100 000 Euro

500 000 Euro gibt die Ostsächsische Sparkasse Dresden (ohne dass sie diesen Betrag bestätigt), ein öffentliches Unternehmen in Händen der Stadt.

Macht etwas mehr als drei Millionen, wenn´s nicht noch erheblich bei der Sponsorensuche funkt. Selbst wenn noch eine Million aufgetrieben wird, was ich für realistisch halte, zahlt die Stadt Dresden viermal so viel, wie die Verantwortlichen Dirk Jordan, Ingolf Rossberg und Winfried Lehmann versprochen haben.

Das ist noch nicht alles von der Öffentlichen Hand. Dazu kommen

500 000 Euro vom Freistaat Sachsen

100 000 Euro vom Bund

...und vielleicht ein Nachschlag, wenn nämlich die eingeplanten rund 400 000 Euro (meine Schätzung, denn die Liste der geplanten Einnahmen liegt mir nicht vor) aus Kartenverkauf (mit knapp unter zehn Euro nun doch sozialverträglich bepreist) und Merchandising unterschritten werden, oder wenn die Befürchtungen des Moskauer Wadlbeißers Michael Schmidt eintreffen, dass noch für Dolmetscher beim FIDE-Kongress und einige andere Kleinigkeiten nachgelegt werden muss.

Hängen bleiben könnte da leicht: Finger weg von Schach, dafür finden sich sowieso keine Sponsoren. Darum ist es wichtig, die Versäumnisse in Dresden zu benennen und aufzuarbeiten. Dazu gehören:

1. dass sich die Lokalpolitiker von Dirk Jordan um den Finger wickeln ließen, obwohl der nach einigen Insolvenzen (seiner eigenen, seiner Frau, seines Geschäftspartners...) ein eher gestörtes Verhältnis zu Geld und Einkommen hat.

2. dass Thilo von Selchow von ZMD involviert war. Nicht genug, dass ZMD in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, auf Gesundschrumpfkurs ging und zumindest nach jetzigem Stand nicht zu den vollmundig abgegebenen und auf der Website immer noch nachlesbaren Unterstützungsversprechen für die Schacholympiade steht, sondern er musste auch noch einem alten Spezi einen Auftrag zuschanzen und drückte die Firma Grolman Result durch, die die Bemühung um Sponsoren um etwa ein Jahr zurückwarf.

3. dass man am Anfang unnötig klotzte, was wohl auf den in diesem Fall falschen Rat von DSB-Geschäftsführer Horst Metzing zurückzuführen ist, um Dresden unbedingt die Zustimmung der FIDE zu sichern. Abgesehen von der zu teuren Bewerbungskampagne wurde der FIDE ein Kongress 2005 organisiert und nicht darauf gepocht, dass die eigentlich beschlossene Beteiligung aller nationalen Schachverbände außer den ärmsten an den Unterbringungskosten ihrer Spieler und Spielerinnen umgesetzt wird. Das tat auch Turin nicht, bot aber dafür auch sehr spartanische Unterkünfte, jedenfalls schlechtere als in Dresden.

4. dass ein Privatkrieg zwischen Dirk Jordan und Michael Schmidt tobte (bis hin zur anonymen Anzeige gegen Jordan, gegen den die Staatsanwaltschaft bis vor wenigen Monaten ermittelte), der von der zentralen Baustelle Sponsorensuche ablenkte, übrigens auch die kritische Schachöffentlichkeit und den Deutschen Schachbundes aufs falsche Gleis führte.

5. dass zu spät eine GmbH beschlossen wurde, deren Gründung sich anscheinend auch noch in die Länge zog, und die überhaupt nur Verträge mit Sponsoren abschließen kann. Doch ihr Geschäftsführer, Jörn-Torsten Verleger hat inzwischen so viele andere Dinge am Hut, dass ihm für die Aquise, von der er, was ihm kaum vorgeworfen werden kann, wenig Ahnung hat, schlechterdings die Zeit fehlt.

6. dass man mit gute Stimmung machen, wie etwa auch bei der Pressekonferenz am 12.November (Masochisten clicken auf den Videostream) oder auch in der Pressemitteilung zur Unterzeichnung des Ausrichtervertrags nicht weiterkommt.

Und dabei wollte ich hier doch nur darauf hinweisen, dass in der Ausgabe vom 14.November der Frankfurter Allgemeinen ein Hintergrund von mir zur finanziellen Situation der Schacholympiade erschienen ist.

Montag, 12. November 2007

40 Minuten Anand

"India questions Viswanathan Anand" hieß eine vor wenigen Tagen vom Sender NDTV ausgestrahlte und hier im Netz zu sehende Sendung, in der sich der Weltmeister fast vierzig Minuten den Fragen von Moderator Prannoy Roy und des ziemlich jungen Saalpublikums stellte. Das ganze Studio wurde mit schwarzen und weißen Feldern und animierten Figuren dekoriert. Es wurde reichlich gelacht. Vishy schlug sich gut darin, reichlich Anekdoten zu erzählen und witzig zu reagieren.

Schachpolitisch hielt Anand den Ball flach. Seine Antwort an Kramnik gab er bereits davor in einem kurzen Telefoninterview mit der Hindustan Times: Kramnik nutze seine Protektion durch die FIDE voll aus. Ein Match zwischen den beiden sei noch lange nicht fix.

Samstag, 10. November 2007

Das Beste kommt noch, oder?

Vergleicht man die Teilnehmer von Vitoria mit denen von Moskau (Liveübertragungen hier), haftet dem spanischen Feld der Beigeschmack an, dass alle, die dort mitspielen, ihr bestes Resultat wahrscheinlich bis sicher (Karpow) schon hinter sich haben. Kasim, Pono und Nisi werden ihre Zahlen sicher noch mal steigern, aber ihre WM- und EM-Titel sind schwer zu toppen, so wie für Topalow seine großartige Serie von Linares 2004 bis Sofia 2006.

Die Teilnehmer in Moskau sind dagegen alle derzeit auf einem positiven Trend. Auch Kramnik traue ich zu, dass er noch einmal etwas Stärkeres zeigt als einen Matcherfolg gegen Kasparow (der ja den Beigeschmack trug, dass er durch Defensivschach errungen werden musste).

Übrigens: Kramniks Remis gegen Carlsen am ersten Tag des Tal-Memorials (nach einer starken Vorbereitung des jungen Norwegers) war ein Leckerbissen.

Donnerstag, 8. November 2007

Wann die Karriere endet

Der rasende Schachreporter - manche nennen ihn aus unterschiedlichen Gründen Kohle - hat mal wieder eine Karriere für beendet erklärt. In diesem Fall die von Robert Hübner. Dumm nur, dass der davon nichts weiß und das Gegenteil behauptet.

1995 hatte Kohle Maja Tschiburdanidze ins Kloster geschickt und dafür mit dem Spiegel nicht das geringste Medium ausgesucht. Während das Hamburger Nachrichtenmagazin die Ente nie korrigierte, hat das Softwarehaus am gleichen Platze seinen Lapsus etwas halbherzig eingestanden. Statt einer deutlichen Korrektur im noch immer (8.November) online stehenden Artikel wurden für einen neuen Beitrag (wobei der Chessbase-Redakteur nebenbei der Bundesliga - da bin ich als Redakteur befangen - eine drüber gab) dem Doc ein paar Fragen übermittelt, in denen dieser selbst zum großen Teil die Mühe der Richtigstellung zu tragen hatte.

Überfällig ist vielmehr, dass ein anderer seine an Peinlichkeiten, Unrichtigkeiten und, ja, auch Bestechlichkeit reiche Karriere als Schachschreiber beendet, nämlich Freund Kohle. In diesem Fall könnten die Auftraggeber, wenn sie sich ein bisschen mehr der Qualität verpflichtet fühlten, einen Beitrag leisten. Dann macht es auch nichts, wenn der Mann darauf besteht, sein Karriereende selbst zu bestimmen und zu einem ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt zu veröffentlichen.

Sonntag, 4. November 2007

Niemand in Stimmung für eine WM 2008

Im September haben wir noch brav berichtet, dass der Sieger von Mexiko den WM-Titel kommendes Jahr gegen Kramnik verteidigen muss, möglicherweise in Deutschland. Seitdem war nichts Definitives zu hören, aber so einiges, was skeptisch stimmt:

1. Das Dreigestirn aus dem Rechteinhaber des Matches Josef Resch, dem möglichen Organisator Stefan Koth und Kramniks Manager Carsten Hensel hält sich verdächtig bedeckt. Das könnte freilich ein Abwarten bedeuten, ob die Schacholympiade 2008 definitiv in Dresden stattfinden wird. Wenn die Stadt das Millionenloch nicht stopfen will und das Großevent, sagen wir in die Türkei, evakuiert wird, ändert das die Lage für WM-Sponsoring und Vermarktung in Deutschland 2008 immens.

2. Vishy Anand zeigte sich auf seiner Jubeltour in Indien alles andere als angetan von der Aussicht, bald gegen Kramnik anzutreten, und hat dessen Vorrecht auf diesen Titelkampf als lächerlich bezeichnet. Chessbase hat hier das Wichtigste aus Anands Interviews zusammengefasst.

3. Wlad Kramnik goss im Interview (Exzerpt bei Chessbase) mit der russischen Iswestja Öl ins Feuer, indem er Anand nicht als richtigen Weltmeister anerkannt hat sondern allenfalls als Turnierweltmeister. Seiner Meinung, nur der Zweikampf zähle, dürften sich stets weniger anschließen. Vielleicht sollte unser Ex-Matchweltmeister auch mal daran erinnert werden, dass er seit 1994 ein einziges Match, nämlich gegen Kasparow, in den regulären Partien gewonnen, aber gegen Kamsky, Shirov und Deep Fritz (Version 2006) verloren und gegen Leko, Topalow und Deep Fritz (2002) remisiert hat, was meiner Rechnung nach eine leicht negative Bilanz ergibt.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

close to the resorts...
close to the resorts are http://www.turkish-propert y-world.com/alanya_apartme nt.php...
tpw - 22. Jun, 16:18
Hält man das zusammen...
Hält man das zusammen mit der nunmehr von der Landesschachseite...
racingralf - 11. Aug, 09:43
montages wa maandishi...
Rellstabsstelle- Wakati wa mgomo hewa NATO juu ya...
er78kl - 1. Jul, 10:49
Falsifiziert
Dankenswerterweise hat Michael Knapp sich die Arbeit...
Schachblog rank zero - 6. Dez, 09:46

Besuchen Sie auch

Suche

 

Status

Online seit 6577 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Jun, 16:18

Credits


Impressum
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren